Teilungserklärung als Allgemeine Geschäftsbedingungen?
Die Regelungen über die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind auf die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar. Von dem teilenden Eigentümer vorgegebene Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung unterliegen jedoch einer Inhaltskontrolle im Hinblick auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht, diese Inhaltskontrolle richtet sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles am Maßstab von Treu und Glauben aus.
BGH, Urteil vom 20.11.2020; V ZR 196/19
Sachverhalt
Mit einer Teilungserklärung aus dem Jahr 1999 wird eine große Wohnungseigentümergemeinschaft gebildet. Der Aufteiler berücksichtigte in der Teilungserklärung hinsichtlich der Einladung zu einer Wohnungseigentümerversammlung:
Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zu Letzt mitgeteilt worden ist.
Nach einer Verwalterwahl ist streitig, ob alle Wohnungseigentümer rechtzeitig und ordnungsgemäß zu der Wohnungseigentümerversammlung geladen wurden. Aufgrund eines Einladungsmangels hat das Amtsgericht Fürth der Beschlussanfechtungsklage stattgegeben; die Berufung der WEG-Verwalterin blieb ohne Erfolg, die Revision zum Bundesgerichtshof wurde jedoch zugelassen.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof folgt den beiden Tatsacheninstanzen nicht und verweist den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Im Unterschied zu den Vorinstanzen hält der Bundesgerichtshof es für ausreichend, dass die rechtzeitige Absendung der Einladungsschreiben an die dem WEG-Verwalter bekannt gegebene Anschrift zur ordnungsgemäßen Einladung für die Wohnungseigentümerversammlung genügt. Der BGH lässt es gelten, dass für die ordnungsgemäße Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht der Zugang des Einladungsschreibens maßgeblich ist, sondern die Absendung an eine bekannt gegebene Anschrift ausreicht, da die Wohnungseigentümer von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Regelungen grundsätzlich treffen können, § 10 Abs. 2 S. 2 WEG a.F.
Wenn es sich bei den Bestimmungen der Teilungserklärung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, wäre diese Zugangsfiktion indes unwirksam, § 308 Nr. 6 BGB. Der BGH stellt hierzu jedoch klar, dass die auch von einem professionellen Aufteiler vorgegebene Teilungserklärung nicht dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen.
Lediglich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse bewertet werden, ob der aufteilende Eigentümer seine einseitige Gestaltungsmacht bei der Beurkundung der Teilungserklärung missbraucht habe, insoweit findet eine Missbrauchskontrolle aus § 242 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben statt. Die hier verwendete Einladungsregelung verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben hingegen nicht, da die Wohnungseigentümer mit der Angabe einer zustellungsfähigen Adresse für die Wahrnehmung ihrer Teilhaberechte sorgen können.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht betont der BGH, dass bei einer verspäteten Kenntnisnahme der beanstandeten Beschlussfassungen aufgrund einer unterbliebenen Ladung dem benachteiligten Wohnungseigentümer für die Beschlussanfechtungsklage ggf. die sogenannte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist, sodass auch bei Postverlust eines Einladungsschreibens dem betroffenen Wohnungseigentümer hinreichend Rechtsschutz gegen fehlerhafte Beschlussfassungen gewährt wird.
Mit der Zurückverweisung muss das Berufungsgericht nunmehr in einer Beweisaufnahme aufklären, ob an alle Wohnungseigentümer der Versand des Einladungsschreibens durch Aufgabe zur Post an die zu Letzt bekannte Adresse erfolgte.
Fazit
Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH eine langjährig kontrovers erörterte Rechtsfrage geklärt. Auch bei der Vorgabe der Teilungserklärung durch professionelle Aufteiler, insbesondere bei Neubauvorhaben durch die Bauträgergesellschaft findet das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung. Es verbleibt bei dem Grundsatz, dass die Teilungserklärung Bestandteil des Grundbuchinhaltes wird und grundsätzlich objektiv auszulegen ist. Vor einer missbräuchlichen Gestaltung der Teilungserklärung durch Gewährung einseitiger Privilegien, insbesondere hinsichtlich der Kostenverteilung und des Stimmrechtsumfanges schützt eine individuelle Überprüfung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Für die Verwaltungspraxis bleibt mithin eine aufwändige und im Einzelfall auch komplexe Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erspart, wodurch eine erhöhte Rechtssicherheit erreicht wird. Es bleibt insbesondere den WEG-Verwaltern erspart, die Wirksamkeit einzelner Klauseln einer Teilungserklärung zu hinterfragen.