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Wann liegt ein Verstoß gegen die Schriftform vor?

Treffen die Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und wer die Kosten zu tragen hat, so kann diesen Abreden vertragswesentliche Bedeutung zukommen.

Ist die Ausstattung des Mietobjekts für die Parteien von wesentlicher Bedeutung, so liegt bei deren Fehlen im Vertrag ein Verstoß gegen die Schriftform vor.

Auch wenn ein potenzieller Erwerber allein aufgrund der vertraglichen Vereinbarung den Umfang der auf ihn zukommenden Verpflichtung zur Herstellung der baulichen Eignung für den Vertragszweck nicht erkennen kann, liegt ein Verstoß gegen die Schriftform vor. Die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Bauakten durch den potenziellen Erwerber ersetzt die Schriftform nicht.

OLG Brandenburg, Urteil vom 10.01.2022; 3 U 110/20

Sachverhalt

Die Parteien schlossen am 14.11.2015/1.12.2015 einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 5 Jahren über ein Gewerbeobjekt für einen Zeitraum von 5 Jahren, beginnend ab dem Tag der Übergabe. In § 1 des Mietvertrages wird das Mietobjekt wie folgt beschrieben:

„1. Vermietet wird das Bestandsgebäude in der B### Straße ###, ### P### (Anlage 1). Insgesamt werden 2.025 m² Bruttogeschossfläche zzgl. der im Lageplan gekennzeichneten Außenflächen nachfolgend „Mietobjekt“ genannt, vermietet.

2. Die Gestaltung des Mietobjekts ergibt sich im Einzelnen aus den in der Anl. 2 zu diesem Vertrag genommenen Unterlagen (Grundriss, Flächenberechnung, Ausstattungs­beschreibung), die ausdrücklich zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung erhoben werden.

3. Die gemäß Abs. 1 und 2 erfolgte Beschreibung des Mietobjekts steht unter dem Vor­behalt möglicher Änderungen oder Auflagen in der zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses noch nicht vorliegenden Baugenehmigung. Aus der Baugenehmigung folgende Änderungen sind dem Nutzer unverzüglich anzuzeigen.“

Die Anlage 2 enthält Geschosszeichnungen, in denen die Lage der einzelnen Räume eingezeich­net sind. Mit Schreiben vom 30.03.2016 kündigte die Beklagte den Mietvertrag ordentlich zum 30.06.2016 wegen Schriftformverstoßes.

Entscheidungsgründe

Der Vertrag ist nach einem Jahr wegen Schriftformverstoßes kündbar. Treffen die Mietvertrags­parteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und wer die Kosten zu tragen hat, so kann diesen Abreden ver­tragswesentliche Bedeutung zukommen. Die Parteien haben in § 1 Abs. 2 des Mietvertrages vereinbart, dass sich die Gestaltung des Mietobjektes im Einzelnen aus den in der Anl. 2 zu diesem Vertrag genommenen Unterlagen (Grundriss, Flächenberechnung, Ausstattungsbe­schreibung) ergibt, die ausdrücklich zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung erhoben wurden. Unter Ausstattung wird alles verstanden, was der Vermieter dem Mieter zur ständigen Benutzung zur Verfügung gestellt hat und für das der Mieter keine besondere Vergütung zu zahlen hat. Die Ausstattung des Mietobjekts war für die Parteien von wesentlicher Bedeutung. Dies wird dadurch belegt, dass für die Parteien der Umfang der von dem Kläger übernommenen Verpflichtung zur Ausstattung des Mietobjekts maßgebend für die Vereinbarung der Höhe des Mietzinses war. Für einen Erwerber war nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang ein Anspruch der Beklagten hinsichtlich der Ausstattung des Mietobjekts besteht und in welchem Umfang die Mieterin die Pflicht zur Ausstattung traf.

Ein weiterer Verstoß gegen die nach § 550 S. 1 BGB erforderliche Schriftform folgt aus § 1 Abs. 3 des Mietvertrages. Danach stand die in § 1 Abs. 1 und 2 des Mietvertrages erfolgte Beschreibung des Mietobjekts unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen oder Auflagen in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorliegenden Baugenehmigung. Diese Ver­pflichtung ist zu unbestimmt. § 550 S. 1 BGB schreibt im Hinblick auf seinen Zweck, einem möglichen Grundstückserwerber Kenntnis über sämtliche bedeutsamen Mietvertragsverhält­nisse und Bestimmungen zu ermöglichen, im Falle des Abschlusses eines Mietvertrages für einen Zeitraum über ein Jahr hinaus die schriftliche Niederlegung aller wesentlichen Vertrags­bestimmungen vor. Von wesentlicher Bedeutung wäre hier für einen potenziellen Erwerber der Umfang und die Einzelheiten der durchzuführenden Arbeiten gewesen, allein deshalb, um sich Klarheit über die Höhe der Kosten zu verschaffen, die für die Durchführung dieser Arbeiten erforderlich wären und – wenn er den Kaufvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen hätte, zu dem dieser Arbeiten noch nicht durchgeführt waren – auf ihn zukommen. Im Hinblick darauf und, dass das Gebäude zudem dem Denkmalschutz unterliegt, was bei der beabsichtigten Nutzungsänderung weitere Komplikationen verursachen kann, konnte ein potenzieller Erwerber allein aufgrund der vertraglichen Vereinbarung den Umfang der auf ihn zukommenden Ver­pflichtung zur Herstellung der baulichen Eignung für den Vertragszweck nicht erkennen. Die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Bauakten durch den potenziellen Erwerber ersetzt – anders als der Kläger meint – die Schriftform nicht.

Fazit

Die vorliegende Entscheidung macht einmal mehr deutlich, wie wichtig eine gründliche Ver­tragsgestaltung ist und wie schnell sich die Parteien einen Schriftformverstoß einhandeln, der zu weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen führen kann. Diese aktuelle Entscheidung zeigt, dass der Schriftformverstoß nach wie vor ein äußerst wichtiges Thema im Gewerberaum­mietrecht ist.

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