Selbständiges Beweisverfahren im Wohnungseigentum
Die Durchführung eines gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten selbständigen Beweisverfahrens über Mängel am Gemeinschaftseigentum setzt nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln bemüht hat.
BGH, Urteil vom 14.03.2018; V ZB 131/17
Sachverhalt
Ein Wohnungseigentümer beantragt in der Wohnungseigentümer-Versammlung, den Bauträger wegen etwaiger Mängel in Anspruch zu nehmen. Der Antrag wurde abgelehnt. Ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde nicht zur Abstimmung gebracht. Der Wohnungseigentümer beantragt deshalb im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens Feststellungen von Mängeln des Trittschallschutzes gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern, um diese ggfs. auf Beseitigung von Mängeln in Anspruch zu nehmen. Amtsgericht und Landgericht weisen den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zurück. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Umfang und Schaden von Gemeinschaftseigentum sei Angelegenheit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Diese müssten zunächst darüber befinden.
Entscheidung
Der BGH gibt der Rechtsbeschwerde des antragstellenden Wohnungseigentümers statt. Nach Auffassung des BGH ist eine Vorbefassung der Wohnungseigentümer mit der Frage, ob ein Sachverständigengutachten zu Mängeln eingeholt werden soll, nicht erforderlich. Zwar gehört die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung zu den Aufgaben der ordnungsmäßigen Verwaltung und damit auch die Vorbereitung der hierfür erforderlichen Maßnahmen in den Entscheidungsbereich der Wohnungseigentümer. Ein Antrag auf gerichtliche Beweiserhebung erschöpft sich aber weder in der Vorbereitung einer Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme, noch wird durch das Beweisverfahren die Entscheidung der Wohnungseigentümer über das „ob“ und das „wie“ der Durchführung der Maßnahme vorweggenommen. Das selbständige Beweisverfahren hat die Aufklärung von Tatsachen zum Gegenstand. Damit kann die Beweiserhebung in einem eventuell später erforderlich werdenden Prozess vorweggenommen werden. Damit kann das selbständige Beweisverfahren Beweismittel sichern und der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Die Entscheidungsbefugnis der Wohnungseigentümer wird dadurch nicht beeinträchtigt, da eine gerichtliche Entscheidung über das „ob“ und „wie“ der Durchführung von Instandsetzungsarbeiten nicht ergeht.
Fazit
Mit der Entscheidung des BGH ist eine lange in Literatur und Rechtsprechung streitige Frage geklärt, ob das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn nicht der antragstellende Wohnungseigentümer zuvor eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer-Versammlung über die Einholung eines Sachverständigen-gutachtens über die behaupteten Mängel herbeigeführt hat. Der BGH hat überzeugend begründet, dass die Vorbefassung in einem solchen Fall nicht erforderlich sei und verweist die Rechtssache an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurück.