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Voller Kaufpreiseinbehalt bei geringfügigem Mangel eines verkauften Grundstücks: Weist die Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer grundsätzlich selbst dann berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises insge­samt zu verweigern, wenn es sich um einen geringfügigen Mangel handelt.

BGH, Urteil vom 19.11.2021; V ZR 104/20

Sachverhalt

Der Kläger verkaufte im Jahr 2011 ein Grundstück, bestehend aus einem Skihang mit einem daneben befindlichen Hotel. Der Kaufpreis betrug 160.000,00 €. Der Käufer zahlte 40.000,00 € an den Verkäufer aus, den Restbetrag zahlte der Käufer auf das Anderkonto des Urkundsnotars. Dieser Betrag sollte an den Kläger ausgezahlt werden nach Sicherstellung der Löschung der in Abt. II und III vom Käufer nicht zu übernehmenden Belastungen.

2014 wurde in Abt. II ein Geh- und Fahrrecht sowie ein Mitbenutzungsrecht an vier Park­plätzen zu Gunsten des Eigentümers des Nachbargrundstücks eingetragen. Diese Grund­dienstbarkeit hatte der Kläger bei dem Erwerb des Grundstücks durch ihn als künftigen Eigen­tümer bestellt. Ende 2014 wurde der Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die Belastungen wurden wie im Kaufvertrag vorgesehen gelöscht, nicht jedoch die erst neu im Jahre 2014 eingetragenen Grunddienstbarkeiten bezüglich des Geh- und Fahrrechts und des Mitbenutzungsrechts.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Freigabe des auf dem Notaranderkonto liegenden Restkaufpreises. Landgericht und Kammergericht als Berufungsgericht geben der Klage teil­weise statt.

Entscheidung

Der BGH verweist den Rechtstreit zurück, um die Voraussetzungen für die Auszahlung des auf dem Notaranderkonto eingezahlten Restkaufpreises durch das Berufungsgericht erneut zu prüfen. Im Ergebnis bejaht der BGH die Verpflichtung des Verkäufers, den Käufer lastenfreies Eigentum zu verschaffen und führt aus, dass die eingetragenen Grunddienstbarkeiten einen Rechtsmangel darstellen. Diese Belastungen sind nach Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2011 eingetragen und waren nicht von dem Käufer im Kaufvertrag übernommen. Bei einem Rechtsmangel ist der Zeitpunkt für die Freiheit von Rechtsmängeln nicht der Gefahrübergang, sondern der Zeitpunkt, zu dem sich der Eigentumserwerb vollzieht.

Soweit das Berufungsgericht den Beklagten als verpflichtet ansah, von den noch auf dem Notaranderkonto befindlichen Kaufpreisanteil 86.000,00 € frei zu geben, so dass nur noch 34.000,00 € auf dem Konto verblieben, ist diese Auffassung nach der Entscheidung des BGH rechtsfehlerhaft. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne nur in Höhe der durch die Grunddienstbarkeiten verursachten Wertminderungen die Freigabe des Restkauf­preises verweigern, sei nicht haltbar. Zwar treffe es zu, dass im Rahmen der Gesamt­würdigung für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) es keine festgefügten Prozentsätze dafür gebe, was als geringfügig anzusehen sei. So könne bei einem behebbarem Mangel von einer Unerheblichkeit beispielsweise nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteige. Auch bei einer Restschuld von 4 % des Kaufpreises im Verhältnis zum Gesamtkaufpreis könne nach der Ent­scheidung des BGH vom 08.07.1983; V ZR 53/82, nicht von einer sehr geringfügigen Rest­schuld ausgegangen werden, die dem Anspruch des Käufers auf Eintragung als Eigentümer entgegenstehe. Da vorliegend die Wertminderung des Grundstückes durch die eingetragenen Grunddienstbarkeiten auf 9 % geschätzt werde, könne der Beklagte demgemäß die Einrede des nicht erfüllten Vertrages geltend machen.

Der BGH verweist an das Berufungsgericht zurück, das nun prüfen muss, ob die Auszahlungs­voraussetzungen im Übrigen erfüllt sind. Weitere Aufgabe des Berufungsgerichtes ist es sodann, zu prüfen, ob der Beklagte die Freigabe des Restkaufbetrages ausnahmsweise nicht nach § 320 BGB verweigern könne, weil dies nach den Gesamtumständen gegen Treu und Glauben verstoßen könne.

Fazit

Der Schuldner kann in einem gegenseitigen Vertrag seine Leistung grundsätzlich voll zurück­halten, auch wenn die Gegenleistung bereits teilweise erbracht ist. Nur bei einer geringfügigen Wertminderung kann nach Treu und Glauben gemäß § 320 Abs. 2 BGB unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht gegeben sein. Festgefügte Prozentsätze für die Erheblichkeit einer geringfügigen Wertminderung gibt es nicht. Es bedarf jeweils einer umfassenden Interessenabwägung, ob die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt sind.

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