Verwalter-Telegramm

Regulierung eines Versicherungsschadens in der WEG: Was ist mit dem Selbstbehalt?

Aus Kostengründen werden Versicherungsverträge gerne mit einem Selbstbehalt abge­schlossen. Der Versicherungsnehmer muss dann also im Fall des Schadenseintritts einen Teil des Schadens allein tragen.

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft kommt es immer wieder zu Auseinander­setzungen darüber, wie nach der Regulierung eines Schadens durch die Gebäudever­sicherung mit diesem Selbstbehalt umzugehen.

Bei einem Gebäudeversicherungsvertrag handelt es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung nach § 43 Abs. 1 VVG. Im Außenverhältnis ggü. der Versicherung hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Versicherungsprämien zu tragen.

Geht es um eine Regulierung von Schäden am Gemeinschafts- und Sondereigentum oder an mehreren Sondereigentumseinheiten wird in der Kommentarliteratur vielfach die Meinung vertreten, dass eine quotale Verteilung des Selbstbehaltes auf sämtliche geschädigte Wohnungseigentümer vorzunehmen ist. Ein Ausgleichsanspruch des tatsäch­lich geschädigten Sondereigentümers soll nach dieser Ausfassung nicht bestehen.

Im Jahre 2018 hat das LG Karlsruhe (11 S 23/17 vom 22.11.2018) dieser Ausfassung einer Absage erteilt. Das Gericht betrachtet den Selbstbehalt als Bestandteil der Ver­sicherungsprämie, weil deren Höhe auch von der Vereinbarung eines solchen Selbst­behaltes abhängig ist. Von der niedrigeren Prämie profitierten sämtliche Wohnungseigen­tümer. Deshalb sei es die Pflicht der Gemeinschaft im Schadensfall den Selbstbehalt nicht dem einzelnen – zufällig geschädigten – Wohnungseigentümer aufzubürden, sondern diesen zunächst als Verband zu übernehmen und anschließend in der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer nach den entsprechenden Kostenanteilen umzulegen.

Nach dieser Rechtsprechung hat der geschädigte Sondereigentümer einen direkten Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Auskehrung des Selbst­behaltes an ihn. Geschieht dies nicht, kann er die Gemeinschaft der Wohnungseigen­tümer unmittelbar verklagen ohne dass er dafür einen Beschluss herbeiführen muss – auch das hat das LG Karlsruhe entschieden.

Im vergangenen Jahr hat sich diese Rechtsprechung verstetigt. Auch das LG Frankfurt am Main (2-13 S 149/19 vom 20.05.2021) unterstützt nun die Auffassung des LG Karls­ruhe. Die Meinung, dass der Selbstbehalt immer von demjenigen zu tragen sei, der geschädigt sei, berücksichtige nicht ausreichend die zwischen dem Verband und den Mit­gliedern bestehende Treuepflicht.

Die Rechtsauffassungen des LG Karlsruhe und des LG Frankfurt am Main sind bisher nicht vom Bundesgerichtshof abgesegnet worden. Gleichwohl handelt es sich offensichtlich um eine mehrheitliche Auffassung in der Rechtsprechung, sodass Verwalter nichts falsch machen sollten, sich an den Urteilen zu orientieren.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Selbstbehalt von der Gemeinschaft der Wohnungs­eigentümer durch den Verwalter als Organ an den betroffenen Sondereigentümer zu bezahlen (erste Stufe) und der dadurch entstehende finanzielle Aufwand in der Jahresab­rechnung auf alle Eigentümer umzulegen ist, entsprechend des in der Gemeinschaft vereinbarten Verteilungsschlüssels (zweite Stufe).

Wie oben bereits dargelegt kann der betroffene Sondereigentümer direkt gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Auszahlung des Selbstbehaltes – und ggf. auch der eigentlichen Versicherungsleistung – klagen. Einer vorherigen Befassung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen einer Eigentümerversammlung mit anschließendem Negativbeschluss bedarf es als Voraussetzung für die Klage nicht.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Vorratsbeschluss
LG Dortmund, Beschluss vom 30.10.2020; 17 S 193/20
1. Die Delegation von Befugnissen auf den Verwalter durch einen Vorratsbeschluss und damit die Einschränkung der Entscheidungsbefugnis des einzelnen Eigentümers bedurfte bisher einer Interessensabwägung.

2. Seit 01.12.2020 gibt § 27 Abs. 2 WEG den Eigentümern die Möglichkeit, die Rechte und Pflichten des Verwalters durch Mehrheitsbeschluss einzuschränken oder zu erwei­tern.

Eigentümer kann gegen Störungen seines Eigentums weiterhin selbst vorgehen
BGH, Urteil vom 01.10.2021; V ZR 48/21
Nach der zum 01.12.2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentums­gesetzes kann ein Wohnungseigentümer Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gem. § 1004 BGB, die auf die Abwehr von Störungen seines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts gerichtet sind, weiterhin selbst geltend machen.

Dritter lädt zur Eigentümerversammlung: Alle Beschlüsse sind ungültig!
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.12.2021; 2-13 S 75/20
1. Sieht die Teilungserklärung eine Vertretungsbeschränkung u.a. auf Generalbevoll­mächtigte vor, erfasst dies keinen Vertreter, der nur zur umfassenden Vertretung bei der Verwaltung des Sondereigentums bevollmächtigt ist.

2. Erfolgt die Einladung zu einer Eigentümerversammlung durch einen Dritten, den der Verwalter umfassend mit sämtlichen Verwaltungsaufgaben betraut hat und der faktisch die Verwaltung führt, liegt eine systematische Missachtung der Regeln des Wohnungseigentumsrechts vor. Die gefassten Beschlüsse sind dann, ohne dass es auf eine Kausalitätsprüfung ankommt, für ungültig zu erklären.

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