Die Teilnahmemöglichkeiten von Vertretern und/oder „Beiständen“ in der Eigentümerversammlung
Die Wohnungseigentümerversammlung ist das Entscheidungsorgan und damit das oberste Verwaltungsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft. Eigentümer müssen sich dabei durchaus mit schwierigen rechtlichen oder tatsächlichen Themen auseinandersetzen, etwa wenn es um Sanierungskonzepte, die Rechtmäßigkeit von Jahresabrechnungen oder die Anforderungen an Gebrauchsregelungen oder Unterlassungsansprüche bei zweckwidrigem Gebrauch des Gemeinschaftseigentums geht. Viele Eigentümer fühlen sich mit dieser Situation oft überfordert und stimmen mangels ausreichender Beratung und in Unkenntnis sämtlicher Entscheidungsgrundlagen mit der Mehrheit oder lassen sich von anderen redegewandteren Miteigentümern beeinflussen. Es kann daher hilfreich sein in die Versammlung einen kompetenten Berater mitzunehmen. Dies ist aus rechtlichen Gründen nur in sehr engen Grenzen zulässig.
Nicht öffentliche Versammlung
Für die Wohnungseigentümerversammlung gilt der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit (BGH ZMR 1993, 287-V ZB 24/92). Danach darf die Versammlung nur in einem für diese vorgesehenen Raum stattfinden und dabei nur Wohnungseigentümer oder deren Vertreter teilnehmen. Die Versammlung soll vor Einflüssen von außen geschützt und vertrauliche Informationen geheim gehalten werden. Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit soll gewährleisten, dass die Willensbildung unbeeinflusst von äußeren Einwirkungen erfolgen kann. Diskussionen, Auseinandersetzungen und Beschlussfassungen innerhalb der Eigentümergemeinschaft sind eine interne Angelegenheit. Dritte sind dabei grundsätzlich nicht teilnahmeberechtigt.
Vertreter und Vertretungsbeschränkungen
An der Versammlung dürfen allerdings Vertreter teilnehmen. Dazu gehört natürlich die gesetzliche Vertretung bei juristischen Personen (beispielsweise die Geschäftsführer und/oder Vorstände oder Kinder durch ihre Eltern). Auch eine rechtsgeschäftliche Vertretung durch Bevollmächtigung ist möglich. Die Vollmacht kann zwar formlos erfolgen. Es ist aber in jedem Fall eine schriftliche Vollmacht zu empfehlen, weil der Verwalter anderenfalls die Möglichkeit hat, eine Stimmabgabe ohne schriftlichen Vollmachtsnachweis zurückzuweisen. Sofern die Gemeinschaftsordnung nichts anderen regelt, kann sich ein Wohnungseigentümer von jeder beliebigen Person in der Versammlung vertreten lassen. Vertretung in diesem Sinne bedeutet allerdings, dass der Eigentümer selbst nicht anwesend ist.
Vertreterklauseln in der Gemeinschaftsordnung
Die Gemeinschaftsordnung kann diese Vertretungsmöglichkeit allerdings einschränken oder an bestimmte Formen knüpfen. Eine Regelung, wonach ein Eigentümer sich nur von dem Verwalter, einem anderen Eigentümer oder dem Ehegatten vertreten lassen kann, wäre zulässig. Vor der Teilnahme an einer Eigentümerversammlung durch einen Vertreter sollten die Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung daher genau geprüft werden, um zu vermeiden, dass die inhaltlich gefassten Beschlüsse anfechtbar sind, wenn keine zulässige Vertretung stattgefunden hat.
Berater
Im Unterschied zu einem Vertreter nimmt ein Berater nicht aktiv an Stelle des Wohnungseigentümers an der Versammlung teil, sondern nimmt gemeinsam mit ihm eine passive, beratende Funktion wahr. Ihm kommt auch kein Stimmrecht zu. Wegen des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit dürfen aber generell keine Berater teilnehmen. Ein Mehrheitsbeschluss über die Teilnahme Dritter als Geschäftsordnungsbeschluss ist unzulässig. Dieser kann als Geschäftsordnungsbeschluss zwar nicht angefochten werden, allerdings wären sämtliche inhaltlich gefassten Beschlüsse durch die Anwesenheit des Dritten anfechtbar. Eine Ausnahme ergibt sich dann, wenn der Wohnungseigentümer nachweisen kann, dass er an der Heranziehung eines Beraters ein sogenanntes berechtigtes Interesse hat. Dieses ist zum Beispiel anerkannt, wenn in der Versammlung schwierige, komplexe Sachverhalte zur Entscheidung stehen, ein hohes Lebensalter des Eigentümers besteht oder dieser sich wegen des Schwierigkeitsgrades der Angelegenheit alleine nicht in der Lage sieht, seine Rechte in der Versammlung angemessen wahrzunehmen (BGH ZMR 1993, 287 288-V ZB 24/92). Ist ein Eigentümer der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, kann er Anspruch auf Teilnahme eines Dolmetschers haben (AG Wiesbaden ZMR 2013, 319). Dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit steht es auch nicht entgegen, wenn der Verwalter zu einzelnen Punkten im Interesse der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt hinzuzieht, solange nicht ein konkreter Interessengegensatz zwischen einem einzelnen Eigentümer und den übrigen Eigentümern ersichtlich ist und niemand widerspricht (OLG Köln ZMR 2009, 689). Wenn Dritte für die Wohnungseigentümergemeinschaft tätig sind (z.B. Sachverständige, Architekten) können diese auch nur im Rahmen der Beratung im Vorfeld einer Beschlussfassung an der Versammlung teilnehmen, um Fragen aus dem Kreis der Wohnungseigentümer zu beantworten. Für die Abstimmung selber wäre die Eigentümerversammlung zu verlassen, um das Risiko der Anfechtbarkeit der Beschlüsse zu vermeiden. Mit einer Entscheidung des Amtsgerichts Wuppertal vom 12.08.2019 – 95b C 18/19 wurde ein Beschluss über die Durchführung von Sanierungsarbeiten mit einem Auftragsvolumen von 1,98 Mio. € für ungültig erklärt, weil in der Versammlung während der Abstimmung auch der beauftragte Architekt und der Rechtsanwalt der WEG anwesend waren. Nicht anwesende Eigentümer hatten später Anfechtungsklage gegen den gefassten Beschluss wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit erhoben.
Fazit
Bei Beschlussfassungen in Anwesenheit von Dritten besteht das Risiko der Anfechtbarkeit von sämtlichen Beschlüssen, die auf der Versammlung gefasst worden sind. Zu Beginn jeder Eigentümerversammlung sollte der Verwalter daher durch Nachfrage abklären, ob unberechtigte Dritte anwesend sind und die anwesenden Eigentümer fragen, ob es Einwendungen gibt. Ist auch nur ein einzelner Wohnungseigentümer gegen die Teilnahme des Dritten, muss dieser die Versammlung verlassen. Das Recht auf Einhaltung der Nichtöffentlichkeit steht nicht zur Disposition der Mehrheit. Vor diesem Hintergrund ist auch insbesondere die Online-Teilnahme mit dem Risiko der Anfechtung behaftet, da hier kaum ausgeschlossen werden kann, dass eine auf dem Bildschirm nicht sichtbare Person den Verlauf der Versammlung trotzdem mitverfolgt.
Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht
Zur Rechtsbeziehung zwischen Eigentümern und Verwalter
Amtsgericht München, Beschluss vom 24.01.2022; 1295 C 634/22 EVWEG
Aufgrund der Änderungen durch das WEMoG bestehen zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern und dem Verwalter keine unmittelbaren wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsbeziehungen mehr. Der Verwalter ist nur noch Organ des Verbands „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“. Die damit einhergehenden organschaftlichen Pflichten bestehen naturgemäß nur ihr gegenüber. Anders als früher ist der Verwalter nur noch „gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“, nicht mehr gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern verpflichtet.
Eintragung eines Sondernutzungsrechtes im Grundbuch
OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.12.2021; 20 W 240/21
Die Eintragung von Sondernutzungsrechten im Grundbuch richtet sich nach den § 10 Abs 3 WEG, § 7 Abs. 3 WEG, § 3 Abs. 2 WGV. Danach kann zur näheren Bezeichnung des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Das gilt mithin auch für Umfang und Inhalt des Sondernutzungsrechtes. Dies bedeutet, dass die Bezugnahme auf die Teilungserklärung bzw. die sonstige Bewilligung und deren Eintragung in allen Wohnungseigentumsgrundbüchern, also ohne jeden Hinweis darauf, dass Sondernutzungsrechte begründet wurden, nach der Gesetzeslage genügt.
Streit zwischen Eigentümergemeinschaften ist keine WEG-Sache
Landgericht Karlsruhe, Beschluss vom 18.05.2022; 11 S 179/20
- Der Streit einer WEG mit einer Nachbar-WEG oder deren Miteigentümer um gemeinsame Einrichtungen bzw. diesbezügliche Verträge gehört nicht vor die WEG-Gerichte.
- Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich territorial niemals über das eigene Grundstück hinaus erstrecken.
- Bezeichnet ein Amtsgericht versehentlich eine der allgemeinen Rechtsmittelregelungen unter fallende Sache als Wohnungseigentumssache und legt der Berufungsführer dann fälschlich Berufung beim konzentrierten Berufungsgericht nach § 72 Abs. 2 GVG ein, so hilft dem Rechtsmittelführer der amtsgerichtliche Fehler beim erstangegangenen Berufungsgericht nicht weiter. Die Berufung beim konzentrierten Berufungsgericht bleibt unzulässig.
Zweiergemeinschaft: Hausgeldansprüche muss Gemeinschaft durchsetzen
Landgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 17.05.2022; 2-13-T 27/22
Auch in einer verwalterlosen Zwei-Personen-WEG können Hausgeldansprüche nur aufgrund eines Beschlusses über eine Jahresabrechnung oder einen Wirtschaftsplan geltend gemacht werden. Zudem muss der Zahlungsanspruch auch hier von der Gemeinschaft durchgesetzt werden, einzelne Eigentümer sind hierzu nicht befugt.