Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Keine Verpflichtung zur Annahme und Realisierung des günstigsten von mindestens drei Vergleichsangeboten

Gegen das apodiktische Erfordernis von mindestens drei Vergleichsangeboten spricht schon, dass die Wohnungseigentümer – auch nach Einholung der Ver­gleichsangebote – nicht verpflichtet sind, das billigste oder günstigste Angebot – wie man es bei einer Ausschreibung kennt – anzunehmen und zu realisieren.

AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 15.04.2020; 539 C 16/18

Sachverhalt

Mit einer Anfechtungsklage wurden die Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft über die Instandsetzung des Daches einschließlich der Refinanzierung angefochten. Vor der Beschlussfassung hatte der Verwaltungsbeirat sogenannte „Informationen und Empfehlungen“ zur Erneuerung des Daches abgegeben. Auf dieses Schreiben wird im Einladungsschreiben der Verwalterin hingewiesen. Ferner hatte der beauftragte Architekt eine „Kostenaufstellung mit Vergabevorschlag“ unterbreitet, auf die in der angefochtenen Beschlussfassung verwiesen wird. Der Verwaltung lagen sieben Angebote von Fachfirmen vor. Mit der Anfechtung wird von den Klägern moniert, diese seien lediglich dem Verwaltungsbeirat, nicht jedoch allen Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt worden. Die Kläger hatten erwartet, dass die Angebote vor Abhaltung der Eigentümerversammlung, spätestens jedoch in der Versammlung selbst zur Einsichtnahme zugänglich gemacht worden wären. Die Beklagten tragen dazu vor, dass die Beschlussfassung auf der Basis dreier vorliegender Angebote erfolgt sei, es hätten sogar sechs Angebote vorgelegen Bei den preiswertesten Anbietern seien dann Vergabever­handlungen geführt worden. Die Firma, die den Zuschlag erhalten habe, habe den kompeten­testen Eindruck hinterlassen und auch erkennbar mehr Leistungsfähigkeit als alle Mitbewerber gehabt. Im Rahmen der Beschlussfassung sei umfangreich und vielschichtig über die ange­dachte Instandsetzungsmaßnahme gesprochen worden; zudem habe die Kostenaufstellung des Architektenbüros einen Preisspiegel mit detaillierten Informationen zu Notwendigkeiten und den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Anbieter enthalten. Es bedürfe nicht der Vorlage aller Angebote, wenn – wie hier – ein Preisspiegel von einem Sonderfachmann erstellt worden sei.

Entscheidungsgründe

Das Amtsgericht erklärt den angefochtenen Beschluss jedenfalls im Hinblick auf die nicht vor­gelegten Kostenangebote nicht für ungültig. Die Klage wird ganz überwiegend abgewiesen. Gegen das apodiktische Erfordernis von mindestens drei Vergleichsangeboten spreche schon, dass die Wohnungseigentümer – auch nach Einholung der Vergleichsangebote – nicht ver­pflichtet sind, dass billigste oder günstigste Angebot – wie man es bei einer Ausschreibung kenne – anzunehmen und zu realisieren. Unter Hinweis auf zahlreiche Fundstellen und Aus­züge aus Rechtsprechung und Literatur weist das Amtsgericht darauf hin, dass das bisherige Ergebnis der herrschenden Meinung – einen inhaltlich nicht zu beanstandenden Beschluss allein deshalb aufzuheben und für ungültig zu erklären, weil die Beschlussgrundlage mutmaß­lich unvollständig sei – nicht zu einer überzeugenden Rechtsfolge führen könne. Es sei nicht überzeugend, bei jedem Beschluss über eine Auftragsvergabe Vergleichsangebote zu ver­langen, weil diese Information keineswegs stets erforderlich sei, um den Wohnungseigen­tümern die Tragweite ihrer Entscheidung vor Augen zu führen. Die Wohnungseigentümer könnten die Anzahl der Alternativangebote im Übrigen im Rahmen ihres Beurteilungsspiel­raums selbst festlegen (so auch Landgericht Hamburg, Urteil vom 11.09.2019; 318 S 75/18). Dabei könnten sie sich auch mit dem Preisspiegel eines von ihnen hinzugezogenen Archi­tekten begnügen. Maßgeblich sei allein, ob die Entscheidung aus Sicht eines objektiven und vernünftigen Wohnungseigentümers vertretbar ist, dem alle relevanten Tatsachen bekannt sind, die für oder gegen den Beschluss sprechen. Das gebetsmühlenartige Abstellen auf drei Vergleichsangebote erspare lediglich dem Gericht die Auseinandersetzung mit dem Beschluss, verzögere Maßnahmen und verhelfe einer häufig aus sachfremden Gründen erhobenen Klage zum Erfolg. Eine gesetzliche oder sonstige vergaberechtliche Grundlage für das „Drei-Angebot-Gebot“ gäbe es nicht. Die strikte Forderung nach drei Angeboten berge auch die Gefahr in sich, Scheinangebote einzuholen. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die unbedingte Forderung von mindestens drei Vergleichsangeboten als „irrationale Mystik“ abzulehnen wäre. Die Angebote und deren Anzahl seien kein Selbstzweck. Es komme auf den Einzelfall an. Die von der herrschenden Meinung zu einem absoluten Anfechtungs­grund führende Vergleichsangebotsthese sei daher abzulehnen.

Fazit

Die ambitionierten und mit zahlreichen Fundstellen versehenen Entscheidungsgründe zeigen, dass hier die bisherige herrschende Meinung „angegangen“ werden soll und ein Umdenken von dem bisher stoisch angenommenen Anfechtungsgrund erfolgen soll. Da die Wohnungs­eigentümer im Rahmen ihres Ermessensspielraums in der Tat nicht gehalten sind, sich stets für das billigste Angebot zu entscheiden, kann auch die Entscheidung für einen bereits bekannten, guten und bereits in der Vergangenheit bewährten Anbieter ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dafür braucht es dann keiner drei Angebote. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung hier zunehmend ändern wird. In jedem Fall ist auf die Entschei­dung im konkreten Einzelfall abzustellen. Bis dahin besteht für den Verwalter nach wie vor das Risiko, dass ein Beschluss bei einem Amtsgericht wegen fehlender drei Vergleichsange­bote für ungültig erklärt wird.

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