Wohnungseigentumsrecht

Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer

Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst sowohl die erste Beschlussfassung als auch erneute Beschlussfassungen über die bereits geregelte Angelegenheit; infolge dessen betrifft die Frage, ob die Wohnungseigentümer einmal oder mehrfach über dieselbe Angelegenheit entscheiden dürfen, nicht die Beschlusskompetenz, sondern die ordnungsmäßige Verwaltung.

BGH, Urteil vom 20.09.2024; V ZR 235/23

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft fassen die Wohnungseigentümer Beschlüsse über die Wirtschaftspläne 2016, 2017 und 2018. Eine Wohnungseigentümerin wendet ein, dass die Beschlussfassungen nichtig seien. Die beschlossenen Wohngeldbeiträge für diese betreffenden Wohungseigentumseinheit blieben in der Folge unbezahlt. In dem Rechtsstreit über die ausgebliebenen Zahlungen schlossen die Parteien einen Vergleich; nachfolgend wurde nach einem Verkauf der betreffenden Wohnungseigentumseinheit in einer weiteren Eigentümerversammlung erneut ein Beschluss über die Wirtschaftspläne 2016, 2017 und 2018 jeweils gefasst. Die betreffende Wohnungseigentümerin hat die Beschlüsse mit der Beschlussanfechtungsklage angegriffen und geltend gemacht, dass die Beschlusskompetenz für die sogenannten Zweitbeschlüsse fehle und die Beschlüsse damit nichtig seien. Die Klägerin obsiegte bei dem Amtsgericht, die Berufung der Wohnungseigentümergemeinschaft blieb ohne Erfolg. Auf die Revision der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte der Bundesgerichtshof nunmehr über die Zulässigkeit der Zweitbeschlüsse zu entscheiden.

Die Revision hat Erfolg! Der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes stellt klar, dass die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer sich nicht auf eine einmalige Befassung mit einem Beschlussgegenstand beschränkt.
Die Beschlusskompetenz wird vielmehr für die Angelegenheiten der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung oder auf der Grundlage des Wohnungseigentumsgesetzes geschaffen und verbraucht sich nicht durch eine Beratung und Beschlussfassung in einer Wohnungseigentümerversammlung. Für eine erneute Beratung und Beschlussfassung kommt es nicht auf etwaige Gründe an, die eine erneute Beschlussfassung für angebracht erscheinen lassen, vielmehr können die Wohnungseigentümer im Rahmen der Selbstverwaltung sich beliebig mit den Angelegenheiten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums befassen.
Für die hier streitgegenständlichen Wirtschaftspläne folgt die Beschlusskompetenz aus § 28 Abs. 1 WEG. Die Wohnungseigentümer waren daher nicht gehindert, einen Zweitbeschluss über die Wirtschaftspläne der Vergangenheit zu fassen. Die Berechtigung, erneute Beschlusslagen herzustellen, darf jedoch nicht zu einer Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer führen. Die Bestandskraft bereits gefasster Beschlüsse führt zu einem Minderheitenschutz; einzelne Wohnungseigentümer dürfen durch einen Zweitbeschluss daher nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden. Widerspricht der Zweitbeschluss dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, liegt keine Nichtigkeit der Beschlussfassung vor, vielmehr müssen etwaige Einwendungen betroffener Wohnungseigentümer mit der Beschlussanfechtungsklage innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist von einem Monat geltend gemacht werden.
Der BGH stellt ferner klar, dass zwischenzeitliche Eigentümerwechsel zwischen dem Erst- und Zweitbeschluss unerheblich bleiben, es ist mithin grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn durch einen Zweitbeschluss eine Zahlungsverpflichtung begründet wird, für die ein Erwerber einzustehen hat, während der Erstbeschluss noch zu der Zeit des Rechtsvorgängers einer veräußerten Wohnungseigentumseinheit gefasst wurde.
Der Zweitbeschluss muss aber auf schutzwürdige Belange aus dem Inhalt und der Wirkung des Erstbeschlusses Rücksicht nehmen; insoweit spricht der BGH insbesondere an, dass mit einem Zweitbeschluss über Zahlungspflichten nicht die Verjährungsvorschriften umgangen werden dürfen.
Sofern der Erstbeschluss durch eine Beschlussanfechtungsklage beseitigt wurde, kann eine erneute Beschlussfassung insbesondere über Zahlungspflichten nach Auffassung des V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes ohne weiteres erfolgen, da anderenfalls ein Rechtsgrund für die Einforderung der Kostenbeiträge der Gemeinschaft dauerhaft entzogen wäre.
Ein Zweitbeschluss kann ferner ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit des Erstbeschlusses bestehen, mithin mit dem Zweitbeschluss eine Rechtsklarheit geschaffen werden soll.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes leistet einen Beitrag zur Klärung der rechtlichen Grundlagen des reformierten Wohnungseigentumsrechtes und beschränkt die Annahme einer Nichtigkeit von Zweitbeschlüssen aufgrund vermeintlich fehlender Beschlusskompetenz.
Da der Nichtigkeitseinwand nicht fristgebunden ist, wird die Gefahr, dass die Wohnungseigentumsverwalter und die Gemeinschaften nach erheblichem Zeitablauf noch mit Nichtigkeitseinwendungen konfrontiert werden, reduziert. Für Beschlussgegenstände, bei denen eine Beschlusskompetenz aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung gegeben ist, kann über die vermeintlich fehlende Beschlusskompetenz nach Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist ein Einwand nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.
Zugleich zeigt die Entscheidung auf, dass ein gerechtfertigtes Bestandsinteresse an bereits gefassten Beschlüssen abweichenden Zweitbeschlüssen entgegensteht. Durch Zweitbeschlüsse können einzelnen Wohnungseigentümern keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteile zugewiesen werden, die im Erstbeschluss nicht enthalten waren.
Diese Grundsätze schützen insbesondere in baulichen Angelegenheiten die Wohnungseigentümer vor der nachträglichen Verschiebung bereits beschlossener Kostenverteilungsmaßstäbe.

Seite drucken
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner