Verwalter-Telegramm

Ermächtigung zur Prozessführung einzelner Wohnungseigentümer durch Beschluss?

In der Wohnungseigentümerversammlung nehmen die Wohnungseigentümer ihr Recht zur Selbstverwaltung wahr, Beschlussfassungen entsprechen jedoch nur den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, wenn eine entsprechende sogenannte Beschlusskompetenz gegeben ist.

Diese Beschlusskompetenz ergibt sich grundsätzlich aus § 18 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und erstreckt sich auf alle Belange, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen. Hinsichtlich etwaiger Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch Eigenmächtigkeiten von Miteigentümern ist seit der Reform des Wohnungseigentumsrechts ausschließlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, solche Störungen abzuwehren, einzelne Wohnungseigentümer sind hingegen nicht mehr befugt, gegen den Störer vorzugehen, § 9a Abs. 2 WEG, vgl. Verwalter-Telegramm April 2022.

Es kommt jedoch in der Praxis vor, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gegen einen störenden Miteigentümer vorgehen will, einzelne Wohnungseigentümer jedoch bereit sind oder es für unerlässlich halten, den Störer in die Pflicht zu nehmen, insbesondere bei Lärmstörungen, die nur einen Teil der Miteigentümer betreffen, ist eine solche Konstellation nicht ungewöhnlich. Es stellt sich nun die Frage, ob die Wohnungseigentümerversammlung die Beschlusskompetenz hat, entgegen der Vorgabe aus § 9a Abs. 2 WEG nicht im Namen der Gemeinschaft vorzugehen, sondern einzelne Miteigentümer zur Prozessführung zu ermächtigen.

In der Rechtsprechung wird dies bejaht. Die sogenannte Rückermächtigung wird auch nach der Reform des Wohnungseigentumsrechts für zulässig gehalten, so das Amtsgericht Friedberg, Urteil vom 16.02.2022, 2 C 819/21. In der juristischen Kommentarliteratur wird diese Beschlusskompetenz ebenfalls befürwortet. Prozessrechtlich führt diese Ermächtigung einzelner Wohnungseigentümer zu einer sogenannten Prozessstandschaft, die als prozessuale Gestaltung anerkannt ist, materiell-rechtlich führt die Rückermächtigung zu keinen Veränderungen, es bleibt in dem Prozess zu prüfen, ob Abwehransprüche in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum tatsächlich bestehen.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann hingegen einzelne Wohnungseigentümer nicht auf eine eigene Klage verweisen. Sind einzelne Wohnungseigentümer nicht zur Geltendmachung der Abwehransprüche in eigenem Namen und auf eigene Rechnung bereit, verbleibt es bei der Verpflichtung der gesamten Wohnungseigentümer, über die Gemeinschaft wieder für ordnungsgemäße Zustände zu sorgen.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Konten der WEG sind Fremdkonten

LG Berlin, Urteil vom 15.02.2022; 55 S 25/21 WEG

Konten der Wohnungseigentümergemeinschaft sind seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaften als Fremdkonten anzulegen, bei denen die Eigentümergemeinschaft Kontoinhaberin und der Verwalter lediglich kontoführungsbefugt ist.

Anforderungen an einen Vergleich der Gemeinschaft mit dem Verwalter

LG Frankfurt, Beschluss vom 14.06.2021; 2-13 S 13/21

Die WEG kann in den Grenzen ordnungsgemäßer Verwaltung einen Vergleich (§ 779 BGB) über eine materiell-rechtlich ihr zustehende Forderung schließen. Das Ermessen aus Gründen des Minderheitenschutzes ist jedoch nicht unbeschränkt, da nicht „ohne Not“ auf eine bestehende und durchsetzbare Forderung verzichtet werden darf. Die Gemeinschaft wird bei einem Regress gegen den Verwalter durch den Beiratsvorsitzenden oder einen gewählten Bevollmächtigten vertreten, § 9b WEG. Ein Vergleichsvertrag zwischen dem Verwalter und der Gemeinschaft kommt nicht durch Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung zustande, sondern erfordert einen Vertragsabschluss, bei dem die Gemeinschaft ordnungsgemäß vertreten werden muss.

Zu unbestimmter Beschluss ist anfechtbar

AG Bonn, Urteil vom 08.12.2021; 211 C 22/21

Der TOP Reparaturen/Instandsetzungen/Anschaffungen ist zu unbestimmt, um dem Informationsinteresse der Wohnungseigentümer vor der Versammlung zu genügen. Unter diesem Tagesordnungspunkt in einer Wohnungseigentümerversammlung gefasste Beschlüsse sind anfechtbar.

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