Unmöglichkeit der Beherbergung bei Beherbergungsverbot zu touristischen Zwecken als Schutzmaßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514).
BGH, Urteil vom 24.01.2024; XII ZR 123/22
Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung für von ihm bei der Beklagten gebuchte Hotelzimmer. Er buchte für seine Saisoneröffnungsfahrten vom 19. bis zum 22. März 2020 und vom 26. bis zum 29.03.2020 in einem Hotel der Beklagten Übernachtungen einschließlich Frühstücksbuffet, Mittagessen, Kaffeetafel und Abendessen mit kalten und warmen Speisen. Die vom Kläger unterzeichnete Reservierungsbestätigung der Beklagten vom 25. Oktober 2019 enthielt unter anderem folgende Stornierungsbedingungen: „(…), ab 1 Woche berechnen wir 80 % auf die gebuchten Leistungen. (…) Stornierungen am Anreisetag oder Nichtanreisen werden mit 90 % berechnet.“ Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Buchungsumfangs stellte die Beklagte dem Kläger unter dem 26.02.2020 eine Depositrechnung in Höhe von insgesamt 10.356,00 €, auf die der Kläger am 04. und 05.03.2020 vereinbarungsgemäß 8.426,40 € als Vorauszahlung überwies. Aufgrund der beginnenden COVID-19-Pandemie war es Betreibern von Hotels „ab sofort“ untersagt, „Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen“. Auf E-Mail-Aufforderungen des Klägers zur Rückzahlung seiner Vorauszahlung teilte die Beklagte diesem mit E-Mails vom 22.05.2020 bzw. 30.07.2020 mit, dass man den Vorgang an die Buchhaltung zur Rückzahlung weitergeleitet habe. Eine Zahlung erfolgte nicht. Das Landgericht hatte die Beklagte zur Zahlung verurteilt, die Berufung der Beklagten hatte das OLG zurückgewiesen.
Entscheidung
Der BGH weist die Revision zurück. Zutreffend habe das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB von der Beklagten die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung – über den bereits von ihr anerkannten Betrag hinaus – verlangen kann. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfalle der Anspruch auf die Gegenleistung, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Ist die nicht geschuldete Gegenleistung bereits bewirkt, könne der Schuldner diese gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach den Vorschriften der §§ 346 bis 348 BGB zurückfordern. Diese Voraussetzungen für das Rückforderungsrecht aus § 326 Abs. 4 BGB seien vorliegend erfüllt. Gemäß § 275 Abs. 1 BGB sei der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit sei gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. Wegen der Corona-Untersagungsverfügungen sei es der Beklagten rechtlich unmöglich gewesen, dem Kläger die gebuchten Hotelzimmer in den beiden Buchungszeiträumen zu überlassen und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Der Vertrag sei auch nicht wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB anzupassen. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände komme grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheide eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Denn Gegenstand des § 313 Abs. 1 BGB ist die durch die Veränderung der Geschäftsgrundlage ausgelöste Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Eine Anpassung des Vertragsinhalts sei aber nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Regelungen, wie im vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 BGB, die wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind.
Fazit
Eine weitere Entscheidung, die mietrechtliche Fragestellungen rund um die Corona-Pandemie erörtert und aufarbeitet. Der BGH stellt klar, dass im Falle der Unmöglichkeit einer Leistung eine Vertragsanpassung nach den Regelungen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt, da der Anwendungsbereich bereits nicht eröffnet sei.