Wohnungseigentumsrecht

Zur Zulässigkeit des Aufstellens einer Kinderwagengarage auf dem Gemeinschaftseigentum und Abgrenzung zwischen baulicher Veränderung und Gebrauchsregelung

  1. Eine bauliche Veränderung setzt eine auf Dauer angelegte Maßnahme an realen Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums voraus. Bleibt die bauliche Substanz des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudes auf Dauer unangetastet, handelt es sich lediglich um eine Maßnahme des Gebrauchs.
  2. Dementsprechend regelt ein Beschluss, der das temporäre Aufstellen einer aufgrund eigener Schwere auf dem Boden ruhenden Kinderwagengarage für einen überschaubaren vordefinierten Zeitraum auf dem gemeinschaftlichen Eigentum, ohne dass es dazu eines Eingriffs in selbiges bedarf, genehmigt, lediglich die Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums.
  3. Bei der Beschlussfassung über eine „Benutzung“ ist eine umfassende Einzelfallbetrachtung vorzunehmen; die Regelung muss der goldenen Grundregel gegenseitiger Rücksichtnahme und sonstigem Recht entsprechen und die Interessen der Betroffenen (inkl. individueller Bedürfnisse) und der Eigentümer im Übrigen zum schonenden Ausgleich bringen, also ein geordnetes und störungsfreies Zusammenleben fördern und der Wahrung des Hausfriedens dienen.

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 10.04.2025; 980b C 16/24 WEG

In der Eigentümerversammlung wird eine zeitlich für 2 Jahre befristete Aufstellung einer „Kinderwagengarage“ von 1,2 Metern Breite, 2,0 Tiefe und 1,35 Meter Höhe zum Aufstellen eines Doppelkinderwagens auf einer einzig barrierefrei hierfür in Betracht kommenden Fläche des Gemeinschaftseigentums durch Beschluss genehmigt. Dagegen wenden sich die klagenden Miteigentümer, die im Erdgeschoss eine Gewerbeeinheit verpachten, von der aus die Kinderwagengarage zu sehen ist mit einer Anfechtungsklage.

Die Beschlussanfechtungsklage bleibt ohne Erfolg. Das Amtsgericht stellt zunächst klar, dass es sich nicht um eine bauliche Veränderung, sondern um eine Gebrauchsregelung über das Gemeinschaftseigentum handelt. Eine bauliche Veränderung setze eine auf Dauer angelegte Maßnahme an realen Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums voraus. Bliebe die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums dagegen auf Dauer unangetastet, handele es sich lediglich um eine Gebrauchsregelung. Ob das Erfordernis der Dauerhaftigkeit einer umgestalteten Maßnahme erfüllt ist oder nicht, sei jeweils eine Frage des Einzelfalles. Im Streitfall umfasst die Genehmigung des temporären Aufstellens einer aufgrund eigener Schwere auf dem Boden ruhenden Kinderwagengarage für einen überschaubaren vordefinierten Zeitraum auf dem gemeinschaftlichen Eigentum, ohne dass es dazu eines Eingriffs in selbiges bedarf, lediglich die Art der Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Maßgeblich ist zudem, dass die Genehmigung zur Benutzung der ausgewählten Fläche zeitlich begrenzt ist und damit aus objektiver Sicht eine nicht auf Dauer angelegte Maßnahme darstellt.

Das Gericht gibt den insoweit begründeten individuellen Bedürfnissen an der täglichen Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums insofern den Vorrang gegenüber rein subjektiven Störgefühlen einzelner Teileigentümer.

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