Verwalter-Telegramm

Anfechtung des Beschlusses über die Abrechnungsspitze: Kann der Beschluss auch nur teilweise für ungültig erklärt werden?

BGH, Urteil vom 11.04.2025; V ZR 96/24

Das Problem:
Seit Inkrafttreten des WEMoG (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz) ist umstritten, ob die frühere Möglichkeit der Teilanfechtung fortbesteht – denn Beschlussgegenstand ist nur noch die Abrechnungsspitze, nicht mehr die gesamte Jahresabrechnung. Ein Teil der Literatur vertritt daher die Auffassung, dass nur eine Gesamtungültigkeit möglich ist. Jeder Fehler – etwa bei den Rücklagen – würde den gesamten Beschluss erfassen. Andere halten die Abrechnungsspitze für rechnerisch teilbar und eine isolierte Anfechtung weiterhin für zulässig. Der BGH hatte diese Frage nun erstmals entschieden.

Der Fall:
Eine GdWE (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) hatte im Jahr 2022 über die Abrechnungsspitzen des Jahres 2020 beschlossen. Dabei wurde ein zuvor aus der Instandhaltungsrücklage entnommener Betrag in Höhe von 20.744,30 € rechnerisch nicht vollständig neutralisiert: Es erfolgte zwar eine Entnahme, gleichzeitig wurde aber eine Rücklagenzuführung von 14.800,00 € berücksichtigt – obwohl laut Wirtschaftsplan nur 4.800,00 € vorgesehen waren. Diese rechnerische Unstimmigkeit führte dazu, dass die Eigentümer mehr zahlen sollten, als sie eigentlich müssten, denn die Rückführung musste durch Nachschüsse erneut finanziert werden. Eine doppelte Belastung, wie die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage rügte.

Die Entscheidung:
Auch nach der WEG-Novellierung kann ein Beschluss über die Abrechnungsspitze für nur teilweise ungültig oder nichtig erklärt werden. Entscheidend ist, ob es sich bei der angefochtenen Position um einen abgrenzbaren und rechnerisch selbständigen Teil handelt und ob die Wohnungseigentümer den Beschluss auch ohne den angefochtenen Teil gefasst hätten (§ 139 BGB analog). Im konkreten Fall bejahte der BGH beides: Die fehlerhafte Rücklagenposition sei abgrenzbar und es sei plausibel, dass der übrige Beschluss so oder so gefasst worden wäre. Der Senat argumentiert u.a. mit praktischen Erwägungen: Würde jeder kleine Fehler automatisch zur Gesamtungültigkeit führen, müssten die Wohnungseigentümer regelmäßig neu beschließen – mit erneutem Anfechtungspotenzial. Die Teilungültigkeit ermöglicht dagegen eine gezielte Korrektur, ohne den gesamten Beschluss zu gefährden. Das gesetzgeberische Ziel, Streitigkeiten über die Jahresabrechnung zu reduzieren, werde so besser erreicht.

Fazit:
Das Urteil schafft Klarheit: Rücklagenbewegungen gehören nicht in die Abrechnungsspitze. Wie bei Nebenkostenabrechnungen im Mietrecht gilt auch für Jahresabrechnungen in GdWEs: Fehler passieren. Eigentümer können sich nun sicher sein, dass sie einzelne fehlerhafte Positionen anfechten können – ohne den gesamten Beschluss anfechten zu müssen. Wird der Beschluss dann nur teilweise für ungültig erklärt, muss zumindest nicht die gesamte Abrechnung neu aufgerollt werden, sondern nur die konkret betroffene Position.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Das Kollektiv geht vor!
AG München, Urteil vom 30.10.2024; 1292 C 13811/24 WEG

  1. Hinsichtlich des „Ob“ einer privilegierten Maßnahme (hier: Einbau einer Ladesäule) besitzt der einzelne Eigentümer einen Anspruch auf Gestattung.
  2. Hinsichtlich des „Wie“ dieser privilegierten baulichen Veränderung hat der Verband jedoch nach wie vor einen Ermessensspielraum.
  3. Es entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Verband sich die Option offenhalten will, eine gemeinschaftliche Ladeeinrichtung einzubauen mit Anschluss aller Mitglieder an diese gemeinschaftliche Ladeeinrichtung.
  4. Dementsprechend kann der Verband den Einbau einer Ladesäule verweigern, wenn der betreffende Eigentümer nicht bereit ist, sich auch im Fall einer (späteren) Einrichtung einer gemeinschaftlichen Ladeeinrichtung dieser anzuschließen.

Teilung des Eigentums bedeutet nicht Vermehrung der Stimmrechte
LG Gera, Beschluss vom 05.11.2024; 5 S 129/24

  1. Teilt einer der Miteigentümer seinen Anteil und veräußert einen der sodann neu entstehenden Miteigentumsanteile, so führt dies regelmäßig nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte.
  2. Die übrigen Wohnungseigentümer sind insbesondere schutzbedürftig, wenn die Vermehrung der Stimmrechte in der Teilungserklärung nicht angelegt und damit nicht vorhersehbar ist.
  3. Von einer Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer, die deren Schutzbedürftigkeit entfallen lässt, ist dann auszugehen, wenn diese derart bei der weiteren (Unter-)Teilung mitgewirkt haben, dass sie ihre Zustimmung im Sinne einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer dahingehend erklärt haben, dass sie nicht nur keine Einwände gegen die Veräußerung erheben, sondern zudem auch der Vermehrung der Stimmrechte zustimmen.

Zweckentfremdungsrechtliche Wohnzuführungsaufforderung
VG Berlin, Beschluss vom 28.03.2025; 6 L 325/24

Eine in der Teilungserklärung festgelegte wohnungseigentumsrechtliche Bestimmung von Räumlichkeiten als nicht Wohnzwecken dienendes Teileigentum steht der rechtlichen Eignung als Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsrechts nicht entgegen, wenn bei typisierender Betrachtungsweise die Nutzung als Wohnraum als nicht störender einzustufen ist als die zulässige Nutzung des Teileigentums und wenn keine sonstigen Umstände vorliegen, die gegen die ausnahmsweise Zulässigkeit der Wohnnutzung sprechen.

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