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Kein Mangel der Mietsache bei pandemiebedingter Schließung

Die pandemiebedingte Schließung eines Geschäfts stellt keinen Mangel der Miet­sache dar. Ob eine Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung der Miethöhe erfordert, ist aus den Umständen des Einzelfalls zu beantworten.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021; 7 U 109/20 und

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 15.02.2021; 5 U 1782/20

Sachverhalt

Aufgrund der Eindämmungsverordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie muss ein Einzelhandelsgeschäft geschlossen werden. Mit der Betriebsschließung erfolgt auch die Ein­stellung der Mietzahlungen und der Mieter meint, dass im Hinblick auf den vereinbarten Mietzweck, der die gewerbliche Nutzung auf den Betrieb des Einzelhandelsgeschäfts für Textilien sowie Waren des täglichen Gebrauchs beschränkt, ein Mangel der Mietsache gegeben sei. Das Landgericht hat den Mieter zur vollständigen Mietzahlung verurteilt. Mit der Berufung verfolgt der Mieter den behaupteten Minderungsanspruch weiter, indes ohne Erfolg.

Entscheidung

Das OLG Karlsruhe erkennt für Recht, dass die öffentlich-rechtliche Anordnung der Betriebs­schließung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie keinen Mangel der Mietsache darstellt. Die vereinbarte Miete wird kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache einen Mangel aufweist, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert. Grund­sätzlich können auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen des Mietgebrauchs einen Mangel im Sinne des § 536 BGB begründen, Voraussetzung hierfür ist nach Auffassung des OLG Karlsruhe jedoch, dass die öffentlich-rechtliche Maßnahme unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang steht. Behördliche Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen hingegen aus­schließlich in den Risikobereich des Mieters, da der Vermieter von Gewerberäumen lediglich die Pflicht hat, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem gebrauchstaug­lichen Zustand zu erhalten, es gehört jedoch nicht zu den Aufgaben des Vermieters, den geschäftlichen Erfolg des Mieters zu garantieren.

Durch die Corona-Verordnung kommt es auch nicht zu einer Unmöglichkeit der Leistungser­bringungspflicht des Vermieters, da die Räume auch während der Geltungsdauer der Corona-Verordnung als Räume grundsätzlich geeignet sind, den Mietzweck zu erfüllen.

Der Gesetzgeber hat zudem mit der Vorgabe aus Art. 240 § 7 EGBGB die gesetzliche Ver­mutung vorgegeben, dass in den Gewerberaummietverhältnissen durch die Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, die eine Anpassung der Mietzahlungen zur Folge haben kann. Es handelt sich insoweit um eine widerlegliche Vermutung und es ist Sache des Mieters, die Anpassung des Äquivalenzverhältnisses in dem Mietverhältnis durch Offen­legung der Pandemie-bedingten Einschränkungen geltend zu machen. In dem hier zugrunde­liegenden Sachverhalt hatte der Mieter dies indes über zwei Instanzen versäumt, so dass eine Anpassung der Geschäftsgrundlage keine Berücksichtigung fand.

Anders verhielt es sich in dem Sachverhalt, der dem OLG Dresden vorlag. Der Senat berück­sichtigt, dass bei einer Systemkrise, wie sie die Pandemie darstellt, ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt und anzunehmen ist, dass in Kenntnis der Pandemielage ab­weichende mietvertragliche Vereinbarungen getroffen worden wären. Wenn die Vertragsan­passung im Verhandlungsweg der Parteien gescheitert ist, kann eine gerichtliche Vertragsan­passung erfolgen und bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen ist grundsätzlich eine Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, bei den Betriebskosten verbleibt es mithin bei der vollständigen Zahlungspflicht, so das Oberlandesgericht Dresden.

Ergänzend zeigt das OLG Karlsruhe in der angesprochenen Entscheidung auf, welche Umstände des Einzelfalls in die Erwägung über die Unzumutbarkeit der vollständigen Miet­zahlung einzustellen sind. Es ist mieterseitig der Rückgang der Umsätze sowie die mögliche Kompensation durch Online-Handel, öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen und die Kompensationsmöglichkeit durch eine nachgeholte Veräußerung noch veräußerbarer Ware zu betrachten. Bemerkenswert ist, dass beide Entscheidungen keine Kriterien für die vermieter­seitige Beeinträchtigung durch die nicht vollständige Mietzahlung aufzeigen. Insoweit werden jedoch die Vermieterinteressen an der Aufrechterhaltung der Finanzierung des Mietobjekts und der laufenden Bewirtschaftung ebenfalls in die Abwägung zur Behebung der Störung der Geschäftsgrundlage einzubeziehen sein.

Fazit

In der Rechtsprechung entwickelt sich vorbehaltlich der noch ausstehenden Bewertung durch den XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Linie heraus, dass eine Minderung der Miete wegen pandemiebedingter Betriebsschließungen nicht gewährt wird, aber im Grundsatz eine Anpassung der Geschäftsgrundlage durch Halbierung der monatlichen Grundmiete berück­sichtigt wird. Eine Abweichung von diesem Halbteilungsgrundsatz erfordert den ent­sprechenden Vortrag der Vertragspartei, die eine günstigere Anpassung der Geschäftsgrund­lage für sich in Anspruch nehmen will. In den gerichtlichen Verfahren hat der Gesetzgeber den Landgerichten vorgegeben, dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung binnen eines Monats zur Verfügung gestellt werden soll, insoweit besteht die Möglichkeit, sehr zeitnah bei geschei­terten Verhandlungen über die Anpassung der Geschäftsgrundlage eine verbindliche gericht­liche Entscheidung zu erlangen.

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