Eine Wohnnutzung ist im Vergleich zu einer gewerblichen Nutzung bei typisierender Betrachtung nicht regelmäßig als störender anzusehen
LG Hamburg, Urteil vom 20.10.2021; 318 S 47/20
Sachverhalt:
Der Beklagte ist Teileigentümer einer Gewerbeeinheit in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Er vermietet die Räume täglich oder wöchentlich an wechselnde Feriengäste zur Wohnnutzung. Die WEG klagt auf Unterlassung der Nutzung des Teileigentums zu Wohnzwecken. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage wird mit der Berufung vor dem Landgericht Hamburg weiterverfolgt.
Entscheidung:
Auch die Berufung wird zurückgewiesen. Das Landgericht stellt mit den Grundsätzen des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 16.07.2021; V ZR 284119) darauf ab, dass auch eine von dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Nutzungszweck abweichende Nutzung zulässig sein kann, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend sei dabei, ob eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, dass bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten sei. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhaltes, dass die Wohnnutzung die intensivste Form des Gebrauchs einer Sondereigentumseinheit ist. Vielmehr kann eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken genauso störend oder störender als eine Wohnnutzung sein. Insbesondere muss die Nutzung einer Teileigentumseinheit bei typisierender Betrachtung nicht zwingend als auf die üblichen Geschäfts- oder Bürozeiten beschränkt anzusehen sein, sondern kann außerhalb dieser Zeiten und auch am Wochenende erfolgen, wie dies etwa bei einer Gaststätte, einem Beherbergungsbetrieb, einem Waschsalon, einem Sportstudio oder einem sog. Co–Working Spaces nicht untypisch ist. Zugleich werden der Publikumsverkehr und die Geruchs – und Lärmemissionen bei einigen der genannten Nutzungen typischerweise nicht geringer sein als bei einer Wohnnutzung. Erforderlich ist daher stets der Vergleich der mit der erlaubten und der tatsächlichen Nutzung in der konkreten Anlage typischerweise verbundenen Störungen. Dabei ist der Gebrauch nach dessen Art und den damit verbundenen Folgen (z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz und Besucherstruktur) zu konkretisieren und zu den örtlichen Gegebenheiten (Umfeld, Lage der Räume im Gebäude, Nutzungszweck der übrigen Einheiten) und den zeitlichen Verhältnissen (z.B. Öffnungszeiten) in Bezug zu setzen. Nach der in der Gemeinschaftsordnung nicht weiter eingeschränkten Zweckbestimmung ist der Beklagte vorliegend grundsätzlich zu jeder Nutzung berechtigt, die in einer Teileigentumseinheit zulässig ist. Hierzu gehören auch solche Nutzungen, die rund um die Uhr, also auch am Wochenende oder aber nachts ausgeübt werden, wie dies beispielsweise bei einem Callcenter oder SB Waschsalon der Fall sein kann. Setzt man die derzeitige Wohnnutzung in Bezug zu einer solchen erlaubten Nutzung und den hiermit üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen für die übrigen Wohnungseigentümer ist sie nicht als störender anzusehen.
Fazit:
Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf die das Landgericht Bezug nimmt wird die bisherige klare Trennung zwischen Wohnungs- und Teileigentum stark aufgeweicht. Danach kann ein vom vereinbarten Zweck an sich ausgeschlossener Gebrauch dennoch zulässig sein, wenn dieser nicht mehr stört, als der nach der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Gebrauch. Das Landgericht hat in dem hier zu entscheidenden Sachverhalt außerdem der Bezeichnung des Teileigentums als „Lager“ im Aufteilungsplan keine weitere Nutzungsbeschränkung entnommen. Dem Teileigentümer war hier zusätzlich eine umfassende Ausbauberechtigung des Lagers in der Gemeinschaftsordnung zugesprochen worden. Das Ausbaurecht würde nach Auffassung des Landgerichtes weitgehend leerlaufen, wenn die streitgegenständliche Einheit nach einer baulichen Veränderung weiterhin die Eigenschaft eines Lagerraums aufweisen müsste und damit nur in diesem eingeschränkten Umfang genutzt werden dürfte.