Verwalter-Telegramm

WEG-Verwalter muss Bauarbeiten wie ein Bauherr überwachen – Haftung für verfrühte AbschlagszahlungenMuster Verwalter-Telegramm

BGH, Urteil vom 26.01.2024; V ZR 162/22

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft gab Dacharbeiten in Auftrag, welche vorzeitig abgebrochen wurden und sich im Nachhinein als unbrauchbar herausstellten. Der Verwalter hatte an den Auftragnehmer Abschlagszahlungen in Höhe von 104.500,00 € geleistet. Die WEG verklagte das Bauunternehmen und parallel auch den Verwalter auf Erstattung dieser Summe. In erster Instanz hatte die Klage Erfolg, in der Berufungsinstanz wies das Landgericht die Klage gegen den Verwalter ab.

Die durch die Gemeinschaft hiergegen bei dem BGH eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz. Hierbei erteilte der Senat Hinweise bezogen auf die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen den WEG-Verwalter wegen der vorzeitig geleisteten Abschlagszahlungen: In Betracht komme eine Pflichtverletzung des Verwalters, da er die Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum ggf. nicht wie ein Bauherr überwacht habe. Wenn er Abschlagszahlungen leiste, müsse er anhand der Abschlagsrechnung sorgfältig überprüfen, ob sie durch den Bautenstand gerechtfertigt seien. Habe er dies zwar getan, verfüge aber nicht über die nötigen Fachkenntnisse, um Mängel der erbrachten Arbeiten beurteilen zu können, komme eine Haftung in Frage, wenn er die Gemeinschaft hierauf nicht hingewiesen habe.

Für die Schadenshöhe sei nicht allein der durch die unberechtigt gezahlten Abschläge entstandene Fehlbetrag maßgeblich. Zu berücksichtigen sei auch, ob und in welchem Maße die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Ein Schaden sei also nur gegeben, wenn die gezahlten Abschläge die durch den Unternehmer verdiente Gesamtvergütung überstiegen. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen, liege bei der WEG.

Der Verwalter hafte jedoch nicht, solange und soweit Gemeinschaft noch ein Anspruch auf Nachbesserung zustehe. Sei eine solche ausgeschlossen, hafte der Verwalter, jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung der Zahlungsansprüche der WEG gegen den Bauunternehmer.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Rollstuhlrampe für Terrasse ist zulässig!
BGH, Urteil vom 09.02.2024; V ZR 33/23

  1. Beschließen die Wohnungseigentümer die Durchführung oder Gestattung einer baulichen Veränderung, die ein Wohnungseigentümer unter Berufung auf § 20 Abs. 2 S. 1 WEG verlangt (hier: § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG), ist der Beschluss auf die Klage eines anderen Wohnungseigentümers nur für ungültig zu erklären, wenn die beschlossene Maßnahme entgegen § 20 Abs. 4 Halbs. 1 WEG die Wohnanlage grundlegend umgestaltet bzw. einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt oder der Beschluss an einem anderen (allgemeinen) Beschlussmangel leidet.
  2. Ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG im Einzelnen vorliegen und ob die bauliche Veränderung insbesondere angemessen ist, ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen dem Verlangen eines Eigentümers stattgebenden Beschluss ohne Bedeutung. Auf diese Voraussetzungen kommt es nur an, wenn der Individualanspruch des Wohnungseigentümers abgelehnt worden ist und sich dieser mit einer Anfechtungsklage gegen den Negativbeschluss wendet und/oder den Anspruch mit der Beschlussersetzungsklage weiterverfolgt.
  3. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zwecks i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 WEG dient, zumindest typischerweise nicht anzunehmen; der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen.

Anforderung an Änderung des Kostenverteilungsschlüssels
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 21.07.2023; 980b C 4/23 WEG

  1. Hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ einer neuen Kostenverteilung besteht für die Wohnungseigentümer aufgrund ihrer Selbstverwaltungsautonomie ein – weiter – Gestaltungsspielraum.
  2. Eines sachlichen Grundes als Auslöser für die Abweichung vom bestehenden Verteilerschlüssel bedarf es nicht; es gilt lediglich das Willkürverbot.
  3. Das Ziel, eine höhere Abrechnungsgerechtigkeit dadurch zu erreichen, dass auch verbrauchsunabhängige Kosten anstatt nach Miteigentumsanteilen nach Fläche zu verteilen, ist nicht zu beanstanden bzw. ermessensfehlerfrei.
  4. Dementsprechend entspricht die Änderung des Kostenverteilerschlüssels von Miteigentumsanteilen hin zur Wohnfläche ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn ein Eigentümer nur einen geringen Miteigentumsanteil hat, aber aufgrund von Sondernutzungsrechten die größte Wohnung inne hat.

Aufzug am Jugendstilhaus? Barrierefreiheit geht vor!
BGH, Urteil vom 09.02.2024; V ZR 244/22

  1. Die Wohnungseigentümer können nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht eine bauliche Veränderung grundsätzlich auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung die Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum zur Folge hat; einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedarf es hierfür nicht mehr (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 13.01.2017; V ZR 96/16, Rz. 30 ff., IMR 2017, 146 = ZWE 2017, 224).
  2. Eine bauliche Veränderung, die einem der in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Zwecke dient, ist regelmäßig angemessen. Die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise aufgrund außergewöhnlicher baulicher Gegebenheiten oder eines außergewöhnlichen Begehrens zu verneinen, wenn die bauliche Veränderung bei der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu Nachteilen führt, die bei wertender Betrachtung außer Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Nachteile, die typischerweise aufgrund einer privilegierten baulichen Veränderung eintreten, begründen regelmäßig nicht deren Unangemessenheit.
  3. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände der Angemessenheit einer baulichen Veränderung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 WEG trägt der klagende Wohnungseigentümer; verlangt ein Wohnungseigentümer gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 WEG die Ersetzung eines Grundlagenbeschlusses, muss er zur Begründung des Anspruchs darlegen, dass die bauliche Veränderung einem der gesetzlich privilegierten Zwecke dient. Beruft sich die Gemeinschaft auf die Unangemessenheit der Maßnahme, trifft sie eine sekundäre Darlegungslast für nachteilige Umstände, die sich nicht bereits aus dem Begehren selbst ergeben.
  4. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zweckes i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 WEG dient, zumindest typischerweise nicht anzunehmen; der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen.
  5. Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (Fortführung von Senat, Urteil vom 15.05.2020; V ZR 64/19, Rz. 14, IMRRS 2020, 0749 = NJW-RR 2020, 1022).
Seite drucken
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner