Verwalter-Telegramm

Balkonkraftwerk versus Beschlusszwang in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Der Gesetzgeber stärkt im Zuge der sogenannten Energiewende die Berechtigung der Mieter und Wohnungseigentümer, Stecker-Solaranlagen zu betreiben. In der Neufassung des § 554 BGB berücksichtigt der Gesetzgeber neben der Schaffung von Barrierefreiheiten, der Herstellung in Infrastruktur zum Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge und zur Verbesserung des Einbruchschutzes künftig auch die baulichen Veränderungen zum Betrieb von Stecker-Solaranlagen, deren Betriebskapazität zugleich erhöht wird. In dem Wohnungseigentumsgesetz erfolgt eine gleichlautende Ergänzung des Anspruches der Wohnungseigentümer auf Installation derartiger Geräte. Bei vermieteten Eigentumswohnungen entsteht indes ein erhebliches Spannungsfeld, da der Mieter einen sofort fälligen Anspruch auf Genehmigung der baulichen Veränderungen gegenüber dem vermietenden Wohnungseigentümer hat, während der Wohnungseigentümer innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund des sogenannten Beschlusszwanges bei baulichen Veränderungen auf eine entsprechende Genehmigung der Maßnahmen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft angewiesen ist, § 20 Abs. 2 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG), siehe hierzu Verwaltertelegramm in der Ausgabe August 2023.

Der vermietende Wohnungseigentümer wird mithin rechtlich der Situation ausgesetzt, dass der Mieter, der ein Balkonkraftwerk montieren möchte, einen sofort fälligen Anspruch auf Duldung dieser Maßnahme hat, während der vermietende Wohnungseigentümer sich innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft rechtswidrig verhält, wenn eine solche Montage geduldet wird, ohne dass zuvor eine Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung erfolgt. Der Gesetzgeber hat dieses Spannungsfeld nicht beachtet und in der Rechtsprechung sind zu vergleichbaren Konstellationen bisher keine tragfähigen Lösungsansätze entwickelt worden, insbesondere steht eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu aus. Der vermietende Wohnungseigentümer wird gegen den Mieter ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung nicht ausüben können, da ein Zurückbehaltungsrecht grundsätzlich einen fälligen Gegenanspruch erfordert, der in diesen Konstellationen jedoch nicht gegeben ist. Der Umstand, in einem anderweitigen Rechtsverhältnis an ein Genehmigungserfordernis gebunden zu sein, ist innerhalb der Wohnraummietverhältnisses ebenfalls unbeachtlich.

Um das Procedere zur Genehmigung der Stecker-Solaranlagen innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften zu beschleunigen und damit die vermietenden Wohnungseigentümer gegenüber deren Mietern zu entlasten, kommt es in Betracht, die Position des WEG-Verwalters entsprechend zu stärken. Es steht den Wohnungseigentümern offen, die Berechtigungen des Wohnungseigentumsverwalters durch Beschlussfassung zu erweitern, § 27 Abs. 2 WEG. Diese Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst auch die Berechtigung, Zustimmungserfordernisse auf den Wohnungseigentumsverwalter zu übertragen. Es kommt mithin in Betracht, in der Wohnungseigentümerversammlung über das Genehmigungsprocedere für Stecker-Solaranlagen zu beraten, Zustimmungskriterien zu definieren und die Entscheidung, ob eine Zustimmung zu einem entsprechenden Balkonkraftwerk erteilt wird, auf den WEG-Verwalter zu delegieren. Der vermietende Wohnungseigentümer kann nach einer solchen Beschlussfassung sodann die für das Mieteranliegen erforderliche Genehmigung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft vereinfacht bei dem WEG-Verwalter abfordern und der Mieter, der eine Stecker-Solaranlage installieren möchte, kann grundsätzlich an die Zustimmungskriterien der Wohnungseigentümergemeinschaft gebunden werden, soweit diese nicht willkürlich übersteigert sind. Diese Herangehensweise über eine Erweiterung der Verwalterkompetenz aus § 27 Abs. 2 WEG stellt mithin sicher, dass zeitnah über ein mieterseitiges Anliegen zur baulichen Veränderung entschieden werden kann, ohne dass auf eine nächst folgende Wohnungseigentümerversammlung gewartet werden muss. Da zu erwarten ist, dass die Anfrage zu baulichen Veränderungen hinsichtlich der Stecker-Solaranlagen sprunghaft zunehmen wird, ist es sachgerecht, eine entsprechende Vorsorge in den Wohnungseigentümerversammlungen anzusprechen und etwaigen Konfliktlagen vorzubeugen. Dies gilt umso mehr, als die von außen sichtbaren Balkonkraftwerke hinsichtlich der Gestaltung, aber auch hinsichtlich der Betriebssicherheit die gleichen Fragen aufwerfen werden, wie seinerzeit bei der Modernisierung der Fernsehtechnologien, die Satellitenschüsseln aufgeworfen hatten.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Ausschluss bestimmter Nutzungen oder baulicher Verlängerung per Beschluss?
BGH, Urteil vom 21.07.2023; V ZR 215/21

Es ist den Wohnungseigentümern gestattet, durch Beschluss ihren Willen darüber zu bilden, ob sie bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig halten; dabei dürfen sie einzelne Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten auffordern. Wird dies dem Wortlaut nach als Geben- oder Verbot beschlossen, ist darin nächstliegend ein solcher Aufforderungsbeschluss zu sehen (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung). Im Rahmen einer gegen einen Aufforderungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen. Ob ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch besteht, ist in einem ggfs. anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären. In dem Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren ist das Gericht an die in dem Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden.

Klage auf Zustimmung zur Veräußerung richtet sich gegen den Verband
BGH, Urteil vom 21.07.2023; V ZR 90/22

Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, ist seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 01.12.2020 eine Klage auf Zustimmung stets gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten.

Störungen des Gemeinschaftseigentums kann nur der Verband geltend machen
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 07.09.2023; 2-13 S 116/22

Besteht in einer Gemeinschaft ein Streit über die Zuordnung von Räumen zum Gemeinschaftseigentum, können die streitenden Wohnungseigentümer gegeneinander keine gerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise führen. Die Ansprüche auf Unterlassung von Störungen des Gemeinschaftseigentums kann ausschließlich die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen, dies umfasst insbesondere auch Besitzschutzansprüche aus § 861 BGB.

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