Untersagungsbeschluss ist als Aufforderungsbeschluss auszulegen!
Bislang entsprach es weit überwiegender Auffassung und richterlicher Praxis, Beschlüsse, in denen Wohnungseigentümern durch die Gemeinschaft untersagt wurde, eine bestimmte bauliche Veränderung durchzuführen oder Nutzung auszuüben, mangels Beschlusskompetenz für nichtig zu halten. In dem von dem BGH, Urteil vom 21.07.2023; V ZR 215/21, entschiedenen Fall wurde es einem Wohnungseigentümer untersagt, eine Garage zu Wohnzwecken und eine Terrasse als Gartenfläche zu nutzen. Ferner wurde ihm der Rückbau baulicher Veränderungen „aufgegeben“. Fraglich ist, ob die Beschlüsse in Ermangelung einer Beschlusskompetenz nichtig waren. Der Bundesgerichtshof hat hierzu Folgendes entschieden:
- Es ist den Wohnungseigentümern gestattet, durch Beschluss ihren Willen darüber zu bilden, ob sie bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig halten; dabei dürfen sie einzelne Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten auffordern. Wird dies dem Wortlaut nach als Ge- oder Verbot beschlossen, ist darin nächstliegend ein solcher Aufforderungsbeschluss zu sehen.
- Im Rahmen einer gegen einen Aufforderungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen. Ob ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch besteht, ist in einem gegebenenfalls anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären. Im Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren ist das Gericht an die im Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden.
Fazit
Der Bundesgerichtshof gibt seine bisherige Rechtsprechung, nach der Untersagungsbeschlüsse nichtig waren, ausdrücklich auf. Er legt entsprechende Beschlüsse stattdessen als zulässige Aufforderung der Gemeinschaft an den Wohnungseigentümer aus, eine bestimmte Nutzung oder bauliche Veränderung zu unterlassen. Diese Aufforderung ist ggf. gerichtlich durchzusetzen, ohne dass der getroffene Beschluss für diesen Unterlassungsprozess irgendeine Präjudizwirkung hätte.
Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht
Beschlüsse über Hausgeldabrechnungen
LG Hamburg, Urteil vom 01.03.2023; 318 S 60/22
Gem. § 28 Abs. 2 des neuen Wohnungseigentumsgesetzes besteht eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nur hinsichtlich von Beschlüssen über Hausgeldabrechnungen, soweit es um den Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus den geleisteten Hausgeldvorschüssen geht. Die Jahresabrechnung hat auf Basis der Soll-Vorschüsse zu erfolgen. Anspruchsgrundlage für etwaige Hausgeldrückstände bleibt weiterhin der jeweils beschlossene Wirtschaftsplan.
Bei Wasserschaden muss Verwalter unverzüglich Schadensursache ermitteln
LG Lüneburg, Beschluss vom 28.10.2022; 3 S 36/22
- Für Klagen der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter greift § 43 Abs. 3 WEG. Dies gilt auch bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, gleich aus welcher Rechtsgrundlage.
- Die weit gefasste Ermächtigung des Verwalters, im Hinblick auf einen eingetretenen Feuchtigkeitsschaden „das Erforderliche zu veranlassen“, ist dahingehend zu verstehen, dass der Verwalter die Ursache für den Feuchtigkeitsschaden finden und beheben soll.
- Indem der Verwalter ein spezialisiertes Fachunternehmen mit der Prüfung des Feuchtigkeitsschadens beauftragt, handelte er innerhalb dieser Einwilligung. Dass mit der Ursachenforschung und -behebung auch eine Substanzverletzung am Sondereigentum des ermächtigenden Eigentümers einhergehen kann, versteht sich von selbst und ist folglich mangels expliziter Ausnahme durch den Eigentümer von dessen Einwilligung umfasst.
- Der Verwalter ist bei Feststellung eines Wasserschadens in einer Wohnung, dessen Ursache im gemeinschaftlichen Eigentum liegen kann, aber auch verpflichtet und eben berechtigt, unverzüglich Feststellungen einzuleiten zu Art, Umfang und Ursache der Feuchtigkeit, auch um zu klären, ob Eilmaßnahmen geboten sind.