Grundsatzurteil des BGH zur „werdenden WEG“
Die Regelungen zur „werdenden WEG“ gelten bei jedem Ersterwerb vom teilenden Eigentümer, d.h. nicht nur beim Bauträgervertrag.
Keine zeitliche Befristung für den Beitritt zur „werdenden WEG“
In einem brandaktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur „werdenden WEG“ fortgeführt und bisher offene Rechtsfragen geklärt (V ZR 159/19 vom 14.02.2020).
Im entschiedenen Fall ging es um einen Erwerber von Wohneigentum in Berlin. Dieser hatte das Wohneigentum durch notariellen Kaufvertrag erworben, nachdem bereits eine andere Erwerberin als Eigentümerin in ihr Wohnungsgrundbuch eingetragen worden war. Es handelte sich um einen Kauf vom Aufteiler, d.h. es wurden keine Bauleistungen seitens des Verkäufers erbracht.
Der „zweite“ Erwerber wurde nach Übergabe des Wohnungseigentums und Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten zu Eigentümerversammlungen eingeladen und stimmte dort auch ab. In einer Versammlung vom November 2017 wurde er dann aber auf einmal von der Verwaltung des Saales verwiesen, da er noch nicht im Grundbuch eingetragen und deshalb nicht stimmberechtigt sei.
Eine andere Eigentümerin focht später einen auf dieser Versammlung gefassten Beschluss betreffend die Entlastung der Verwaltung an.
Das Landgericht Berlin vertrat die Auffassung, dass ein Anfechtungsgrund nicht vorliege, da der Ausschluss des Erwerbers von der Versammlung zu Recht erfolgt sei. Er sei kein werdender Eigentümer gewesen, da sein Kaufvertrag erst abgeschlossen wurde, als die Ersterwerberin bereits als Eigentümerin im Wohnungsgrundbuch eingetragen worden war. Die Rechtsfigur der „werdenden WEG“ bestehe nicht ad infinitum; spätestens wenn eine „richtige“ WEG aus Verkäufer und Ersterwerberin entstanden sei, könne man nicht mehr Mitglied einer „werdenden WEG“ werden.
Tatsächlich hat der BGH bislang nur ausdrücklich entschieden, dass werdender Wohnungseigentümer auch ein Ersterwerber ist, der den Erwerbsvertrag vor der Eintragung des ersten Ersterwerbers in das Grundbuch beschlossen und die gesicherte Rechtsstellung erst danach erlangt hat. Zu der Frage, ob es eine zeitliche Begrenzung für die Anwendung der Grundsätze der werdenden WEG gäbe, hatte er sich aber nicht ausdrücklich geäußert.
Nunmehr entscheiden die Karlsruher Richter, dass eine zeitliche Grenze für den Beitritt zur „werdenden WEG“ nicht besteht. Sie sehen hier eine Regelungslücke, die darin besteht, dass die Regelung des Wohnungseigentumsgesetz dem „Demokratisierungsinteresse“ der Erwerber mit gesicherter Rechtsposition nicht Rechnung tragen. Wegen dieses „Demokratisierungsinteresses“ mache es keinen Unterschied, ob der Ersterwerb während der eigentlichen Vermarktungsphase oder erst längere Zeit nach deren Abschluss erfolgt.
Nach Auffassung des BGH macht es außerdem keinen Unterschied, ob der Ersterwerb von einem Bauträger oder einem anderen Aufteiler erfolgt; die von ihm aufgestellten Grundsätze sind für jeden Erwerb vom Erstaufteiler anwendbar.
Das oberste deutsche Zivilgericht schließt damit im Wesentlichen seine Rechtsprechung zur werdenden WEG nach den bisher vorliegenden Grundsatzentscheidungen vom 05.06.2008 (V ZB 85/07) und 11.05.2012 (V ZR 196/11) ab.
Im Hinblick auf die anstehende WEG-Reform, in der die „werdende Wohnungseigentümergemeinschaft“ im Gesetz geregelt werden und auch eine „Ein-Mann-WEG“ zulässig sein soll, bleibt aber abzuwarten, wie weit dieses Urteil in die Zukunft wirken wird.