Allgemeines Immobilienrecht

Falsa demonstratio beim Grundstückskauf

Zur Beschaffenheit eines verkauften Grundstückes gehört es nicht, dass es sich auf ein Nachbargrundstück erstreckt; eine solche Vereinbarung legt den Kaufgegenstand selbst und nicht lediglich dessen Beschaffenheit fest.

  1. Der Wortsinn einer in einem notariellen Grundstückskaufvertrag enthaltenen Erklärung ist nicht maßgeblich, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien in der Erklärung Begriffe anders als nach dem Wortsinn verstehen oder mit Flurstücks- oder Grundbuchangaben andere Vorstellungen über den verkauften Grundbesitz verbinden (sog. versehentliche Falschbezeichnung bzw. falsa demonstratio). Eine solche Falschbezeichnung ändert nach § 133 BGB nichts daran, dass – wie auch sonst – nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte gilt.
  2. Aus dem Umstand, dass die Kaufvertragsparteien die tatsächlichen Verhältnisse des im Eigentum des Verkäufers stehenden Grundstücks bei einer Besichtigung zur Kenntnis genommen haben, kann, auch wenn dieses Grundstück und das angrenzende Nachbargrundstück scheinbar eine Einheit bilden, nur im Ausnahmefall auf eine Einigung über den Mitverkauf des nicht im Eigentum des Verkäufers stehenden Nachbargrundstücks geschlossen werden (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 18.01.2008; V ZR 174/06).

Weckt der Verkäufer eines Grundstücks bei dem Käufer vor Vertragsschluss falsche – einseitige – Vorstellungen über den tatsächlichen Umfang seines Eigentums oder erkennt er eine entsprechende Fehlvorstellung über den Grenzverlauf, klärt den Käufer aber nicht über den wahren Grenzverlauf auf, fehlt es in aller Regel an einer Einigung über den Verkauf eines scheinbar zu dem Grundstück des Verkäufers zugehörigen fremden Grundstücks. Der Verkäufer kann allerdings wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet sein.

BGH, Urteil vom 23.06.2023; V ZR 89/22

Sachverhalt

Die Kläger, die Käufer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks zum Flurstück 291/3 sind, gingen bei Kaufvertragsabschluss irrtümlich davon aus, dass auch das angrenzende 19 m² große Flurstück 277/22 zu dem Kaufgegenstand gehöre. Im notariellen Kaufvertrag wurde der Kaufgegenstand eindeutig dahingehend bezeichnet, dass das Flurstück 291/3 verkauft wird. Die Kläger verlangen Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Feststellung, dass die Verkäufer sie von sämtlichen, im Zuge der Rückabwicklung sich ergebenden materiellen Schäden freizustellen haben. Die Kläger behaupten, dass die Beklagten bei Begehung des Grundbesitzes zugesichert hätten, dass die in Natur vorhandene und als Gesamtobjekt aufzufassende Immobilie mit den dort vorhandenen Abgrenzungen in der Natur vollständig in ihrem Eigentum stehe. Beide Parteien seien davon ausgegangen, dass das Flurstück 277/22 „integraler Bestandteil des zu verkaufenden Grundbesitzes“ sei. Die Klage wird vom OLG Oldenburg zurückgewiesen, der BGH bestätigt das Urteil des Berufungsgerichts.

Entscheidung

Der BGH führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass dem Klagvortrag nicht zu entnehmen sei, dass die Parteien sich auf dem Verkauf eines Grundstücks geeinigt hätten, dass sowohl das Flurstück 291/3 als auch das Flurstück 277/22 umfasse. Bei der Auslegung des notariellen Kaufvertrages sei zunächst der Wortlaut der notariellen Kaufvertragsurkunde maßgeblich. Zwar können ggf. auch Umstände, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen herangezogen werden; dies setzte aber voraus, dass der einschlägige, rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der formgerechten Urkunde einen, wenn auch nur unvollkommenen, Ausdruck gefunden habe. Daran fehle es vorliegend. Eine Vereinbarung über den Verkauf des Grundstücks 277/22 finde nicht ansatzweise Erwähnung im Vertrag. Auch eine Falschbezeichnung scheide aus. Bei einer Falschbezeichnung verstünden die Parteien das objektiv Erklärte anders, weil sie tatsächlich etwas anderes vereinbart hätten und – irrtümlich – davon ausgingen, dies auch im Vertrag zum Ausdruck gebracht zu haben.

Bei vorvertraglichen Erklärungen zur Beschaffenheit des Kaufgegenstands, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag finden, liege eine versehentliche Falschbezeichnung nicht vor, es fehle vielmehr an einem entsprechenden Rechtsbindungswillen.

Dass der Grenzverlauf vom Grundstück in der Natur häufig nur ungenau abgebildet werde, setzt der BGH als bekannt voraus. Dies führe in der Regel nicht zu der beiderseitigen Vorstellung, die Grenzeinrichtung bestimme Maß und Größe des zu verkaufenden Grundstücks.

Vorliegend könne allerdings ein Verschulden des Verkäufers bei Vertragsschluss einen Anspruch zum Schadensersatz begründen, wenn die Parteien eine Einigung auf den Mitverkauf des Flurstücks 277/22 getroffen hätten und dann lediglich im Kaufvertrag dies falsch wiedergegeben wurde. Eine solche Einigung war aber von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden. Ein grundsätzlich auf der Grundlage des Klägervortrags in Betracht kommender Anspruch aus culpa in contrahendo sei, wie der BGH ausführt, im Übrigen verjährt.

Fazit

Der BGH stärkt mit dieser Entscheidung die Bedeutung von § 311b Abs. 1 BGB, wonach ein Vertrag über ein Grundstücksverkauf der notariellen Beurkundung bedarf. Weder führt eine fehlerhafte Beschreibung des Grundstücks durch den Verkäufer, noch eine sich in der Natur ergebende Grenzziehung des Grundstücks in aller Regel zu einer Einigung über den zu verkaufenden Gegenstand, wenn dies nicht dem Zuschnitt und Umfang entspreche, wie sich aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster bezüglich des zu verkaufenden Grundstücks ergebe.

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