Allgemeines Immobilienrecht

Schadensersatzpflicht bei Verletzung einer Mitteilungspflicht bei einem – nur – schuldrechtlichem Vorkaufsrecht?

Fehlt dem Vorkaufsverpflichteten die Kenntnis vom Bestehen des Vorkaufsrechts und beruht diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit, kann ein Schadensersatzanspruch des Vorkaufsberechtigten entfallen.

LG Hamburg, Urteil vom 17.10.2022; 330 O 187/21

Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit Erbbaurechten belasteten Grundstücks. Sie verlangt von dem Beklagten, als vormaligen Erbbauberechtigten, Schadensersatz wegen Verletzung von Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit einem Erbbaurechts-Verkaufsfall. Auf dem Grundstück der Klägerin lastet seit 1958 ein Erbbaurecht, dessen § 7 folgendes vorsieht:

„Der Grundstückseigentümer räumt dem jeweiligen Erbbauberechtigten für alle während der Dauer der Erbbaurechte eintretende Verkaufsfälle ein Vorkaufsrecht ein.

Der Erbbauberechtigte räumt seinerseits dem jeweiligen Grundstückseigentümer ein Vorkaufsrecht an den Erbbaurechten für alle Verkaufsfälle ein. Diese Vorkaufsrechte sollen jedoch erst wirksam werden, nachdem die Erbbaugrundstücke gemäß § 5 dieses Vertrages bebaut worden sind. Diese Bestimmung soll nicht in die Erbbaugrundstücke eingetragen werden. Vielmehr soll diese Vereinbarung lediglich eine schuldrechtliche Bindung unter den Parteien herbeiführen.“

Der Beklagte erwarb das Erbbaurecht als testamentarischer Erbe des verstorbenen Erbbauberechtigten. Das Anwesen war verwahrlost. Der Beklagte wollte es verkaufen. Er informierte die Klägerin über den Erbfall und seine Absicht, „das Haus“ zu veräußern. Der Beklagte beauftragte einen Makler, der sich u.a. auch bei der Klägerin meldete. Ob der Klägerin das Erbbaurecht angeboten wurde und sie den Ankauf ablehnte, war zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte verkaufte sodann das Erbbaurecht für 50.000,00 €. Die Klägerin erlangte vom Verkauf durch die Eintragungsbekanntmachung des Grundbuchamtes Kenntnis. Sie erklärte ihr Vorkaufsrecht und forderte, da das Vorkaufsrecht nicht mehr durchsetzbar war, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 346.455,00 € auf wegen Vereitelung des Vorkaufsrechts. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs errechnete die Klägerin nach der Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses für Grundstückswerte. Der Beklagte hält das Verhalten der Klägerin für rechtsmißbräuchlich, da er die Klägerin über seine Absicht, das Grundstück zu verkaufen, informiert, diese jedoch kein Interesse gezeigt habe. Bei der Beurkundung sei er auch nicht vom Notar über eine Mitteilungspflicht belehrt worden.

Entscheidung

Das Landgericht weist die Klage ab. Ein Anspruch der Klägerin ergäbe sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Vorkaufsrecht, da es an einem Verschulden des Beklagten mangele. Nach Anhörung der Parteien und Durchführung der Beweisaufnahme stehe für das Gericht fest, dass der Beklagte keine Kenntnis vom Vorkaufsrecht hatte und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Der Beklagte habe nach glaubhafter Bekundung den Erbbaurechtsvertrag vom 12.04.1958 nicht gelesen und war auch vom Notar nicht darauf hingewiesen worden, dass ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht bestand. Der Beklagte hatte am Erbbaurecht auch kein Interesse und wollte dieses schnellstmöglich weiterveräußern. Er habe im Haus des Erblassers die Unterlagen zusammengesucht und diese sodann komplett dem Makler übergeben. Der Beklagte sei, so der Eindruck des Gerichts, mit der Gesamtsituation überfordert gewesen. Da auf dem verwahrlosten Erbbaugrundstück sich auch noch mehrere Hunde befunden hatten, um die er sich habe kümmern müssen, sei es ihm einzig darum gegangen, das Objekt umgehend weiterzuverkaufen.

Auch war der Beklagte vom Notar nicht auf ein Vorkaufsrecht hingewiesen worden. Nach der Aussage des Notars ist ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht im Rahmen eines Erbbaurechts vielmehr unüblich. Wäre ihm – dem Notar – das Vorkaufsrecht aufgefallen, hätte er dies mit den Parteien des Kaufvertrages erörtert. Dem Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts auch keine grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen. Zwar wird ein Schuldner nicht durch einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum entschuldigt, wenn die betreffende Information von einem ordentlichen Teilnehmer des betreffenden Verkehrskreises zu fordern war. Der Beklagte habe sich vorliegend aber darauf verlassen dürfen, dass er vom Notar auf ein bestehendes Vorkaufsrecht und sich daraus ergebende Pflichten hingewiesen worden wäre.

Fazit

Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht ist im Unterschied zum dinglichen Vorkaufsrecht nicht im Grundbuch eingetragen. Vorliegend war das Vorkaufsrecht lediglich Gegenstand des Erbbaurechtsvertrages von 1956. Dass das Landgericht vorliegend die Pflichtverletzung des Erbbaunehmers verneint hat, war letztlich das Ergebnis einer umfangreichen Beweiserhebung und persönlichen Anhörung der Parteien. Die vorliegende Entscheidung dürfte sich deshalb auch als Besonderheit in der Rechtsprechung zum schuldrechtlichen Vorkaufsrecht darstellen.

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