Verwalter-Telegramm

Kein Beschlusszwang für vor Inkrafttreten des WEMoG abgeschlossene bauliche Veränderungen

BGH, Urteil vom 18.07.2025; V ZR 29/24

  1. Wenn ein Wohnungseigentümer gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf Beseitigung einer baulichen Veränderung in Anspruch genommen wird, gilt das WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war.
  2. Nach vor Inkrafttreten des WEMoG geltendem Recht kann der Störer dem Beseitigungsverlangen gem. § 242 BGB einen Gestattungsanspruch nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG a.F. entgegenhalten.
  3. Eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums setzt nicht zwingend einen Substanzeingriff voraus, sondern kann auch bei einer sonstigen auf Dauer angelegten Maßnahme vorliegen, die das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert.

Ein Wohnungseigentümer hatte auf seinem Balkon eine Solaranlage mit mehreren Kollektoren angebracht. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) verlangte den Rückbau, weil die Anlage das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage deutlich verändere. Unklar blieb, wann die Anlage errichtet wurde und ob sie an der Brüstung befestigt oder auf einer Konstruktion stand. Sichtbar wurde sie jedenfalls spätestens, nachdem die GdWE Bäume und Sträucher hatte zurückschneiden lassen. Der Eigentümer wehrte sich mit dem Einwand, er habe Anspruch auf Gestattung. Vor dem BGH ging es nur noch um die Rückbauklage.

Der BGH bejahte den Rückbauanspruch der GdWE. Maßgeblich sei, ob die bauliche Veränderung vor oder nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 01.12.2020 abgeschlossen wurde. Für Maßnahmen, die bereits vorher beendet waren, gilt das alte Wohnungseigentumsgesetz (WEG a.F.). Danach konnte ein Eigentümer einem Rückbau nur den Einwand eines Gestattungsanspruchs entgegensetzen. Ein solcher Anspruch bestand hier nicht, weil die Solaranlage aufgrund ihrer Größe und Gestaltung das äußere Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigte. Auch nach neuem Recht liegt eine bauliche Veränderung vor, selbst wenn keine Bausubstanz betroffen ist. Entscheidend ist, ob eine dauerhafte Maßnahme das optische Erscheinungsbild wesentlich verändert. Damit bekräftigt der BGH seine Linie: Eine Solaranlage vor dem Balkon ist schon wegen ihrer Wirkung nach außen eine relevante bauliche Veränderung.

Die Entscheidung stellt klar: Für „alte“ bauliche Veränderungen vor dem 01.12.2020 gilt weiterhin das frühere Recht. Es besteht kein Zwang, solche Maßnahmen nachträglich durch einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft genehmigen zu lassen. Eigentümer können sich gegen Rückbauforderungen nur auf den damals bestehenden Gestattungsanspruch berufen. Dieser setzt voraus, dass keine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt – optische Veränderungen reichen aber schon aus, um einen solchen Anspruch auszuschließen. Für die Praxis bedeutet das: Wer vor dem WEMoG gebaut hat, ist zwar nicht nachträglich genehmigungspflichtig, muss aber mit Rückbau rechnen, wenn die Maßnahme das Gesamtbild oder die Interessen der Gemeinschaft erheblich stört.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Bei umfangreicher Sanierung sind Angebote vorab zu übersenden
LG München I, Urteil vom 27.08.2025; 1 S 3380/25 WEG

  1. Die Vergütung in den verschiedenen Angeboten lässt sich nicht immer direkt vergleichen, da zwischen Verträgen mit einer Pauschalvergütung und Verträgen zu unterscheiden ist, in denen die Vergütung des Verwalters in Preisbestandteile oder Teilentgelte aufgeteilt ist, und ein Angebotsvergleich daher nur unter Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vergütungsgestaltungen und dem Leistungsumfang der Angebote möglich ist. In der Eigentümerversammlung steht regelmäßig nicht genügend Zeit zur Verfügung, um sich sachgerecht mit den jeweiligen Angeboten zu befassen.
  2. Eine Übersendung von Unterlagen zu einem vorgeschlagenen Beschluss ist erforderlich, wenn für die Beschlussfassung eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen von wesentlicher Bedeutung ist.
  3. Auf die Diskussion einer umfangreichen Sanierungsmaßnahme kann sich der Wohnungseigentümer nur vorbereiten, wenn die Verwaltung ihm Unterlagen zur Verfügung stellt, und zwar die zur Diskussion stehenden Angebote oder eine Auswertung dieser Angebote.
  4. Soll erstmals über eine Sonderumlage beschlossen werden, werden sich die Wohnungseigentümer ohne eine etwas ausführlichere Erläuterung zur Notwendigkeit der Umlage nicht sachgerecht vorbereiten können.

Beschlussabstimmung: Anforderungen an Auszählung nach der Subtraktionsmethode
AG München, Urteil vom 13.02.2025; 1294 C 21980/24 WEG

Wenn eine Auszählung nach der Subtraktionsmethode gewählt wird, so kann das tatsächliche Abstimmungsergebnis nur dann hinreichend verlässlich ermittelt werden, wenn für den Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der Anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und bei Abweichung vom Kopfprinzip auch deren Stimmkraft feststeht.

Apodiktisches Erfordernis von mindestens drei Vergleichsangeboten wankt …
AG Hamburg, Urteil vom 11.06.2025; 9 C 448/24

  1. Gegen das apodiktische Erfordernis von mindestens drei Vergleichsangeboten spricht schon, dass die Wohnungseigentümer – auch nach Einholung der Vergleichsangebote – nicht verpflichtet sind, das billigste oder günstigste Angebot, wie man es bei einer Ausschreibung kennt, anzunehmen und zu realisieren.
  2. Das Fehlen solcher drei Angebote darf nicht grundsätzlich und undifferenziert dazu führen, dass Instandsetzungsmaßnahmen gegen den Willen der sanierungswilligen Mehrheit verschleppt werden, wenn ein Sanierungsbedarf objektiv vorhanden und auch hinreichend durch technischen Sachverstand abgesichert ist.
  3. Statt der gelegentlich zu Unrecht als zwingend angenommenen drei Vergleichsangebote sind entscheidende Faktoren etwa das Auftragsvolumen, die Bedeutung der Maßnahmen bzw. deren Unterlassung für die Bausubstanz, die Anfrage bei Unternehmen, die letztlich keine Angebote abgeben, sowie individuelle Faktoren.
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