Wohnraummietrecht

Mieter im Sozialleistungsbezug kann nicht selbst überzahlte Mieten zurückfordern

Bezieht der Mieter einer Wohnung Sozialleistungen, gehen sämtliche Zahlungsansprüche des Mieters auf den Sozialhilfeträger über, dies betrifft insbesondere auch Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Mieten aufgrund des Verstoßes gegen die Mietpreisbremse.

LG Berlin, Urteil vom 19.04.2023; 64 S 190/21

In einem Wohnraummietverhältnis beansprucht der Mieter die Rückzahlung eines Teils der von September 2018 bis Juli 2020 geleisteten Mieten und macht geltend, dass die vereinbarte Miete den höchstzulässigen Mietzins nach der Mietpreisbremse deutlich überschritten habe, die rechnerische Netto-Kaltmiete betrug 17,33 € je Quadratmeter bei einer ortüblichen Vergleichsmiete von 7,14 € je Quadratmeter. Ergänzend macht der Mieter eine Minderung der Miete aufgrund eines Wasserschadens geltend. Vermieterseitig wird der behauptete Anspruch bestritten und angeführt, dass aufgrund des Sozialhilfebezuges des Mieters etwaige Rückforderungsansprüche nicht dem Mieter, sondern nur dem Sozialhilfeträger zustehen können. Das Amtsgericht hat erstinstanzlich die Klagforderung dem Mieter im ganz überwiegenden Umfang zugesprochen und ausgeführt, dass die Mietvereinbarung nichtig sei, hier gegenüber wendet sich der Vermieter mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Mit Erfolg. Das Landgericht Berlin hält das erstinstanzliche Urteil nicht aufrecht und weist die Klage ab, ohne dass eine Sachprüfung hinsichtlich der beanstandeten Miethöhe und der geltend gemachten Mietminderung erfolgt. Das Landgericht Berlin berücksichtigt zulasten des Mieters den gesetzlichen Forderungsübergang aus § 33 2. Sozialgesetzbuch (SGB II), der dazu führt, dass der Mieter nicht Anspruchsinhaber der auf Zahlung gegen den Vermieter gerichteten Forderungen ist. In dem Sozialhilfebezug findet ein gesetzlicher Forderungsübergang statt, wenn der Mieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezieht und für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, ein Anspruch gegen den Vermieter entsteht und bei rechtzeitiger Leistung auf die Sozialhilfe anzurechnen wäre, § 33 Abs. 1 SGB II.

Der Rückzahlungsanspruch wegen überhöhter Miete und auch der Minderungsanspruch ist auf die Sozialleistungen für die Wohnkosten anzurechnen, sodass diese Ansprüche des Mieters auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden. Der Mieter kann mithin im eigenen Namen eine Rückforderung der überzahlten Beträge nicht geltend machen und auch keine Aufrechnung gegen die weiter fällig werdenden Mieten mit den Rückforderungsansprüchen erklären. Erst wenn der Leistungsträger die übergeleiteten Ansprüche an den Mieter zurück überträgt, kann der Rückforderungsanspruch in eigenem Namen des Mieters geltend gemacht werden, § 33 Abs. 4 SGB II. Das Landgericht Berlin teilt insoweit die bereits die vom Landgericht Hamburg mit Urteil vom 31.03.2022 zu dem Geschäftszeichen 333 S 17/21 vertretene Rechtsauffassung und räumt ein, dass bei einer Passivität des Jobcenters als Sozialhilfeträger die Durchsetzung des offenkundigen Rückforderungsanspruches erschwert sein kann oder gegebenenfalls sogar vollständig ausbleibt. Da es erkennbar nicht dem Sinn und Zweck der Überleitungsvorschrift aus § 33 SGB II entspricht, die Durchsetzbarkeit mietrechtlicher Forderungen des Mieters zu erschweren, hat das Landgericht Berlin die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Die Entscheidung des Amtsgerichtes war rechtsfehlerhaft, da der im Sozialhilfebezug stehende Mieter ohne Rückabtretung von dem Sozialhilfeträger keine auf Rückzahlung gerichteten Ansprüche gegen den Vermieter geltend machen kann. Das Berufungsurteil des Landgerichtes musste daher die erstinstanzliche Entscheidung abändern, wobei das Unbehagen der Berufungskammer in den Entscheidungsgründen deutlich hervortritt. Es ist indes nicht Aufgabe der mit Mietsachen befassten Richter etwaige Unzulänglichkeiten in den gesetzlichen Vorgaben zu berichtigen. Es ist denkbar, dass der Sozialhilfeträger den Aufwand des Mietrechtsstreites vermeiden will und daher nicht selbst Rückforderungsansprüche geltend macht. Die Rückabtretung nach § 33 Abs. 4 SGB II entlastet insoweit den Sozialhilfeträger vor Prozesskostenrisiken nicht, da bei einer Rückabtretung dem Mieter die Kosten des Verfahrens ergänzend als Sozialhilfeleistung zu gewähren sind, § 33 Abs. 4 S. 1 SGB II.

Besonders heikel wird die Situation des Mieters bei einer etwaigen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Hat der Mieter in dem Mietverhältnis Gegenforderungen erworben, kann grundsätzlich eine Aufrechnung gegen die rückständigen Mieten erklärt werden und dies führt

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zu einer Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, § 543 Abs. 2 S. 3 BGB. Mit dem sozialrechtlichen Forderungsübergang wird dem Mieter hingegen auch die Aufrechnungsbefugnis entzogen, sodass diese Möglichkeit, die fristlose Beendigung des Mietverhältnisses abzuwenden, dem im Sozialhilfebezug stehenden Mieter entzogen wird. In Bezug auf den Schutzzweck des sozialen Mietrechtes erscheinen die hier aufgezeigten Wirkungen des § 33 SGB II verfehlt. Von dem sozialrechtlichen Forderungsübergang betroffen ist auch der Anspruch des Mieters auf Rückgewähr der Mietsicherheit, insoweit ist vermieterseitig zu beachten, dass der gesetzliche Forderungsübergang auch ohne Vorlage einer Abtretungserklärung wirksam ist. Eine Rückgewähr der Mietkaution an den Mieter kann mithin dazu führen, dass gegenüber dem Sozialhilfeträger ein zweites Mal geleistet werden muss, eine sorgfältige Prüfung und gegebenenfalls eine Abstimmung mit dem Sozialhilfeträger ist daher grundsätzlich geboten.

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