Wohnraummietrecht

Einstellung der Räumungsvollstreckung trotz vereinbarten Räumungsschutzverzichts

Die Räumungsvollstreckung kann in einem Beschwerdeverfahren auch dann vorläufig eingestellt werden, wenn in einem Räumungsvergleich durch den Mieter auf die Geltendmachung von Räumungsschutzanträgen verzichtet wurde, wenn dem Mieter bei der Vollstreckung größere Nachteile drohen als dem Vermieter. Im Rahmen der Abwägung drohender Nachteile ist insbesondere der Schutz Minderjähriger zu berücksichtigen.

BGH, Beschluss vom 06.02.2024; VIII ZB 6/24

In einem Räumungsrechtsstreit verpflichten sich die Mieter in einem Räumungsvergleich, die Wohnung bis zum 31.12.2023 geräumt herauszugeben. In der Vergleichsvereinbarung wurde ein Verzicht auf Räumungsschutzanträge vereinbart, dies, soweit gesetzlich zulässig. Die Mieter beantragten dessen ungeachtet beim Gericht Anfang Dezember 2023 die Bewilligung einer Räumungsfrist. Der Räumungsfristantrag wurde durch das Amtsgericht zurückgewiesen; auf die Beschwerde bestätigte das Landgericht die Entscheidung. Im Wege der Rechtsbeschwerde verfolgen die Mieter ihren Antrag vor dem Bundesgerichtshof weiter.

Der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes stellt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zwangsvollstreckung vorläufig ein und führt aus, dass durch die Vollstreckung des Räumungsvergleiches den Mietern ein unwiederbringlicher Nachteil entstehen würde. Der Vermieter hatte einen Eigenbedarf geltend gemacht. In der Abwägung der beiderseitigen Interessen seien die Mieter vor dem Wohnungsverlust zu schützen, insbesondere, da in dem Haushalt der Mieter zwei minderjährige Kinder leben. Der BGH weist in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass in der Rechtsprechung und juristischen Kommentarliteratur umstritten ist, ob in Räumungsvergleichen wirksam durch den Mieter auf Räumungsschutzanträge verzichtet werden kann. Höchstrichterlich ist dieser Meinungsstreit bislang noch nicht entschieden, so dass die Rechtsbeschwerde der Mieter auch nicht aussichtslos erscheine.
Mit dem auf den Einstellungsbeschluss nachfolgenden Beschluss vom 14.05.2024 hat der BGH die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Insoweit ist weiterhin keine höchstrichterliche Entscheidung zur Wirksamkeit des Räumungsschutzverzichtes ergangen. Der BGH hat vielmehr einen erheblichen Verfahrensverstoß erkannt, da die Beschwerdeentscheidung durch einen Einzelrichter erlassen wurde, jedoch die vollbesetzte Beschwerdekammer zu entscheiden hatte. Wegen des Verstoßes gegen Art. 101 GG war die Beschwerdeentscheidung mithin ohne Sachentscheidung aufzuheben.

Es bleibt weiterhin offen, ob in einem Räumungsvergleich wirksam ein Verzicht auf mieterseitige Räumungsfristanträge vereinbart werden kann. Das Anliegen, mit einem Verzicht auf Räumungsfristanträge vermieterseitig Planungssicherheit zu erlangen und sicherzustellen, dass zu dem vereinbarten Termin auch tatsächlich eine Herausgabe der Wohnung erfolgt, kann mit einer Verzichtsvereinbarung nur relativ gesichert werden. Neben der offenen Frage, ob der Verzicht überhaupt wirksam vereinbart werden kann, verbleibt dem Mieter ohnehin die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, etwa durch Wegfall vorausgesetzter künftiger Umstände, § 313 BGB. Insbesondere bei nichtvorhersehbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt die Annahme des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Ferner verbleibt den Mietern ohnehin die Geltendmachung der Schutzrechte aus § 765a ZPO, sofern die Durchführung der Räumungsvollstreckung mit einer besonderen Härte verbunden wäre, die mit den guten Sitten unvereinbar erscheint.

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