Wohnungseigentumsrecht

Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf den Verwalter

  1. Nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht haben die Wohnungseigentümer die Kompetenz, Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf den Verwalter zu delegieren.
  2. Im Hinblick auf eine Erhaltungsmaßnahme wird eine solche Delegation regelmäßig dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn die Wohnungseigentümer selbst die grundlegende Entscheidung über deren Vornahme getroffen haben und der Verwalter nur über die Ausführung im Einzelnen entscheiden soll.
  3. Die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über eine solche Kompetenzverlagerung auf den Verwalter setzt nicht voraus, dass in dem Beschluss zugleich ausdrücklich ein für den Verwalter verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben wird.

BGH, Urteil vom 05.07.2024; V ZR 241/23

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die GdWE beschloss im Jahr 2019 im Zuge einer geplanten Erneuerung der Außenfenster, einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Fenster und der Erstellung eines Prioritätenplanes nach Dringlichkeit zu beauftragen. Nachdem der Sachverständige eine Prioritätenliste nebst Leistungsverzeichnis erstellt hatte, in der spezifiziert wurde, welche Fenster in welcher Ausführung eingebaut werden sollen, beschlossen die Wohnungseigentümer im November 2021, den Sachverständigen auch mit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen, der Einholung von Angeboten und der Fertigung eines Preisspiegels zu beauftragen. In der Eigentümerversammlung vom 09.06.2022 informierte die Verwalterin darüber, dass mehrere Anbieter ihre Angebote zurückgezogen hätten und die verbliebene Anbieterin im Jahre 2022 weder einen Austausch vornehmen noch eine Bestellung entgegennehmen könne, so dass die Preise für den Austausch nicht kalkulierbar seien. Daraufhin wurde folgender Beschluss gefasst:

Die Verwaltung wird ermächtigt, die Erneuerung der Fensteranlagen nach folgenden Maßgaben zu beauftragen:
Es soll ein Austausch nach Dringlichkeit erfolgen. Vorab sollen noch einmal drei Angebote eingeholt werden. Der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 soll bei  € 35.000,00 brutto liegen. Die Fenster sollen der Optik der bisherigen Fensteranlagen entsprechen….“

Der Beschluss wird angefochten. Das Amtsgericht weist die Anfechtungsklage ab. Auf die Berufung der Kläger wird der Beschluss für ungültig erklärt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision begehrt die GdWE die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils der Klageabweisung.

Die Revision hat Erfolg. Der Bundesgerichtshof hält den Beschluss für rechtmäßig. Der BGH bejaht zunächst mit dem neuen Wohnungseigentumsrecht die Kompetenz der Wohnungseigentümer, Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf den Verwalter delegieren zu können. Soweit die Wohnungseigentümer nach § 19 Abs. 1 WEG in Angelegenheiten der ordnungsmäßigen Verwaltung durch Beschluss entscheiden dürfen, können sie diese Entscheidungskompetenz durch Beschluss nach § 27 Abs. 2 auf den Verwalter übertragen und damit auch Erhaltungsmaßnahmen auf den Verwalter verlagern. Der Beschluss wird auch den inhaltlichen Anforderungen an die Reichweite dieser Delegation im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung gerecht. Die Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses nach § 27 Abs. 2 WEG muss sich an den Anforderungen nach § 18 Abs. 2 WEG messen lassen. Der Beschluss hält sich im Rahmen des den Wohnungseigentümern durch das Gesetz eingeräumten weiten Ermessenspielraums. Im Hinblick auf eine Erhaltungsmaßnahme hält der BGH eine Delegation jedenfalls dann für eine ordnungsmäßige Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer selbst die grundlegende Entscheidung über deren Vornahme getroffen haben und der Verwalter nur über die Ausführung im Einzelnen entscheiden soll. Wo konkret die Grenzen dieses Ermessens im Einzelnen verlaufen, musste von dem BGH nicht geklärt werden. Der BGH bejaht zudem auch praktische Bedürfnisse für einen weiten Ermessensspielraum bei der Delegation von Aufgaben an den Verwalter, weil damit der Aufwand für die Durchführung einer Eigentümerversammlung vermieden und eine effiziente Verwaltung ermöglicht werde. Auch müsse gerade kein verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben werden. Der Verwalter müsse als Organ der GdWE auch bei der bloßen Ausführung eines Beschlusses immer die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung beachten und sein Handeln daran ausrichten. Bereits daraus ergäbe sich auch, dass er unter mehreren sich bietenden Optionen unter Beachtung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen diejenige Option wählen muss, die dem Interesse der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen gerecht wird. Der Entscheidungsmaßstab werde von dem Gesetz daher bereits hinreichend vorgegeben.

Wie der BGH bereits selber unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien anspricht, folgt die Entscheidung auch praktischen Bedürfnissen für eine schnellere Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen. Mit den Vorgaben über die Finanzierung aus der Erhaltungsrücklage, der Festlegung des Budges, der Vorgabe, drei Kostenangebote einzuholen und die Fenster je nach Dringlichkeit durch optisch gleichartige Fenster austauschen zu lassen, hätte die GdWE die wesentlichen Entscheidungen über die Durchführung selbst getroffen. Der BGH bejaht dies, obwohl der Beschluss weder auf das Leistungsverzeichnis und die Prioritätenliste des Sachverständigen noch auf das Angebot des Unternehmens Bezug nimmt. Dies sei unschädlich, da der Verwalter dies im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung ohnehin bei der Auftragsvergabe in den Blick zu nehmen hätte. Mit der Entscheidung ist nicht legitimiert, dass der Verwaltungsbeirat oder ein anderer einzelner Miteigentümer entsprechend ermächtigt werden dürfen. Dies dürfte zumindest mit einem großzügigen Entscheidungsspielraum auch zukünftig nicht möglich sein.
 

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