Verwalter-Telegramm

Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Bauherr nach der Insolvenz des Bauträgers

Aufgrund des erheblichen Ansteigens der Bauträgerinsolvenzen sind Wohnungseigentümergemeinschaften in Neubauvorhaben mit der Fragestellung konfrontiert, ob und in welcher Weise die Fertigstellung eines steckengebliebenen Bauvorhabens durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfolgen hat. Der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat nunmehr mit Urteil vom 20.12.2024 zu dem Geschäftszeichen V ZR 243/23 entschieden, dass jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf die erstmalige plangerechte Errichtung des gemeinschaftlichen Eigentums hat. Ein solcher Anspruch scheidet indes aus, wenn die erstmalige Errichtung des Gebäudes den übrigen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten ist.

Bei dem von dem Bundesgerichtshof zu entscheidenden Sachverhalt war das Bauvorhaben in einer sehr frühen Phase ins Stocken geraten. Es sollte zunächst der Abriss einer Bestandsbebauung erfolgen und sodann die Errichtung eines Neubaus mit den Wohnungseigentumseinheiten. Der Bauträger ist bereits während der Abrissarbeiten ausgefallen und das Bauvorhaben zum Stillstand gekommen. Ein Wohnungseigentümer beantragte in der Wohnungseigentümerversammlung zu beschließen, die zur Durchführung des Bauvorhabens erforderlichen Aufträge zu vergeben und eine entsprechende Sonderumlage zur Finanzierung zu erheben. Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Beschlussersetzungsklage blieb vor dem Amtsgericht ohne Erfolg. In dem Berufungsverfahren ersetzte das Landgericht die Beschlussfassung und gab der Gemeinschaft auf, ein Sachverständigengutachten zu den voraussichtlichen Kosten des Bauvorhabens einzuholen. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der V. Zivilsenat bekräftigt, dass dem Wohnungseigentümer grundsätzlich ein Anspruch auf die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums zusteht. Da das Bauvorhaben noch nicht zu der Errichtung von Räumen geführt und damit ein Besitzdie der Erwerber an den Wohnungseigentumseinheiten nicht eingeräumt werden konnte, ist die sogenannte werdende Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 8 Abs. 3 WEG noch nicht entstanden, der BGH stellt jedoch klar, dass bereits vor dem Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft im Binnenverhältnis zwischen den Erwerbern und der Gemeinschaft der Anspruch auf Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums entstanden ist, § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Der Anspruch auf erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums besteht unabhängig von dem Fertigstellungsgrad des Gebäudes und die anspruchsbegrenzenden Vorgaben für den Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes aus § 22 WEG finden keine Anwendung, auch nicht analog. Anders als bei dem Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes entfällt der Anspruch auf Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht, auch wenn Bauleistungen in einem Wert von mehr als der Hälfte des Gebäudewertes des geplanten Gebäudes erforderlich werden.

Die Begrenzung des Herstellungsanspruches erfolgt lediglich durch den Grundsatz von Treu und Glauben. Danach entfällt der Anspruch, wenn die Aufwendungen für die Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums den übrigen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten sind. Insoweit beanstandet der BGH das Berufungsurteil, da es nicht Sache der Wohnungseigentümer sein kann, nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens diese Frage selbst zu beantworten. Es ist vielmehr durch die gerichtlichen Feststellungen zu bestimmen, ob die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird. Der BGH betont, dass regelmäßig von einer Unzumutbarkeit der Ersterrichtung auszugehen ist, wenn die zu erwartenden Kosten mehr als 50 % über den ursprünglich kalkulierten liegen, wobei es hierzu keine starre Grenze geben soll.

Als Alternative zur eigenen Fertigstellung kann es in Betracht kommen, dass ein Investor die unfertigen Einheiten zu einem angemessenen Preis abkauft. Die Entscheidungsfindung zum richtigen Vorgehen in einem steckengebliebenen Bauvorhaben bleibt im Einzelfall mithin komplex und ist mit dieser ersten Entscheidung noch nicht abschließend geklärt.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Prozessförderungspflicht des Beschlussanfechtungsklägers
BGH, Urteil vom 25.10.2024; V ZR 17/24

In dem wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren hat der Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Klagfrist bei Gericht den Sachstand abzufragen, auch wenn im Übrigen die Mitwirkungshandlungen, insbesondere die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses ordnungsgemäß erfüllt sind. Unterbleibt die Sachstandsanfrage, kann die verzögerte Klagzustellung zu einer Verfristung der Anfechtungsklage führen.

Anfechtung wegen fehlerhafter Jahresabrechnung
BGH, Urteil vom 20.09.2024; V ZR 195/23

Zuweisung der Erhaltungspflicht für Teile des Gemeinschaftseigentums
Landgericht Hamburg, Urteil vom 12.06.2024; 318 S 42/23

Weist die Teilungserklärung die Erhaltungspflicht für ein Bauteil des Gemeinschaftseigentums einem Wohnungseigentümer zu, besteht eine Instandsetzungszuständigkeit der Gemeinschaft nicht mehr, auch bei umfangreichem Sanierungsbedarf ist die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums ausschließlich durch den betreffenden Wohnungseigentümer auf dessen Kosten vorzunehmen.

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