Wohnungseigentumsrecht

Beschlussanfechtung über den Ausgleich der Jahresabrechnung: Bagatellverfahren oder rechtsmittelfähiger Rechtsstreit?

Die Beschwer des Klägers im Falle der Abweisung der Klage über einen gefassten Abrechnungsbeschluss bemisst sich nach dem Anteil am Nennbetrag der Abrechnung. Der Streitwert und die für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels des Anfechtungsklägers maßgebliche Beschwer entsprechen sich bei Abrechnungsstreitigkeiten.

BGH, Beschluss vom 09.11.2023; V ZB 67/22

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird in einer Eigentümerversammlung über die Nachschüsse und die Anpassung der geleisteten Vorschüsse nach dem Wirtschaftsplan ein Beschluss gefasst. Der Kläger hält die dem Beschluss zugrunde liegende Jahresabrechnung für fehlerhaft. Nach der Einzelabrechnung ergibt sich für den Kläger ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 59,56 €. Der Anteil am Gesamtergebnis der Abrechnung umfasst einen Betrag in Höhe von 2.219,56 €. Das Amtsgericht weist die Klage ab; das mit der Berufung befasste Landgericht verwirft die Berufung als unzulässig, da die für das Berufungsverfahren erforderlich Mindestbeschwer in Höhe eines Betrages in Höhe von 600,00 € nicht erreicht sei. Gegen die Verwerfung der Berufung wendet sich der Kläger an den BGH im Wege der Rechtsbeschwerde.

Mit Erfolg! Der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes teilt die Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass ein Wert von lediglich 59,56 € für den Streitwert und die Beschwer maßgeblich sei. Der Anfechtungskläger verfolgt mit der Beschlussanfechtung, dass der Abrechnungsbeschluss insgesamt für ungültig erklärt wird, insoweit ist der wirtschaftliche Anteil des Anfechtungsklägers in der Jahresabrechnung als Streitwert und Beschwer zu berücksichtigen, hier mithin 2.219,56 €. Maßgeblich ist der Anteil am Nennbetrag der Abrechnung. Insoweit stellt der BGH fest, dass eine Identität zwischen dem Streitwert nach § 49 GKG und der Beschwer nach dem Berufungsrecht der Zivilprozessordnung besteht.
Der Senat gibt zu bedenken, dass die von dem Landgericht vertretene Rechtsauffassung die Konsequenz hätte, dass die Berufungsfähigkeit einer Vielzahl von amtsgerichtlicher Urteilen über Abrechnungsbeschlüsse mangels Erreichen der Mindestbeschwer von 600,00 € ausgeschlossen wäre. Der Gesetzgeber habe indes beabsichtigt, den Zivilprozess für die Anfechtungsklagen umfänglich mit dem Instanzenzug zu eröffnen. Die Berufung durfte daher nicht als unzulässig verworfen werden, so dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war.

Der BGH stellt klar, dass im Wohnungseigentumsrecht dem Anfechtungskläger grundsätzlich eine Überprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung erster Instanz zu eröffnen ist. Da die wirtschaftliche Beteiligung der Wohnungseigentümer an den Bewirtschaftungskosten bei heutigen Preisen regelmäßig mehr als 600,00 € jährlich ausmacht, ist mit dieser Entscheidung des BGH klargestellt, dass dem Beschlussanfechtungskläger in Abrechnungsstreitigkeiten grundsätzlich der Instanzenzug eröffnet wird. Die Abrechnungsstreitigkeiten sind nicht als Bagatellangelegenheit in nur einer Instanz zu erledigen.

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