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Kaufpreis mit und ohne Mieter benachteiligt den vorkaufsberechtigten Mieter

  1. Eine differenzierte Preisabrede, die eine Preiserhöhung von der Ausübung des Vorkaufs­rechts bzw. abstrakt vom Erlöschen mietvertraglicher Bindungen abhängig macht, wider­spricht im Verhältnis zum Mieter dem Gesetzeswortlaut, wonach eine zum Nachteil des Mieters von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarung unwirksam ist.
  2. § 577 Abs. 5 BGB soll dem Mieter die Möglichkeit eröffnen, die Wohnung zu einem Kauf­preis zu erwerben, den auch ein Dritter für die Wohnung zu zahlen bereit ist. Dabei kann es sich nur um den Preis für die vermietete Wohnung handeln, denn das Verkaufsobjekt, das einem Mietervorkaufsrecht unterliegt, ist notwendigerweise eine vermietete Wohnung.

Kammergericht Berlin, Urteil vom 25.08.2020; 17 U 18/18

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von der Beklagten nach Ausübung eines Mietervorkaufsrechts die Rück­zahlung eines Teils des an die Verkäuferin unter Vorbehalt gezahlten Kaufpreises. Die Beklagte war Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Die Klägerin war seit dem 01.01.2011 Mieterin einer Wohnung. Die Beklagte teilte das Mehr­familienhaus im Jahr 2015 in Wohnungseigentumseinheiten auf. Die Beklagte verkaufte die Wohnung der Klägerin an einen Interessenten am 06.12.2016. In § 2.1 des Kaufvertrags hatten die Parteien folgendes vereinbart:

„ Der Kaufpreis für den vorbezeichneten Grundbesitz beträgt 163.266,67 €. Die Parteien gehen davon aus, dass Bemessungsgrundlage des Wohnungskaufpreises in Höhe von 163.266,67 € die Lieferung des Wohnungseigentums ohne Mietverhältnis mit einem Dritten ist. Der Kaufgegenstand ist derzeit vermietet. Es gilt „ohne Mietverhältnis mit einem Dritten“ zu liefern, soweit der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt oder der Ver­käufer dem Käufer binnen eines Monats nach Beurkundung nachweist, dass das Miet­verhältnis aufgelöst oder gekündigt ist. Wird das Wohnungseigentum gegen vorstehen­der Beschreibung mit dem laufenden oder einem anderen Mietverhältnis geliefert, mindert sich der Kaufpreis um 10% auf 146.940,00 € für das Wohnungseigentum.“

Alle Kaufverträge mit denen die Beklagte vermietete Wohnungen, die einem solchen Vor­kaufsrecht unterlagen, enthielten eine solche Klausel. Die Klägerin übte das Vorkaufsrecht für ihre Wohnung am 14.02.2013 aus. Sie zahlte unter dem Vorbehalt der teilweisen Rückfor­derung den Kaufpreis in Höhe von 163.266,76 €. Mit der Klage verlangt sie Rückzahlung der Differenz in Höhe von 16.326,67 € zwischen den für eine unvermietete Wohnung zu zahlen­den und den für eine vermietete Wohnung zu entrichtenden Kaufpreis. Die Klägerin führt aus, dass die differenzierte Preisabrede eine Umgehung des Mietervorkaufsrechts gemäß § 577 Abs. 5 BGB darstelle. Das Landgericht Berlin gab der Klage statt.

Entscheidung

Das Kammergericht Berlin weist die Berufung der Beklagten zurück. Das Gericht führt aus, dass zur Zulässigkeit von differenzierten Preisabreden im Falle eines Mietervorkaufsrechts unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. So habe das OLG München unter Hinweis auf § 464 Nr. 2 BGB eine differenzierte Preisabrede, die allein für den Mieter bei Ausübung des Vorkaufsrechts einen höheren Kaufpreis vorsehe, für wirksam gehalten.

Das Kammergericht schließt sich der Auffassung des OLG München ausdrücklich nicht an, sondern bejaht die im Schrifttum ebenfalls vertretene Auffassung, dass differenzierte Preisab­reden, die die Kaufpreiserhöhung nur für den vorkaufsberechtigten Mieter vorsehen oder aber abstrakt von mietvertraglichen Bindungen abhängig machen, unzulässig sind. Da das Kauf­objekt beim Vorkaufsrecht gemäß § 577 BGB immer eine vermietete Wohnung ist, und da Kauf Miete nicht bricht, könne allein mit dem Hinweis auf § 464 Abs. 2 BGB unter Hinweis auf höhere Marktpreise für unvermietete Wohnungen die gesetzliche Regelung des § 577 Abs. 5 BGB nicht ausgehebelt werden. Dem Verkäufer muss deshalb im Falle einer dem Mieter zu seinem Schutz durch ein Vorkaufsrecht eingeräumte Rechtsposition kein
– zusätzlicher – Vermögensvorteil eingeräumt werden, da der Vermieter von Anfang an ledig­lich Eigentümer einer vermieteten Wohnung ist, die am Markt gegebenenfalls nur mit einem Preisabschlag verkauft werden kann. Im Verhältnis zum Mieter besteht für eine Klausel, die abstrakt den Fall des Erlöschens des Mietverhältnisses regelt, kein Grund, denn bei Ausübung des Vorkaufsrechts erlischt das Mietverhältnis immer durch Konfusion. Das Kammergericht hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen.

Fazit

Im Hinblick auf den unterschiedlichen Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur bei differenzierten Kaufpreisabreden erscheint es wünschenswert, dass eine Klärung durch den BGH herbeigeführt wird. Die Praxis zeigt, dass insbesondere im Hinblick auf den Preis­abschlag, der für vermietete Wohnungen in der Regel gemacht wird, Wege gesucht werden, den Kaufpreis für Erstkäufer und vorkaufsberechtigte Mieter zu staffeln.

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