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Kein Minderungsrecht bei Baulärm

Die „Lärmfreiheit“ der Wohnung stellt grundsätzlich keine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung über den vertragsgemäßen Zustand der Mietwohnung dar.

BGH, Urteil vom 24.11.2021; VIII ZR 258/19

Sachverhalt:

In dem zu entscheidenden Sachverhalt bestand das Mietverhältnis zwischen den Parteien seit 2011. Im Jahr 2017 wurden auf der gegenüberliegenden Straßenseite vier Wohngebäude mit sechs bis acht Vollgeschossen samt Unterkellerung und einer Tiefgarage errichtet. Wegen des durch die Baustelle eindringenden Baulärms und der Staubentwicklung machten die Mieter Rückzahlungsansprüche in Höhe von 30% als Mietminderungsanspruch geltend. Amtsgericht und Landgericht sprachen eine Minderungsquote in Höhe von 15 % zu.

Entscheidung:

Der BGH bestätigt diese Entscheidung ausdrücklich nicht. Neben der fehlenden Feststellung über das tatsächliche Ausmaß der behaupteten Emissionen hätte das Landgericht unter bewusster Abweichung von der einschlägigen Senatsrechtsprechung entschieden. Der BGH verneint einen Mangel der Mietsache. Der vertraglich geschuldete Zustand der Mietsache bestimme sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen zwischen den Parteien, die auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten getroffen werden könnten. Lägen keine Parteiabreden vor ist der vertragsgemäße Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszweckes und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Danach könne dem Vermieter nicht einseitig das Risiko einer lärmintensiven Nutzungsänderung auf einem Nachbargrundstück zugewiesen werden – zumindest dann nicht, wenn er diese selbst ohne eigene Abwehr oder Entschädigungsmöglichkeiten gemäß § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Insoweit nehme der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstückes teil (so bereits BGH, Urteil vom 29.04.2020; VIII ZR 31/18). Für eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung von Umweltbedingungen bedarf es einer Willensübereinstimmung mit dem Vermieter, dass der Mieter die Fortdauer dieses Umstandes über die gesamte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht und der Vermieter dem zustimmt. Da der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, ob Ver­hältnisse während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses unverändert fortbestehen, könne der Mieter nicht automatisch erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand derartiger Umweltbedingungen übernehmen will. Eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung könne daher nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Übernahme einer so weit gehenden und vom Vermieter nicht beherrschbaren Haftung bestünden.

Fazit:

Der BGH bestätigt erneut die entwickelte Rechtsprechung zu erhöhten Geräuschimissionen von Nachbargrundstücken (vgl. hierzu die sog. „Bolzplatzentscheidung“, Urteile vom 29.04.20215; VIII ZR 197/14; und 29.04.2020; VIII ZR 31/18). Wohnraummieter können danach keine Mietminderung geltend machen, wenn auch dem Vermieter keine Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeiten gegenüber dem Lärmverursacher zustehen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Mietvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung über die „Lärmfreiheit der Mietwohnung“ enthält. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung liegt nicht einfach dadurch vor, dass es zu Beginn des Mietverhältnisses keine Baustelle gab.

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