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Wann liegt ein wucherischer Grundstückskauf vor?

  1. Wird der Benachteiligte vor Vertragsabschluss anwaltlich beraten, liegt keine Sittenwidrigkeit vor.
  2. Wenn Parteien auf Wertgutachten vertrauen und dies der Kaufpreisfindung zu Grunde legen, kann von einem „Ausnutzen“ im Sinne des § 138 BGB keine Rede sein.
  3. Wer nach sofortiger Kaufpreiszahlung sein befristetes Rückkaufrecht nicht ausübt und sich dennoch auf § 138 BGB beruft, handelt selbst sittenwidrig.

OLG Bamberg, Beschluss vom 22.06.2021; 1 U 494/20

Sachverhalt:

Für das Grundstück der Klägerin war das Zwangsversteigerungsverfahren angeordnet. Die Beklagte war am freihändigen Ankauf interessiert. Beide Parteien vertrauten auf das Wert­gutachten aus dem Zwangsversteigerungs-verfahren. Bei der Kaufpreisfindung wurde dieses berücksichtigt. Die klagende Verkäuferin war anwaltlich beraten. Sie akzeptierte einen nied­rigeren Kaufpreis als aus dem Wertgutachten. Die Klägerin hatte sich im notariellen Kaufver­trag ein Rückkaufsrecht zu dem vereinbarten Kaufpreis für 18 Monate einräumen lassen. Dies erfolgte, um die Kosten für den beabsichtigten Rückkauf niedrig zu halten. Die Klägerin nutzte die ihr eingeräumte Frist, um das Objekt zurückzukaufen nicht, sondern erhob nach Ablauf der Frist Klage und beantrage die Feststellung, dass der Kaufvertrag wegen Wuchers nichtig sei.

Das Landgericht hat die Klage zurückgewiesen. Mit Beschluss des OLG Bamberg wurde die Berufung zurückgewiesen.

Entscheidung:

Das OLG Bamberg führt aus, dass die Behauptung der Klägerin, es habe ein „auffälliges Miss­verhältnis“ zwischen Kaufpreis und Gegenleistung vorgelegen, nicht festgestellt werden könne. Der Beklagten war kein unbelastetes Grundstück übereignet, vielmehr war für die Klägerin ein dinglich gesichertes Rückkaufsrecht für 18 Monate in Form einer befristeten Eigentumsvormerkung gem. § 883 BGB vereinbart. Die beklagte Käuferin konnte mithin in dieser Zeit über das Grundstück nicht in gleicher Weise verfügen, wie über ein unbelastetes Grundstück. Auch hatte die Beklagte den Kaufpreis nach Abschluss des Kaufvertrages an die Klägerin sofort ausgekehrt.

Nach der Rechtsprechung kann ein besonders auffälliges Missverhältnis gem. § 138 BGB zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung. Bei Grundstücksverkäufen ist diese Voraussetzung erst bei einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % erfüllt. Vorliegend – so das OLG – könne der Wert des übertragenden belasteten Grundstücks nicht überprüft werden, da die Klägerin sich mit dem Verkehrswertgutachten im Rechtsstreit nicht auseinandergesetzt habe, sondern nur eine anderslautende Bewertung vorgelegt habe.

Selbst wenn jedoch ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorgelegen hätte, sei jedoch die Vermutung, die Beklagte habe in „verwerflicher Gesinnung“ einen die Klägerin in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen Umstand bewusst oder fahrlässig ausgenutzt, nicht festzustellen. Beide Parteien hätten gerade das Wertgutachten aus dem Zwangsver­steigerungsverfahren der Kaufpreisfindung zugrunde gelegt und sich dafür für den niedrigeren Kaufpreis entschieden, um die Kosten für den Rückkauf durch die Klägerin niedrig zu halten. Die Klägerin hatte zunächst einen noch niedrigeren Kaufpreis vorgesehen. Deshalb hatte die Rechtsanwältin der Klägerin sogar noch empfohlen, diesen (niedrigen) Kaufpreis zu erhöhen, um die Wirksamkeit des Vertrages nicht zu gefährden.

Fazit:

Die Sittenwidrigkeit eines Vertrages lässt sich objektiv bei Vorliegen eines auffälligen Missver­hältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung feststellen und subjektiv, wenn eine verwerf­liche Gesinnung des Begünstigten festzustellen ist. Selbst wenn mithin ein Verkehrswertüber- oder -unterschreiten von 90 % entsprechend einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festzu­stellen ist, muss subjektiv dem Begünstigten auch ein „verwerfliches Ausnutzen“ vorzuwerfen sein. Daran fehlt es, wenn der Verkäufer selbst die Kaufpreisfindung in Kenntnis aller ihn begünstigenden bzw. möglicherweise benachteiligenden Umstände mitgestaltet.

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