Allgemeines Immobilienrecht

Mängelhaftung bei Verkauf einer „kernsanierten“ Immobilie

  1. Mängelansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb einer als „kernsaniert“ bezeichneten Immobilie sind auch dann nach den Vorschriften des Werkvertragsrecht zu beurteilen, wenn kein klassischer Bauträgervertrag vorliegt.
  2. Mit dem Erwerb einer „kernsanierten“ Immobilie darf ein verständiger Erwerber die Vorstellung verbinden, keine nennenswerten Investitionen mehr vornehmen zu müssen, um diese für sich brauchbar zu machen.
  3. Mit der Zusicherung „kernsaniert“ wird eine Beschaffenheit dahingehend vereinbart, dass die Sanierungsarbeiten als Mindeststandard den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Das ist nicht anders zu beurteilen, wenn der private Veräußerer die Arbeiten in Eigenregie durchgeführt hat.
  4. Für zugesicherte Eigenschaften kann ein Haftungsausschluss nicht wirksam erklärt werden.

OLG München, Urteil vom 15.02.2022; 28 U 2563/13 – Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH am 14.12.2022 ; VII ZR 56/22 zurückgewiesen

Der beklagte Verkäufer einer Immobilie schaltet eine Internetanzeige, in der er eine kernsanierte Doppelhaushälfte anbietet, Baujahr 1955. In der Reservierungsvereinbarung, die er mit dem Interessenten abschließt, heißt es u.a. wie folgt:

„Der Käufer hat das Haus besichtigt, er kauft es im gegenwärtigen Zustand. Weitergehende Rechte des Käufers wegen offener oder verborgener Mängel werden ausgeschlossen, insbesondere für Flächenmaß, Beschaffenheit, Verwendbarkeit und Ertrag. Der Verkäufer erklärt, dass das Haus saniert worden ist und versichert, dass ihm keine offenbarungspflichtigen Mängel des Vertragsobjektes bekannt sind. Der Verkäufer weist darauf hin, dass Teile der Renovierung vom Verkäufer selbst durchgeführt worden sind: Fliesen, Elektroarbeiten, Gartengestaltung. Für diese Arbeiten besteht keine Gewährleistung.“

Die Parteien schlossen den notariellen Kaufvertrag. Darin heißt es wie folgt:

„Der Erwerber hat das Vertragsobjekt eingehend besichtigt, er kauft es im gegenwärtigen Zustand, der als vertragsgemäß vereinbart ist. Dem Erwerber ist insbesondere bekannt, dass es sich bei dem Vertragsgegenstand um ein renoviertes Gebäude, Baujahr 1955, handelt, dessen Bausubstanz nicht den heutigen Standards und Normen entspricht. Dem Erwerber ist auch bekannt, dass auf dem Vertragsgegenstand nach dem genehmigten Bauplan die Errichtung eines PKW-Stellplatzes erforderlich ist. Weitergehende Rechte des Erwerbers wegen offener oder verborgener Mängel werden ausgeschlossen, insbesondere für Flächenmaß, Beschaffenheit, Verwendbarkeit und Ertrag (…) Der Veräußerer tritt dem Erwerber aufschiebend bedingt auf die vollständige Kaufpreiszahlung alle seine etwaigen Schadensersatz– und sonstigen Ansprüche, insbesondere auch Versicherungsansprüche, ab, die er wegen eines Schadens oder eines Mangels am Vertragsobjekt gegen Dritte haben könnte. Der Veräußerer übernimmt keine Haftung für das Bestehen oder die Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche. Für Mängel und Schäden am Vertragsobjekt, die der Veräußerer beseitigt, entfällt die Abtretung diesbezüglicher Ansprüche.“

Der Käufer verlangt nach Übergabe des Kaufobjektes vom Beklagten Schadensersatz wegen zahlreicher Mängel. Das Landgericht München II hat die Klage abgewiesen.

Das OLG München hebt das erstinstanzliche Urteil auf und gibt der Klage weitgehend statt. Das OLG sieht den Vertrag wegen der umfangreichen Sanierungs-/Renovierungstätigkeiten, die zu dem Angebot führten, dass die Immobilie vom Verkäufer als „kernsaniert“ angeboten wurde, als Werkvertrag an. Werkvertragliche Elemente seien vorrangig gewesen. Dabei sei es um Außenfassade, Fenster, Heizung, Keller, Dach und Elektroerneuerung gegangen.
Das OLG wertet zudem die Beschreibung des Gebäudes im notariellen Kaufvertrag als „renoviertes Gebäude“ als Beschaffenheitsvereinbarung. Nach Auffassung des OLG entspreche es dem langjährigen Verständnis der Rechtsprechung, dass für zugesicherte Eigenschaften ein Haftungsausschluss nicht erklärt werden könne; dabei verweist das OLG auf BGH NJW 2013, 1074. Da, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, das Gebäude mit gravierenden Mängeln behaftet war, hat das OLG der Klage überwiegend stattgegeben.

Auch wenn die Beweisaufnahme im entschiedenen Fall offenbar eine erheblich mangelhafte Werkleistung bestätigte, zeigt die Entscheidung, dass Begriffe wie „kernsaniert renoviert“ oder „saniert“, nur dann Verwendung finden sollten, wenn alle Werkleistungen den Standard der geltenden Regeln der Technik entsprechen.
Abstriche von diesem Standard sind nach der Rechtsprechung auch dann nicht zu machen, wenn die erbrachten Leistungen vom Verkäufer als Privatperson in Eigenregie durchgeführt wurden, und hierauf im Kaufvertrag ausdrücklich hingewiesen wurde. Wie das Gericht ausführt, kann auf der einen Seite nicht eine sanierte Immobilie veräußert, jedoch eine nicht oder nicht mangelfrei sanierte Immobilie übergeben und der Erwerber dann auf den Haftungsausschluss verwiesen werden. Ein solches Verhalten sei, so das OLG, widersprüchlich.

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