Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Welche Ansprüche gegen den Verwalter kann die Wohnungseigentümergemein­schaft an sich ziehen?

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die individuellen Schadensersatz­ansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter wegen der ihnen in einem Beschlussmängelverfahren auferlegten Kosten an sich ziehen und im eigenen Namen in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend machen (gekorene Ausübungs­befugnis). Hiervon ausgenommen sind Schadensersatzansprüche wegen Kosten, die einem Wohnungseigentümer durch die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts entstanden sind.

BGH, Urteil vom 08.02.2019; V ZR 153/18

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte war 25 Jahre als Verwalterin für die Klägerin tätig. In drei Beschlussanfechtungsverfahren, die in dieser Zeit geführt wurden, wurden den verlierenden Wohnungseigentümern Prozesskosten in Höhe von 45.402,44 € auferlegt. Diese Kosten wurden aus Mitteln der Gemeinschaft bestritten und in den jeweiligen Jahresabrechnungen auf die unterlegenen Eigentümer verteilt. Die Wohnungs­eigentümer beriefen die Verwalterfirma ab und beauftragten eine neue Verwalterfirma. In der Wohnungseigentümerversammlung wurde dann folgender Beschluss gefasst:

„Die Verwaltung informierte die Eigentümergemeinschaft über mögliche, durch die Firma H. (Beklagte) in dem Zeitraum 2014 bis 2015 verursachte Vermögens­schäden u.a. durch die wegen Verwaltungsfehlleistung gerichtlich für ungültig erklärten Jahresabrechnungen. Die Eigentümergemeinschaft beschloss infolge dessen einstimmig, die Inregressnahme der Firma H. für alle der WEG durch H. verursachte Vermögensschäden, insbesondere die Gerichts- und Anwaltskosten. (…)

Die Eigentümergemeinschaft beschloss einstimmig, die M. Hausverwaltungen GmbH (jetzige Verwalterin der Klägerin) zu bevollmächtigen, alle entstandenen Vermögensschäden aus Handlungen der H. in ihrer Funktion als Verwalterin der WEG S. Straße gegen die Firma H. ggf. auch gerichtlich geltend zu machen.“

Entscheidung

Der BGH bejaht die Aktivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft für die Geltend­machung der Schadensersatzansprüche im eigenen Namen. Auch wenn der Verwaltervertrag mit dem Verband beschlossen wird, kommen eigene Schadensersatzansprüche des jeweiligen Wohnungseigentümers wegen Pflichtverletzungen des Verwalters in Betracht, weil der Ver­waltervertrag Schutzwirkungen zugunsten der Wohnungseigentümer entfaltet. Da die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegend fremdes Recht, nämlich mögliche Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter im eigenen Namen geltend macht, bedarf sie hierfür einer besonderen Ermächtigung. Mit dem Beschluss der Wohnungseigentümer vom 02.04.2016 sind die Ansprüche der Wohnungseigentümer gegen­über dem Verwalter vergemeinschaftet. Eine solche gekorene Ausübungsbefugnis des Verbandes ist möglich, wenn die Rechtsausübung dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist. Der Gemeinschaftsbezug des Schadensersatzanspruches ist nach der Auffassung des BGH zu bejahen, obwohl es sich um eine individuelle Streitigkeit zwischen Wohnungseigentümer und dem früheren Verwalter handelt. Da der frühere Verwalter die prozessrechtliche Koordination übernommen und einen Rechtsanwalt für alle Wohnungseigentümer beauftragt hatte, ist es im Gemeinschaftsinteresse, wenn die Wohnungseigentümer die ihnen hierdurch entstandenen Kosten koordiniert geltend machen. Auch Gründe der Prozessökonomie sprechen für eine ein­heitliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche.

Fazit

Zunehmend werden Ansprüche der Wohnungseigentümer vergemeinschaftet und dann über den Verwalter, der einen Anwalt beauftragt, gerichtlich geltend gemacht. Dabei handelt es sich in der Regel um Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums. Mit dieser Entscheidung wird die Möglichkeit eröffnet, unter bestimmten Voraussetzungen auch infolge Prozessverlust individuell entstandenen Schadens­ersatzansprüche zu vergemeinschaften.

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