Verwalter-Telegramm

Einberufung einer „Online-Eigentümerversammlung“ durch den Verwalter, was ist zu beachten?

Nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) seit dem 01.12.2020 sieht das neue Recht in § 23 Abs. 1 S. 2 WEG die Möglichkeit vor, auch ohne Anwesenheit am Ort der Eigentümerversammlung sämtliche oder nur einzelne Rechte über eine „Online-Teilnahme“ für die Wohnungseigentümer wahrzunehmen. Die gesamte Abschaffung der Präsenzveranstaltung ist von der Beschlusskompetenz nicht erfasst. Die konkrete, insbesondere die technische Ausgestaltung der Online-Teilnahme regelt das Gesetz nicht. Im Hinblick auf zukünftige technische Entwicklungen wurde dies bewusst ausgelassen. Der WEG-Verwalter muss daher darauf achten, dass über die Ausgestaltung im Einzelfall noch zusätzlich Beschlüsse gefasst werden. Die rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an eine solche Versammlung ergeben sich daher wie folgt:

Die Eigentümer müssen zunächst einen (Mehrheits-)Beschluss darüber fassen, dass eine Online-Versammlung stattfinden soll. Mit dem Beschluss sollte festgelegt werden, welche Rechte von den nicht persönlich teilnehmenden Eigentümern wahrgenommen werden dürfen. Man unterscheidet hier Teilnahmerechte, Rederechte und Ab­stimmungsrechte. Die Teilnahme und/oder Rederechte können dann noch hinsichtlich einer „nur Ton“ oder „Ton-/Bildübertragung“ differenziert geregelt werden. Vorstellbar wäre z.B., dass ein auf der Versammlung nicht präsenter Wohnungseigentümer nur zu­hören kann. Ferner ist vorstellbar, dass er zwar Bild und Ton empfangen kann, selber aber keine Rede-, Antrags- oder Stimmrechte hat. Es wäre auch darauf zu achten, dass bestimmte Rechte aus technischen Gründen nicht umsetzbar sind. Dies etwa, wenn die Vollmacht eines eingesetzten Vertreters geprüft werden soll. Sind keine einschränkenden Regelungen getroffen worden, dürfte sich im Rahmen der Auslegung im Zweifel ergeben, dass jeder Wohnungseigentümer sämtliche Versammlungsrechte auch bei seiner Online-Teilnahme wahrnehmen darf. Neben diesen sog. Beteiligungsrechten sollten die Form (Chat, Audio, Video) der Ausübung, die einzusetzenden Hilfsmittel (Portal, Software, Kamera, Mikrofon) nebst deren Beschaffung (Kauf, Miete, Leihe) sowie die Anwendung sicherer Anmeldewege (z.B. Zwei-Faktor-Authentifizierung) in dem Beschluss festgelegt werden.

Ist eine Online-Versammlung beschlossen worden, muss die Gemeinschaft die Voraussetzungen dafür schaffen und den Wohnungseigentümer nach Maßgabe der Beschlüsse die darin vorgesehene elektronische Kommunikation und die Wahrung der festgelegten Versammlungsrechte ermöglichen. Der WEG-Verwalter hat als Versammlungsleiter die technische Absicherung zu überwachen. Die Kosten der elektronischen Ausstattung sind laufende Kosten der Verwaltung. Im Hinblick auf die technische Ausstattung auf Eigentümerseite sollte klargestellt werden, dass jeder Eigentümer auf eigene Kosten tätig werden muss. Der Verwalter kann das notwendige Equipment stellen, ist dazu aber nicht verpflichtet. Für diesen Fall sollte eine Regelung in den Verwaltervertrag über eine Sondervergütung oder Aufwendungsersatz aufgenommen werden, um die notwendige Geschäftsausstattung nicht mit in sein Honorar einzupreisen. Sollen die Kosten von der Gemeinschaft getragen werden, kann eine abweichende Kostenregelung beschlossen werden, dass diese nur unter den Online-Teilnehmern zu verteilen sind (§ 16 Abs. 2 S. 2 WEG). Auch die Online-Teilnahme unterliegt dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung. Der Online-Teilnehmer ist daher gehalten diese Anforderung zu erfüllen. Der WEG-Verwalter als Versammlungsleiter ist nur dazu angehalten, die Plausibilität etwaiger elektronischer Zugangsvoraussetzungen zu prüfen. Ohne begründeten Zweifel ist er nicht verpflichtet, die Einhaltung der technischen oder rechtlichen Voraussetzungen in der Sphäre des Wohnungseigentümers zu prüfen. Der Zugangsweg zur Versammlung und ein etwaiger Legitimationsnachweis sind sämtlichen Wohnungseigentümern zusammen mit der Ladung zur Versammlung mitzuteilen. Eine zwingende Vorschrift zur Mitteilung dieser Modalitäten fehlt allerdings im Gesetz. Für den Ablauf der Versammlung ist zu regeln, wie eine Teilnahme durch einen Wohnungseigentümer oder einen Vertreter stattfindet, wie Redebeiträge berücksichtigt werden und wie Abstimmungen durchgeführt werden sollen. Eine Aufzeichnung ist zulässig, wenn die Wohnungseigentümer einverstanden sind.

Bisher ungeklärt sind die Rechtsfolgen, wenn die elektronische Teilnahme im Einzelfall oder generell bei einer Versammlung aus technischen Gründen scheitert. In Betracht kommen hier Bildschirmstörungen während der Ausübung eines Rederechtes, falsche Zugangsdaten oder Bild-/Tonausfall. Bislang wird dazu vertreten, dass eine Unter­scheidung nach Risikosphären vorgenommen wird. Können die beschlossenen Ver­sammlungsrechte in der Verantwortung der Gemeinschaft nicht gewahrt werden, ist die Versammlung bei einer absehbaren Reparaturmöglichkeit zunächst zu unterbrechen. Ist eine Störungsbehebung nicht in Sicht, empfiehlt sich der Abbruch der Versammlung. Tritt die Störung ausschließlich bei dem Wohnungseigentümer auf, weil sein Internetan­schluss oder Monitor defekt oder zu langsam ist, gilt die Versammlung als ordnungs­gemäß abgelaufen und eine Unterbrechung ist nicht veranlasst. Die Versammlung wird dann so behandelt, als wenn der einzelne Wohnungseigentümer aufgrund eines Staus oder eines Unfalles nicht rechtzeitig erscheinen konnte.

Fazit:

Die zukünftige Entwicklung wird zeigen, ob die Errungenschaften der Digitalisierung sich auch bei der Abhaltung von Eigentümerversammlungen durchsetzen werden. Jedenfalls dürfte die Qualität der Kommunikation zwischen den Eigentümern bei körperlicher Präsenz und dem reinen Erscheinungsbild auf einer Bildfläche unterschiedlich sein. Bei einer Online-Teilnahme wird es zudem schwierig sein, den Grundsatz der Nichtöffentlich­keit zu wahren und zu überprüfen, so dass sich neue Anfechtungsmöglichkeiten der Beschlüsse ergeben könnten. Es kann kaum ausgeschlossen werden, dass eine auf dem Bildschirm nicht sichtbare Person den Verlauf der Versammlung trotzdem mitverfolgt.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

WEG-Versammlungen unter 2G+-Bedingungen möglich

Amtsgericht München, Beschluss vom 06.12.2021; 1293 C 19127/21
Einer Eigentümerversammlung steht es nicht entgegen, dass nach landesrechtlichen Vor­schriften zum Infektionsschutz nur Geimpfte und Genesene mit negativem Coronatest teilnehmen dürfen. Wer sich eigenverantwortlich gegen eine Impfung entscheidet, muss die sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen und kann daher auf unabsehbare Zeit nicht an einer Eigentümerversammlung teilnehmen.

Jahresabrechnung für Gesamt-WEG ist auch bei Untergemeinschaften zwingend

BGH, Urteil vom 12.11.2021; V ZR 204/20
In der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage können für die Tiefgarage und die Wohngebäude auch dann weitgehend verselbständigte Untergemeinschaften gebildet werden, wenn die Tiefgarage zugleich als Fundament der Wohngebäude dient. Sieht die Gemeinschaftsverordnung einer solchen Anlage vor, dass die Untergemeinschaften sich selbständig verwalten, dass an den Untergemeinschaften die jeweiligen Eigentümer ent­sprechend ihren Miteigentumsanteilen berechtigt und verpflichtet sind, und dass für die Untergemeinschaften jeweils eigene Rücklagen gebildet werden sollen, so entspricht es der nächstliegenden Bedeutung dieser Regelungen, dass allein die Teileigentümer der Tiefgarage die Kosten für Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Tiefgarage zu tragen haben, und zwar auch im Hinblick auf tragende Bauteile, die zugleich das Fundament der Wohngebäude bilden.

Uneingeschränkte Vertretungsbefugnis des Verwalters für die Abgabe sämt­licher Grundbuch-Eintragungsbewilligungen der WEG

OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.07.2021; 15 W 2283/21
Der Verwalter hat die uneingeschränkte Vertretungsmacht für die Abgabe sämtlicher im Verkehr mit dem Grundbuchamt vorkommender Eintragungsbewilligungen. Ein Nachweis zur Vertretungsmacht muss nicht geführt werden, da § 9b Abs. 1 S. 3 WEG die Unbe­schränkbarkeit der Vertretungsmacht ausdrücklich anordnet. Daraus folgt, dass der Rechtsverkehr auf die Vertretungsmacht des Verwalters vertrauen kann. Der Vertrags­partner muss sich nur über die Wirksamkeit der Verwalterbestellung versichern, z.B. durch Vorlage des Protokolls der Eigentümerversammlung über die Bestellung.

Seite drucken
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner