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Kein Schadensersatzanspruch bei Weigerung des Grundstücksverkäufers, den Kauf­vertrag abzuschließen

  1. Es stellt keine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung des (potentiellen) Verkäufers eines Grundstückes dar, wenn er – bei wahrheitsgemäßer Erklärung seiner Abschlussbereitschaft – dem Kaufinteressenten nicht offenbart, dass er sich vorbehält, den Kaufpreis zu erhöhen. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen scheidet deshalb aus.
  2. Der (potentielle) Verkäufer haftet auch dann nicht auf Schadensersatz, wenn er zu einem Zeitpunkt Abstand von dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages nimmt, zu dem er weiß, dass der Kaufinteressent im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages bereits einen Finanzierungsvertrag abgeschlossen hat.

BGH, Urteil vom 13.10.2017; V ZR 11/17

Sachverhalt

Ein Großinvestor in der Immobilienbranche schaltet einen Vermittler ein, um die Eigentums­wohnungen zu veräußern. Ein Kaufinteressent meldet sich beim Vermittler und teilt nach der Besichtigung einer Wohnung mit, dass er die Wohnung zum inserierten Preis von € 376.000,00 kaufen wolle. Er erhält einen Kaufvertragsentwurf und informiert den Ver­mittler, dass er den Kreditvertrag erhalten habe und bittet um Mitteilung, welche Aspekte einer Abwicklung des Kaufvertrages entgegenstehen könnten, wenn die Finanzierung sicher­gestellt sei. Der Vermittler antwortet, dass außer der Eintragung im Grundbuch und der Fertigstellungsanzeige für die Renovierungsmaßnahmen keine Hindernisse bestehen und übersendet einen weiteren Kaufvertragsentwurf sowie die Teilungserklärung. Der Kauf­interessent stellt den Antrag auf Gewährung eines Darlehens über € 300.000,00. Die Annahmefrist des Darlehensgebers läuft bis zum 01.10.2013. Am 30.09.2013 erhält der Kaufinteressent die Mitteilung, der Kaufvertrag könne Mitte Oktober beurkundet werden. Der Notartermin solle am 30.10.2013 stattfinden.

Am 27.10.2013 teilt der Vermittler dem Kaufinteressenten mit, die Wohnung werde zu einem höheren Kaufpreis verkauft, der Kaufpreis betrage € 472.000,00. Der Interessent nimmt Abstand vom Kauf und verlangt Ersatz der Kosten, die ihm infolge der Finanzierungsverhand­lungen entstanden sind.

Entscheidung

Das Landgericht hat die Schadensersatzklage des Interessenten abgewiesen. Das Ober­landesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der BGH bestätigt die Zurückweisung der Klage und führt aus, dass bei einem Grundstückskaufvertrag an die Verletzung vorvertrag­licher Schutzpflichten hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Verweigerung des Verkäufers wie aber auch die Verweigerung des Käufers, den Kaufvertrag abzuschließen, löst nicht schon dann einen Schadensersatzanspruch aus, wenn es an einem triftigen Grund fehlt, sondern nur wenn eine schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt. Wenn schon das Fehlen triftiger Gründe einen Zwang zum Abschluss eines Grundstückskaufver­trages ergeben würde, würde, so der BGH, dies § 311 b BGB zuwider laufen, wonach die Bindung an einen Grundstückskaufvertrag sich erst durch die Beurteilung ergibt. Eine Treue­pflichtverletzung wäre allenfalls gegeben, wenn der Verkäufer eine nicht vorhandene Abschlussbereitschaft zum ursprünglichen Preis vorgespiegelt hätte oder wenn er die Ver­kaufsabsicht ursprünglich zwar gehabt hätte, dann aber innerlich von ihr abgerückt sei, ohne dies dem Kaufinteressenten zu offenbaren. Dies habe der Kaufinteressent vorliegend aber nicht beweisen können. Entscheidend ist, ob die Erklärung, eine Immobilie zu einem bestimmten Preis verkaufen zu wollen, im Zeitpunkt ihrer Abgabe der Wahrheit entspricht, d. h. der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt zur Veräußerung der Immobilie zu den mitgeteilten Bedingungen bereit ist. Er kann von dieser Verkaufsabsicht aber später abrücken, muss dieses Abrücken aber dem Interessenten umgehend mitteilen. Dem Kaufinteressenten muss klar sein, dass der Verkäufer bis zur Beurkundung des Kaufvertrages gebunden ist und es dem Verkäufer freisteht, seine Verkaufsbereitschaft aufzugeben oder zu modifizieren. Auch die Tatsache, dass der Verkäufer weiß, dass der Interessent einen Kreditvertrag abge­schlossen hat, macht die Forderung nach einem erhöhten Kaufpreis nicht zu einem schwer­wiegenden Treuepflichtverstoß. Anderenfalls hätte es der Kaufinteressent in der Hand, durch eigene Dispositionen den Verkäufer mittelbar zum Kaufvertragsabschluss zu bewegen, obwohl ein formgültiger Vertrag im Sinne von § 311 b BGB noch nicht zustande gekommen ist.

Fazit

§ 311 b BGB, der die notarielle Beurkundung für Grundstückskaufverträge fordert, hat eine Warnfunktion, um die Parteien auf die Bedeutung des Geschäfts hinzuweisen, ebenso wie die notarielle Beurkundung auch die sachgemäße Beratung der Parteien sicherstellen soll. Beide Parteien sind bis zur Beurkundung nicht gebunden, auch wenn erkennbar für eine Partei die jeweils andere Partei Aufwendungen erbringt, um die Voraussetzungen für den Kaufvertrags­abschluss sicherzustellen.

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