Asbesthaltige Dachschindeln als Sachmangel?
- Es kann nach den stets zu prüfenden Umständen des Einzelfalls keinen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB darstellen, wenn asbesthaltige Dachschindeln auf dem Mansardendach eines Bestandsgebäudes verbaut sind und weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch Beschaffenheitserwartung eine Asbestfreiheit begründen.
- Von Notaren wiederholt verwendete, nicht von einer Vertragspartei vorgebebene Vertragsklauseln in notariellen Kaufverträgen über mit Bestandsimmobilien bebaute Grundstücke stellen regelmäßig keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar, weil keine Vertragspartei diese Vertragsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt hat.
- Die Versicherung des Verkäufers in einem notariellen Vertrag, dass ihm versteckte Mängel nicht bekannt seien, stellt keine Beschaffenheitsvereinbarung oder Garantie dar. Sie verändert bei einem vereinbarten Gewährleistungsausschluss auch nicht die Darlegungs- und Beweislast für eine Arglist des Verkäufers, die der Käufer trägt.
OLG Hamm, Beschluss vom 04.07.2024; 22 U 26/24
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb von dem Beklagten ein Hausgrundstück. Die Mansardeneindeckung des Objekts war asbesthaltig. Die Klägerin verlangt – auch wegen weiterer Mängel – Schadensersatz vom Verkäufer und behauptet, sie sei über die asbesthaltige Mansardeneindeckung nicht aufgeklärt worden. Der Verkäufer trägt vor, die Klägerin jedenfalls teilweise über den Asbestgehalt aufgeklärt zu haben.
Entscheidung
Das Landgericht Siegen weist die Klage der Käuferin ab. Das OLG Hamm weist die Berufung zurück. Das OLG Hamm führt aus, dass in Bezug auf asbesthaltige Dachschindeln kein offenbarungspflichtiger Mangel vorliege. Von diesen Schindeln gehe nur eine abstrakte Gefahr aus. Bei einem älteren Haus gehe die Beschaffenheitserwartung nicht dahin, dass die Dacheindeckung unter keinen Umständen asbestbelastet sei. Auch ein mit asbesthaltigen Dachschindeln gedecktes Haus sei für die gewöhnliche Verwendung als Wohnhaus geeignet. Auch wenn Asbest ein abstraktes Gefährdungspotential aufweise, sei entscheidend, ob die ernsthafte Gefahr bestehe, dass im Rahmen der üblichen Nutzung Asbest austreten könne. Bei der hier gegebenen Mansardeneindeckung bestehe eine solche Gefahr jedoch nicht. Das Mansardendach sei nur mit einem Gerüst oder Hubwagen sichtbar zu erreichen, sodass Heimwerker oder Laien üblicherweise eine Umgestaltung oder Renovierung nicht vornehmen könnten, sondern nur Betriebe des Fachhandwerks, die auch mit dem Umgang gefährlicher Baustoffe vertraut seien.
Aber selbst dann, wenn ein Sachmangel in Bezug auf die asbesthaltigen Dachschindeln unterstellt werde, greife vorliegend der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss. Dabei könne unterstellt werden, dass der beurkundende Notar die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen verwende und nicht der Beklagte selbst die Klausel gestellt habe. Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die von einem neutralen Dritten – wie von einem Notar – formuliert werden, kann eine Zurechnung zu Lasten einer der Vertragsparteien entfallen.
Selbst wenn vorliegend ein aufklärungsbedürftiger Mangel unterstellt werden könnte, hat vorliegend die beweisbelastete Klägerin nicht bewiesen, dass der Beklagte sie nicht aufgeklärt habe.
Fazit
Fragen der Asbestbelastung von Häusern stellen sich, wenn es um den Erhalt und die Weiternutzung von älteren Gebäuden geht. Dabei gilt, dass Baustoffe, die bei Errichtung eines Wohnhauses gebräuchlich waren, später dann aber als gesundheitsschädlich erkannt werden, einen Mangel der Kaufsache begründen können, wenn die Gefahr besteht, dass die gesundheitsgefährdenden Stoffe im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts austreten können. Es wird deshalb u. A. immer darauf ankommen, wie hoch der Asbestanteil ist und ob Gesundheitsgefahren im Rahmen der üblichen Nutzung eintreten können. Soweit es sich mithin nicht um übliche Umgestaltungen, Renovierungen oder Umbaumaßnahmen handelt, die üblicherweise nicht von Laien oder Heimwerkern, sondern von dem mit dem Umgang gefährlicher Stoffe vertrauten Betrieben des Fachhandwerks vorgenommen werden, geht die Beschaffenheitserwartung nicht dahin, dass eine Dacheindeckung in jedem Fall kein Asbest enthalte.