Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu Corona-Zeiten
- Allein die Anzahl der bei der Räumung beteiligten Personen führt nicht dazu, dass diese nicht durchgeführt werden kann.
- Der Gerichtsvollzieher muss versuchen, die Räumung unter Beachtung des Mindestabstandes durchzuführen, was nicht grundsätzlich und immer unmöglich ist.
- Sofern die Einhaltung im Einzelfall nicht möglich ist, muss der Gerichtsvollzieher dann geeignete Schutzmaßnahmen prüfen und ggf. anordnen, mit denen dem Risiko einer Infektion begegnet werden kann.
- Sofern die Einhaltung im Einzelfall nicht möglich ist, muss der Gerichtsvollzieher dann geeignete Schutzmaßnahmen prüfen und ggf. anordnen, mit denen dem Risiko einer Infektion begegnet werden kann.
AG Fulda, Beschluss vom 18.06.2020; 51 M 1342/20
Sachverhalt
Die Gläubiger hatten den Gerichtsvollzieher mit einer Zwangsräumung beauftragt und baten um baldmöglichste Ansetzung eines Räumungstermins. Der Gerichtsvollzieher wies die Gläubiger darauf hin, dass die aktuell vorgeschriebenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie derzeit keine Zwangsräumung von Wohnungen zuließen. Die Gläubigervertreter legten dagegen Erinnerung ein und beantragten über das Gericht, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Zwangsräumung des Schuldners unverzüglich zu terminieren und durchzuführen.
Zur Begründung führten die Gläubiger an, dass die Rechtspflege trotz des Coronavirus nicht stillstehen dürfe und die Wohnungsräumung unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln durchaus durchgeführt werden könne.
Entscheidungsgründe
Das Gericht gab der Erinnerung statt. Der Gerichtsvollzieher wurde angewiesen, die beantragte Räumungsmaßnahme nicht allein mit der angegebenen Begründung zu verweigern. Die Vollstreckungstätigkeit des Gerichtsvollziehers unterfalle der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung von Hessen. Danach sollen Sitzungen und Verhandlungen an Gerichten sowie andere richterliche Amtshandlungen unter Beachtung des Mindestabstandsgebotes durchgeführt werden. In Fällen, in denen zur Sicherstellung des Sitzungsbetriebs, der Amtshandlung oder aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Unterschreitung des Mindestabstandes erforderlich sei, solle dem Risiko einer Infektion durch eine andere geeignete Schutzmaßnahme begegnet werden. Die Vollstreckungstätigkeit des Gerichtsvollziehers unterfalle dieser Regelung. Weil die Verordnung ausdrücklich Ausnahmen von dem Kontaktverbot zulasse, könne der Gerichtsvollzieher ohne Auseinandersetzung mit dieser Vorschrift eine Vollstreckungsmaßnahme nicht einfach pauschal ablehnen. Er hätte mindestens geeignete Schutzmaßnahmen prüfen und ggf. anordnen müssen, mit denen dem Risiko einer Infektion hätte begegnet werden können. Weder der Hinweis auf die allgemeine Problematik und Konfliktsituation, noch die Anzahl der beteiligten Personen, könne pauschal gegen die Räumung herangezogen werden. Das Gericht weist zudem darauf hin, dass – sofern bei einzelnen Personen zusätzliche Risikofaktoren bestehen würden – diesen auch durch die Möglichkeit einer Vertretung begegnet werden könne.
Fazit
Die Entscheidung zeigt, dass es sich viele Gerichtsvollzieher zu einfach gemacht haben, Räumungsaufträge hinauszuschieben. Die Zivilprozessordnung sieht für die Gläubiger dafür einen geeigneten Rechtsbehelf zur Durchsetzung der Gläubigerinteressen vor. Trotz der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall sind die Gläubiger mit der Möglichkeit des Erinnerungsverfahrens keinesfalls rechtlos gestellt.