Wann verwirken titulierte Zahlungsansprüche?
Der Gläubiger verwirkt einen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch nicht
allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen
Vollstreckungsversuch unternimmt.
BGH, Urteil vom 09.10.2013; XII ZR 59/12
Sachverhalt
In den Jahren 1993 und 1994 erwirkte ein gewerblicher Vermieter insgesamt
5 Vollstreckungstitel gegen seinen Mieter, dem Kläger. Die Forderungen sind teilweise
befriedigt, teilweise sind weitere Zahlungen streitig. Im Zwangsvollstreckungsverfahren
behauptet der Schuldner, alle Forderungen seien getilgt. Vorsorglich beruft er sich jedoch
darauf, dass die Zwangsvollstreckung deshalb unzulässig sei, weil die titulierten Ansprüche
nach 13 Jahren seit dem letzten Vollstreckungsversuch verwirkt seien. Mit der Klage verlangt
der Schuldner die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung und die Herausgabe der
Titel. Das Landgericht Hamburg gibt der Klage statt, das Hanseatische Oberlandesgericht
weist die Berufung der Gläubigerin zurück. Der Bundesgerichtshof hebt die Vorentscheidungen
auf und verweist die Sache zurück an das Oberlandesgericht Hamburg.
Entscheidung
Der XII. Senat des BGH hält die Entscheidungen des Land- und Oberlandesgerichts Hamburg
für falsch und spricht in seinem Urteil von einem „Rechtsfehler“. Zwar verwirke ein Recht
grundsätzlich dann, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht und der
Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des
Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht (mehr)
geltend machen werde. Neben dem Zeitmoment setzt daher die Verwirkung auch das
Vorliegen besonderer Umstände voraus. Maßgeblich sind dabei immer die Umstände des
Einzelfalles. Dem Oberlandesgericht könne nicht in der Annahme gefolgt werden, der
Schuldner habe sich nach den gesamten Umständen darauf einrichten dürfen, dass der
Gläubiger die Rechte aus dem Titel nicht mehr geltend machen werde. Maßgeblich sei, ob bei
objektiver Betrachtung der Schuldner dem Verhalten des Gläubigers entnehmen durfte, dass
dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, also er mit einer Rechtsausübung durch
den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche. Dabei werde der Vertrauenstatbestand nicht
durch bloßen Zeitablauf geschaffen. Im entscheidenden Fall sei vielmehr zu berücksichtigen,
dass es sich um bereits titulierte Ansprüche handele. Wer seine Ansprüche titulieren lasse,
gibt bereits dadurch zu erkennen, dass er die Forderung durchsetzen will und sich dazu eines
Weges bedient, der ihm dies grundsätzlich für die Dauer von 30 Jahren ermöglicht. Bei dieser
Ausgangslage liegt die Annahme, ein anschließendes Ruhen der Angelegenheit könne
bedeuten, der Gläubiger würde seinen Anspruch endgültig nicht mehr durchsetzen, fern.
Fazit
Nach der BGH-Rechtsprechung gilt der Rechtsgedanke der Verwirkung auch im Miet- und
Pachtrecht als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen
Verhaltens. Zutreffend weisen die BGH-Richter darauf hin, dass der Schuldner sich nach den
gesamten Umständen nicht habe darauf einrichten dürfen, dass die Rechte aus dem Titel nicht
mehr geltend gemacht werden, denn der Gläubiger hat bereits dadurch, dass er seinen
Anspruch durch Gerichtsurteil titulieren ließ, zu erkennen gegeben, dass er die Forderung
durchsetzen werde, solange ihm der Titel dafür die Möglichkeit gibt.