Wohnungseigentumsrecht

Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Geltendmachung von Mängelrechten in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum; Altlasten als Mangel

Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum (hier: Nachbesserung nach § 439 Abs. 1 BGB) unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gemäß § 9a Abs. 2 WEG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann solche Rechte auch nach der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen; die Kompetenz für einen solchen Beschluss folgt aus § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG.

BGH, Urteil vom 11.11.2022; V ZR 213/21

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentumsanlage befindet sich auf einem Grundstück, das ursprünglich im Eigentum der Beklagten, einem Immobilienunternehmen, stand. Die Beklagte teilte das Grundstück mit dem bestehenden Gebäude im Jahr 2012 in Wohnungseigentum auf und begann mit dem Verkauf der Einheiten. Behördlich angeordnete Untersuchungen des Oberbodens auf Altlasten ergaben Belastungen u.a. mit dem giftigen Benzo(a)pyren. Die Immobilienfirma legte den Befund in den Kaufverträgen für die Wohnungen offen. Eine Sanierung des Erdreichs nahm sie aber nicht vor.

In zwei Eigentümerversammlungen im Mai 2014 und im Oktober 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich.

Entscheidung

Der BGH hat die Klagebefugnis der WEG bejaht. Dies ist nach der WEG-Reform umstritten gewesen. Vor der Reform des WEG war in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG a.F. geregelt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Mängelrechte aus den Kauf- oder Werkverträgen der Erwerber durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen kann. Diese Rechtsnorm zur „Vergemeinschaftung durch Beschluss“ ist mit der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes seit 01.12.2020 ersatzlos weggefallen. Nunmehr regelt § 9a Abs. 2 WEG nur noch, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer ausüben kann, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, sogenannte „geborene Ausübungsbefugnis“.  Der BGH hat klargestellt, dass § 9a Abs. 2 WEG n.F. jedenfalls nicht die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer erfasst, da sich diese Ansprüche nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus den individuellen Erwerbsverträgen ergeben. Die Verfolgung der individuellen Mängelrechte aus dem Gemeinschaftseigentum der Erwerber erfordern keine einheitliche Rechtsverfolgung. Der Wohnungseigentümer, der selbständig die Mängelbeseitigung hinsichtlich von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegen den Veräußerer verfolgt, handelt grundsätzlich auch im wohlverstandenen Interesse aller anderen Wohnungseigentümer. Eine Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss werde durch § 9a Abs. 2 WEG andererseits nicht ausgeschlossen. Die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebe sich in der Sache unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung. Dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt, habe nichts daran geändert, dass es Sache der Wohnungseigentümer ist, in der Eigentümerversammlung darüber zu befinden, auf welche Weise Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen sind. Ordnungsmäßiger Verwaltung werde es auch weiterhin in aller Regel entsprechen, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist und ggf. welche vertraglichen Ansprüche geltend gemacht werden sollen.

Fazit

Wenn es um die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum geht, dürfen weiterhin die einzelnen Wohnungseigentümer selbst klagen oder sie dürfen beschließen, den Prozess von der Gemeinschaft führen zu lassen. So bleibt durch dieses Urteil trotz der WEG-Reform alles beim Alten. Die heftig umstrittene Frage der Aktivlegitimation nach der WEG-Reform in den laufenden Verfahren ist damit zu Gunsten der WEG entschieden.

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