Verwalter-Telegramm

Jahresabrechnung: Kein Anfechtungsgrund für „Stänkerer“

Der Anfechtung eines Beschlusses über die Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 S. 1 WEG) oder über die Einforderung von Nachschüssen bzw. die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 S. 1 WEG) steht regelmäßig der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen, soweit der anfechtende Wohnungseigentümer durch den Beschluss nicht benachteiligt wird und sämtliche Kosten verteilt werden.

AG Köln, Urteil vom 26.07.2022; 215 C 57/21
AG Berlin-Wedding, Urteil vom 20.06.2022; 9 C 494/21 WEG (Berufung beim LG Berlin zurückgenommen)

Ausgangslage

Nach dem seit Dezember 2020 reformierten WEG beschließen die Wohnungseigentümer nicht mehr über die Jahresabrechnung als Rechenwerk; beschlossen wird nur noch über die Anforderung von Nachschüssen bzw. die Anpassung von Vorschüssen. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss der anfechtende Eigentümer deshalb darlegen, dass die ihn betreffende Abrechnungsspitze falsch berechnet wurde. In der Regel ist dies der Fall, wenn bei einer oder mehreren Kostenarten ein falscher Verteilungsschlüssel angewandt oder wenn bestimmte Kosten gar nicht verteilt wurden.

Rechenergebnis falsch = Anfechtungsklage erfolgreich? So einfach ist es leider nicht. Dies haben im vergangenen Jahr das Amtsgericht Köln und das Amtsgericht Berlin-Wedding entschieden. Das als Berufungsgericht angerufene Landgericht Berlin hat die Auffassung des Amtsgerichts Berlin-Wedding gestützt, sodass dort die Klage zurückgenommen wurde.

Kein Anfechtungsrecht soll ein Kläger nämlich dann haben, wenn das Rechenergebnis bzw. die Abrechnungsspitze zwar falsch ist, der Anfechtungskläger davon aber keinen Nachteil hat. Nach Meinung der Gerichte ist dies insbesondere der Fall, wenn das Rechenergebnis bzw. die Abrechnungsspitze nur unwesentlich falsch ist oder wenn sich der Kläger bei einer zutreffenden Berechnung schlechter stellen würde. In solchen Fällen liege zwar grundsätzlich ein Anfechtungsgrund vor; nach § 242 BGB (Treu und Glauben) könne sich ein Anfechtungskläger darauf aber nicht berufen. Dies sei rechtsmissbräuchlich.

Einordnung

Bereits zum alten Recht wurde vom Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 23.12.2003; 2 Z BR 195/03) eine ähnliche Meinung vertreten. In der Breite wurde das Problem allerdings nicht aufgearbeitet.

Problematisch an der Auffassung der Gerichte ist, dass das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers dient, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung. In der Regel genügt deshalb das Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsgemäße Verwaltung zu erreichen (BGH, Beschluss 17.07.2003; V ZB 11/03). Von diesem Grundsatz machen die Instanzgerichte eine Ausnahme dann, wenn der anfechtende Eigentümer durch das – unstreitig  falsche – Rechenergebnis nicht belastet wird. Ob diese Meinung irgendwann einmal die Billigung des BGH finden wird, bleibt abzuwarten.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Sonderumlage trotz fehlerhaften Verteilungsschlüssels wirksam?

LG Berlin, Urteil vom 31.01.2023; 55 S 28/22 WEG

  1. Beschlüsse über die Festsetzung von Vorschüssen sind mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 (BGBl. I 2187) allein am Maßstab der ordnungsmäßigen Verwaltung zu messen. Dies gilt auch für Sonderumlageschlüsse.
  2. Der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage genügt auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels (Fortführung von LG Berlin, Urteil vom 30.08.2022; 55 S 7/22 WEG, IMRRS 2022, 1320). Dies gilt insbesondere, wenn die Zuordnung voraussichtlich entstehender Kosten nicht ohne weiteres möglich und der anzuwendende Kostenverteilungsschlüssel aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zwischen den beteiligten Wohnungseigentümern im Streit steht.

Wann erhält der Verwalter eine Sondervergütung?

AG Buxtehude, Urteil vom 13.10.2022; 31 C 389/21

  1. Die Vertragsparteien können zwar neben einer Grundvergütung eine Vergütung für besondere Leistungen vereinbaren. Eine solche Aufspaltung erfordert allerdings eine klare Abgrenzung derjenigen gesetzlich geschuldeten oder im Einzelfall vereinbarten Aufgaben, die von der Grundvergütung erfasst sein sollen, von denen, die gesondert zu vergüten sein sollen. Es muss also eindeutig bestimmt sein, welche vertraglich versprochenen Leistungen bereits mit dem pauschalen (Grund-) Vergütungsanteil abgegolten sein sollen.
  2. Die Klausel in einem Verwaltervertrag, dass in den Honorarsätzen sämtliche Kosten für die kaufmännische und technische Verwaltung der Wohneigentumsanlage enthalten seien, lässt sich nur als Pauschalierung des Honorars verstehen.
  3. Die weitere Formulierung, dass weitere Kosten nur für Sonderleistungen bei Bearbeitung von Angelegenheiten, die jedem Wohnungseigentümer obliegen, entstehen würden, ist unwirksam, da sie die Art der anfallenden Sondervergütungen nicht hinreichend erkennen lässt. Zudem lässt die Formulierung auch die Höhe der anfallenden Sondervergütungen nicht erkennen.
  4. Es erscheint sachgerecht, dem Verwalter das Risiko einer Rückforderung jeweils in den Jahren zuzuweisen, in dem keine Entlastung erteilt wurde.

Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Zustimmung zu einem Balkonkraftwerk

AG Konstanz, Urteil vom 09.02.2023; 4 C 425/22 WEG

Ein Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Zustimmung zur Montage eines Balkonkraftwerks. Die Montage einer Photovoltaikanlage auf dem Balkon stellt eine nicht privilegierte bauliche Veränderung dar, die der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedarf.

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