Vertragsstrafe wegen Verzug bei der Übergabe der Mietsache
Eine vereinbarte Vertragsstrafe für den Fall, dass der Vermieter bei der Übergabe der Mieträume in Verzug gerät, ist auch ohne zeitliche Obergrenze zulässig. Eine solche Individualvereinbarung unterliegt nicht der AGB-Kontrolle; eine etwaige Unverhältnismäßigkeit gemäß §§ 242, 138 BGB und § 343 BGB muss im Einzelfall geprüft werden.
OLG Bremen, Urteil vom 09.12.2022; 4 U 20/21
Sachverhalt
Die Klägerin ist Mieterin, der Beklagte Vermieter der streitgegenständlichen Gewerberäume. Der Mietvertrag enthält unter anderem folgende Regelung:
„Das Mietverhältnis beginnt grundsätzlich mit der Übergabe am 30.08.2017 (…). Gerät der Vermieter mit der Übergabe der Mietsache in Verzug, ist für jeden Kalendertag eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,00 € verwirkt. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. Die Vertragsstrafe wird auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet.“
Die Übergabe der Gewerberäume erfolgte am 22.11.2017. Die Klägerin fordert für 84 Tage eine Vertragsstrafe von 378.000,00 €. Der Beklagte hält die Vertragsstrafenregelung für sittenwidrig und beantragt hilfsweise die Herabsetzung der Strafhöhe auf einen angemessenen Betrag gemäß § 343 BGB.
Entscheidung
Das Landgericht sowie das Oberlandesgericht Bremen geben der Klage statt. Bei der mietvertraglichen Vertragsstrafenregelung handele es sich um eine Individualvereinbarung, die nicht unter die strenge AGB-Kontrolle der §§ 307 ff. BGB falle. Der Umstand, dass eine zeitliche Obergrenze für die Anzahl der Tagessätze nicht vereinbart wurde, führe auch nicht zu einer Unwirksamkeit der Klausel. Dies sei laut BGH selbst dann der Fall, wenn die Vertragsstrafe im Rahmen von AGBs vereinbart worden wäre.
Die Vertragsstrafenhöhe sei zudem angemessen und nicht nach §§ 242, 138 BGB sittenwidrig. Demnach stünde der Betrag in Höhe von 4.500,00 € pro Tag nicht außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes. Die Vertragsstrafe könne ihren Zweck als Druckmittel gegenüber dem sich im Verzug befindlichen Schuldner nur dann erfüllen, wenn sie eine spürbare Höhe habe. Dass die Vertragsstrafe dabei die vereinbarte Miete übersteigt, sei nicht zu beanstanden. Als pauschalierter Schadensersatz solle sie vielmehr den potentiellen Schaden abbilden, der für die Klägerin im Fall der verspäteten Übergabe entsteht. Ob es tatsächlich zu einem Schaden kommt, sei dabei unbeachtlich. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB scheide aus ähnlichen Gründen aus. Der Gesamtbetrag von 378.000,00 € stünde insbesondere nicht außer Verhältnis zur Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung, zum Grad des Verschuldens und der wirtschaftlichen Lage des Beklagten.
Fazit
Die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe unterliegt grundsätzlich der freien Entscheidung der Vertragsparteien und beruht auf dem Grundsatz der Vertragsautonomie, die im Privatrecht einen hohen Stellenwert innehat. Entsprechend müssen erhebliche Gründe vorliegen, um die vereinbarte Vertragsstrafe als unvertretbar einzustufen und als Folge die Vertragsparteien in ihrem Dispositionsrecht zu beschränken. Maßgebend ist in aller Regel, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können.