Wohnraummietrecht

Keine Kündigungssperrfrist bei einer beabsichtigten Mischnutzung

  1. Ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB ist regelmäßig anzunehmen, wenn dem Vermieter bei verwehrtem Bezug der Wohnung ein beachtenswerter Nachteil entstünde.
  2. Die Kündigungssperrfrist aus § 577a BGB gilt nur für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen und kann nicht auf andere (vergleichbare) Kündigungsgründe angewendet werden.
  3. Ein in der Kündigungserklärung zu früh angegebener Beendigungstermin hat nicht die generelle Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Vielmehr ist die Kündigungserklärung in aller Regel dahingehend auszulegen, dass der Vermieter das Mietverhältnis zum nächst möglichen Termin beenden will.

BGH, Urteil vom 10.04.2024; VIII ZR 286/22

Die beklagten Mieter schlossen 1982 einen Mietvertrag über eine Dreizimmerwohnung in Berlin. Der Mietvertrag sieht eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor für den Vermieter, wenn seit Überlassen des Wohnraums 10 Jahre vergangen sind. 2013 wurde das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt. 2018 erwarb der Kläger das Eigentum an der von den Beklagten bewohnten Wohnung. Mit Schreiben vom 24.1.2021 erklärte er unter Berufung auf § 573 Abs. 1 BGB die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten zum 31.10.2021. Zur Begründung führte er aus, er wolle die Räume künftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt nutzen und auch seinen Wohnsitz dort begründen, nachdem der Mietvertrag über seine bisherigen Kanzlei- und Wohnräume ende. Die Beklagten widersprachen der Kündigung; sie halten die Kündigung auch deshalb für unwirksam, weil die Kündigungserklärung nur eine 9-monatige Kündigungsfrist vorsehe.
Die auf Räumung der Wohnung gerichtete Klage wurde vom LG Berlin abgewiesen. Das Landgericht setzt in seinen Entscheidungsgründen die beabsichtigte Mischnutzung der Wohnung durch den Kläger mit einer Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Ziffer 2 BGB gleich. Bei einer Eigenbedarfskündigung würde jedoch die in Berlin geltende zehnjährige Sperrfrist gemäß § 577a BGB Anwendung finden, die für die hier streitbefangene Wohnung erst 2028 abliefe. Der Kläger legt Revision ein.

Mit Erfolg! Der BGH gibt der Revision des Klägers statt und verweist den Rechtsstreit zurück an das LG Berlin. Die im Kündigungsschreiben zu kurz gesetzte Kündigungsfrist führe nicht zu einer generellen Unwirksamkeit der Kündigung. Die Angabe einer Frist sei selbst keine Kündigungsvoraussetzung. Stattdessen käme es nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB auf den erkennbaren Willen des Vermieters an. Eine Kündigungserklärung sei in aller Regel so auszulegen, dass der Vermieter das Mietverhältnis „zum nächst zulässigen Termin“ beenden wolle.
In der beabsichtigten Nutzung der Wohnung für freiberufliche Tätigkeiten erkennt der BGH zudem ein „berechtigtes Interesse“ an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB. Hierfür reiche es aus, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug der Wohnung ein „beachtenswerter Nachteil“ entstünde. Ein solcher beachtenswerter Nachteil könne auch schon in der Behauptung des Vermieters zu sehen sein, dass der Mietvertrag über seine bisherigen Kanzlei- und Wohnräume ende und er daher auf die Wohnung des Mieters angewiesen sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei der Kündigungsgrund auch nicht wegen § 577a BGB gesperrt. Die Sperrfrist gelte ausschließlich nur für den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs zu Wohnzwecken bzw. der Verwertung und könne daher nicht auf andere Kündigungsgründe angewendet werden.

Die Sperrfrist aus § 577a BGB bietet dem Mieter einer in Wohneigentum überführten und anschließend veräußerten Wohnung keinen grenzenlosen Schutz vor Kündigungen, sondern ist nach der Rechtsprechung des BGH ausschließlich auf Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen beschränkt. Bei anderen Kündigungsgründen, wie sie zum Beispiel bei einer geplanten „Mischnutzung“ vorliegen können, kann sich der Vermieter auch vor Ablauf der Sperrfrist auf ein „berechtigtes Interesse“ im Sinne von 573 Abs. 1 BGB berufen.

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