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Zur Unwirksamkeit formularmäßiger Mietvertragsklauseln hinsichtlich der Entfernung baulicher Anlagen bei Beendigung des Mietverhältnisses.

KG Berlin, Urteil vom 10.12.2018, 8 U 55/18

Sachverhalt

Dem vorausgegangen war die Klage einer Vermieterin gegen die Mieterin auf Abriss und Entsorgung von Baulichkeiten auf einer vermieteten Parzellenfläche nach Beendigung des Mietverhältnisses. In dem, dem Mietverhältnis zugrunde liegenden, durch die Klägerin einseitig gestellten Formular-Mietvertrag hieß es u.a. wie folgt:

§ 1 Nr. 2

„Auf der Parzelle befinden sich baulichen Anlagen und Anpflanzungen. Sie gehören nicht zur Mietsache und werden nicht mitvermietet. Im Einzelnen handelt es sich um:

1 Kleinhaus aus Mauerwerk mit einer Fläche von ca. [,,,,] m²,

1 Blechgarage mit einer Fläche von ca. [………] m²,

1 PKW-Stellfläche *)“

In der Fußleiste ist sodann vermerkt: „*) Nicht Zutreffendes bitte streichen.“

§ 1 Nr. 3

Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass das Eigentum an den in Abs. 2 aufgeführten baulichen Anlagen und Anpflanzungen beim Mieter verbleibt bzw. – soweit dies gesetzlich nicht möglich sein sollte – mit dem Abschluss dieses Vertrages – soweit gesetzlich zulässig – auf den Mieter übergeht. Der Vermieter übernimmt jedoch keine Gewähr für die Rechtsinhaberschaft oder die Freiheit der baulichen Anlagen und Anpflanzungen von Rechten Dritter.

Es ist Sache des Mieters, etwaige Rechte an den baulichen Anlagen und Anpflanzungen von etwaigen früheren Nutzern der Parzelle zu erwerben und einen entsprechenden Kaufvertrag dem Vermieter unverzüglich zu Dokumentationszwecken zur Verfügung zu stellen. […]“

§ 8 Nr. 8

„Alle auf der Parzelle befindlichen, d.h. bei Abschluss des Mietvertrages vorhandenen oder nach Abschluss des Mietvertrages errichteten, baulichen Anlagen und Versorgungsleitungen sind nur zu einem vorübergehenden Zwecke mit dem Grund und Boden verbunden und stehen im Eigentum des Mieters. Sie gehen unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters über, wenn sie nicht bis zur Beendigung des Mietverhältnisses durch den Mieter entfernt werden. Der Mieter ist berechtigt, die baulichen Anlagen bei Beendigung des Mietverhältnisses zu entfernen und auf Verlangen des Vermieters dazu verpflichtet. […]“

Das Mietverhältnis war durch fristlose Kündigung der Klägerin vom 23.12.2016 wegen Rückstands mit mehr als zwei Monatsmieten wirksam beendet worden. Das Landgericht Berlin hat der auf Räumung der Parzelle sowie auf Abriss und Entsorgung der dort befindlichen Baulichkeiten gerichteten Klage stattgegeben. Allein gegen die Verurteilung zu Abriss und Entsorgung der Baulichkeiten richtet sich die Berufung der Beklagten.

Entscheidung

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das Kammergericht stellt hierzu fest, dass der Räumungsanspruch nicht den Abriss und die Entsorgung der Baulichkeiten umfasst. Dass diese ausweislich § 1 Nr. 2 MV nicht mitvermietet waren habe nicht zur Folge, dass sie von der Beklagten entfernt werden müssten.

Aus der Rückgabepflicht des Mieters gemäß § 546 Abs. 1 BGB folge, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses den bei Vertragsbeginn bestehenden Zustand wiederherzustellen habe. Dies führt dazu, dass er dazu verpflichtet ist, von ihm selbst errichtete Baulichkeiten zu entfernen. Dem stehe es nach ganz herrschender Meinung gleich, wenn er diese durch Vereinbarung mit seinem Vormieter zu Eigentum übernommen hat. Hiermit ginge zugleich die Eigenschaft als Zustandsstörer auf ihn über. Eine solche Übernahmevereinbarung habe hier jedoch nicht vorgelegen. Hierzu seien durch die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine Tatsachen vorgetragen worden.

Ein Anspruch auf Entfernung der Baulichkeiten ergebe sich auch nicht aus § 8 Nr. 8 MV. Das Gericht stellt hierzu fest, dass die Regelung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Sie sei auch entgegen der Ansicht des Landgerichtes nicht gemäß § 546 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen, da sie nicht der gesetzlichen Regelung entspreche. Dass gemäß § 8 Nr. 8 MV alle bei Abschluss des Mietvertrages vorhandenen baulichen Anlagen „im Eigentum des Mieters“ stehen sollen, widerspreche der allgemeinen Interpretation des § 546 Abs. 1 BGB, der einen Anspruch des Vermieters auf Beseitigung nur dann bejaht, wenn der Mieter das Eigentum vom Berechtigten, in der Regel dem Vormieter, erworben hat.

Diese Regelung stelle somit eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S. von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Die in § 8 Nr. 8 MV geregelte Pflicht des Mieters stelle eine mit erheblichen Kosten verbundene Erweiterung des Pflichtenkreises des Mieters dar und entlaste den Vermieter von Kosten, die er nach dem Gesetz selbst zu tragen hätte.

Dass die Vertragsparteien gem. § 1 Nr. 3 MV „darin übereinstimmen“, dass das Eigentum „mit dem Abschluss dieses Vertrages – soweit gesetzlich zulässig – auf den Mieter übergeht“ stelle eine bloße Eigentumsfiktion dar, die als Bestandteil der auf die Abwälzung von Rückbaukosten gerichteten Gesamtregelung ebenfalls unwirksam sei. Darüber hinaus sei diese Regelung bereits wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Insbesondere bliebe durch die Formulierung „soweit gesetzlich zulässig“ die Bedeutung der Einschränkung eines Eigentumsüberganges unklar.

Beide Klauseln seien des Weiteren überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB, da die Übereignung von Baulichkeiten vom Vermieter an den Mieter ungewöhnlich sei und ihr ein Überraschungs- bzw. Übertölpelungseffekt innewohne. Auch aus anderen Bestimmungen im Mietvertrag werde deutlich, dass die Klägerin im vorliegenden Fall in besonderer Weise versucht habe, ihre Interessen auf Kosten der Beklagten durchzusetzen.

Fazit

Anders als das Landgericht Berlin hat das Kammergericht den streitgegenständlichen Vertragsklauseln einer Inhaltskontrolle unterzogen. Vorformulierte Vertragsbedingungen sind allgemein nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlich, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben, gehen diese Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des AGB-Verwenders, also des Vermieters. Das Gericht hat in den Regelungen der § 1 Nr. 3 MV sowie § 8 Nr. 8 MV einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gesehen. Dieser läge insbesondere darin, dass der Pflichtenkreis des Mieters in besonderem Maße erweitert werde. Zu berücksichtigen sind neben dem abstrakt-generellen Maßstab der Inhaltskontrolle auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände, wie auch die Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners im Einzelnen. Das Gericht geht darauf ein, dass beispielsweise ein Vertragspartner mit besonderer geschäftlicher Erfahrung als weniger schutzbedürftig angesehen werden kann. Diesbezüglich bleiben weitere Entscheidungen abzuwarten.

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