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Schadensersatzansprüche wegen Nutzungsausfall einer Eigentumswohnung

Steht dem Erwerber während des Verzugs des Bauträgers mit der Übergabe der
herzustellenden Eigentumswohnung kein dem erworbenen Wohnraum in etwa
gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung, kann ihm eine Nutzungsausfallentschädigung zustehen.

BGH, Urteil 20.02.2014; VII ZR 172/13

Sachverhalt

Der Kläger macht Ansprüche wegen Nutzungsausfall geltend. Die Beklagte hatte sich mit
notariellem Vertrag verpflichtet, bis zum 31.08.2009 dem Kläger eine Altbauwohnung
bezugsfertig herzustellen und zu übergeben. Da die Beklagte ihrer Verpflichtung erst zwei
Jahre später nachkam, macht der Kläger für 24 Monate Nutzungsausfallentschädigung
geltend. Er musste mit seiner Frau und drei Kindern statt in der neu erworbenen Wohnung
mit einer Wohnfläche von 136,3 m² in der bisherigen Wohnung mit einer Wohnfläche von
72,6 m² weiter verbleiben. Die Kaltmiete für die weiter genutzte Wohnung hatte der Kläger
von seiner Forderung in Abzug gebracht.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof bejaht den Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Dem Kläger und
seiner Familie stehe mit der Mietwohnung, die sie bisher bewohnten und weiter nutzen
mussten, kein angemessener Wohnraum zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung des BGH
kann der Entzug von Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche
Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, einen Vermögensschaden bewirken.
Dementsprechend kann der längere Entzug einer zum Eigengebrauch vom Bauträger
erworbenen Eigentumswohnung einen Vermögensschaden begründen. Das soll nach der jetzt
vorliegenden Entscheidung des BGH auch dann gelten, wenn der Kläger niemals zuvor Besitz
an der Wohnung gehabt habe. Von der Rechtsordnung werde im Rahmen des
Schadensersatzes nicht nur das Interesse am Bestand geschützt, sondern auch das Interesse,
eine geschuldete Sache zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt nutzen zu können. Die
Möglichkeit, eine erworbene Wohnung nutzen zu können, hat nach der Verkehrsanschauung
einen Vermögenswert, der sich in objektiv messbaren Kriterien ausdrückt. Ein
Vermögensschaden könne aber nur dann bejaht werden, wenn sich die vorenthaltene Nutzung
der erworbenen Eigentumswohnung signifikant auf die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung
auswirke, wenn also der Nutzungsausfall zu einer „fühlbaren“ Gebrauchsbeeinträchtigung
führe. Das soll nicht gegeben sein bei kurzfristigem Nutzungsausfall oder auch dann, wenn
dem Erwerber während des Verzugs der Fertigstellung der Wohnung ein in etwa
vergleichbarer anderer Wohnraum zur Verfügung steht und ihm die Kosten der Anmietung
ersetzt werden. Dies war vorliegend nicht der Fall. Dem Kläger war auch nicht zuzumuten, für
die zunächst nicht absehbare Zeit der Verzögerung der Fertigstellung eine andere Wohnung
anzumieten. Dem Kläger steht damit der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.

Fazit

Im entschiedenen Fall hat der Kläger seine Schadensersatzforderung mit einer
Vergleichsmiete für die vorenthaltene Wohnung errechnet. Dabei wurde die vom Bauträger
ohnehin zu erstattende Miete für die bisherige Wohnung angerechnet. Diese
Schadensberechnung wurde auch von der Revision nicht angegriffen. Dennoch bleiben bei der
Entscheidung des BGH Fragen offen:
Wie lange ein kurzfristiger Nutzungsausfall dem Erwerber einer Eigentumswohnung noch
zumutbar ist und ab wann ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht. Auch der Begriff der
„fühlbaren“ Gebrauchsbeeinträchtigung lässt sich nur schwer abgrenzen. Im vorliegenden Fall
lag die Beeinträchtigung auf der Hand, da die bisher genutzte Wohnung lediglich 72 m²
Wohnfläche umfasste, während die erworbene und vorenthaltene Wohnung mit 136 m² über
eine fast doppelt so große Wohnfläche verfügen sollte.

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