Wohnraummietrecht

Rechtsmissbräuchliche Kündigung bei „konstruiertem“ Eigenbedarf

Hat im Vorfeld einer Eigenbedarfskündigung die Bedarfsperson eine von ihr genutzte Wohnung an den kündigenden Vermieter zurückgegeben, damit dieser die Wohnung leerstehend zu einem besseren Kaufpreis veräußern kann und kündigt der Vermieter daraufhin eine andere vermietete Wohnung, um die Bedarfsperson nunmehr dort unterzubringen, so ist die Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.

LG Berlin, Urteil vom 02.06.2023; 66 S 170/22

Sachverhalt

Der Kläger war Eigentümer zweier vergleichbarer Wohnungen in gegenüberliegender Lage zueinander. Die eine Wohnung wurde vom Ehemann des Klägers bewohnt und genutzt, die andere Wohnung war seit über 25 Jahren an den Beklagten vermietet. Um bei der Veräußerung der erstgenannten Immobilie einen höheren Erlös erzielen zu können, gab der Ehemann des Klägers die Nutzung der Wohnung auf und gab diese an den Kläger zurück. Den nunmehr entstandenen „Eigenbedarf“ machte der Eigentümer für seinen Ehemann bei dem Mieter der anderen Wohnung gerichtlich geltend und nahm diesen Mieter auf Räumung in Anspruch. Das Amtsgericht Berlin-Kreuzberg hatte die Klage abgewiesen, woraufhin der klagende Eigentümer und Vermieter Berufung einlegte.

Entscheidung

Das Landgericht Berlin bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Anders als das Amtsgericht jedoch führt das Landgericht aus, dass die Eigenbedarfskündigung zwar formal ausreichend durch Darlegung der Situation des Ehemanns und der Verkaufsabsichten des Klägers begründet sei. Materiell jedoch sei die Eigenbedarfskündigung gleichwohl unwirksam. Der Kläger habe den Eigenbedarf für seinen Ehemann durch Rücknahme und Veräußerung der erstgenannten Wohnung selbst geschaffen und konstruiert, um den andernfalls notwendigen Ausspruch einer Verwertungskündigung zu umgehen. Der Versuch des Klägers, die strengeren Voraussetzungen an eine Verwertungskündigung aus § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB durch Konstruieren einer Eigenbedarfssituation zu umgehen sei schlichtweg rechtsmissbräuchlich, so das Landgericht. Schließlich bilde der mögliche Mehrerlös bei Veräußerung einer leerstehenden Wohnung keinen tragfähigen Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Fazit

In dieser Konstellation recht einzigartig, zeigt diese Entscheidung nichtsdestotrotz, wie wichtig es ist, vermeintlich klare Eigenbedarfssituationen kritisch zu hinterfragen. Die eher geringen rechtlichen Anforderungen an die formelle Begründung von Eigenbedarfskündigungen führen nicht dazu, bei einer rechtlich tatsächlich gegebenen Verwertungssituation aufgrund eines beabsichtigten Verkaufs die komplexeren Anforderungen der Verwertungskündigung aus § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB durch ein Ausweichen in einen Wohnbedarf eines Angehörigen mit einer Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 3 Nr. 2 BGB umgehen zu können.  

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