Kündigung wegen Schriftformverstoßes
I.
Bei einer Vermietung „vom Reißbrett“ ist der Mietgegenstand zwar besonders genau zu beschreiben, weil die tatsächliche Ausgestaltung der Räume in diesem Fall bei der Auslegung des Mietgegenstandes nicht herangezogen werden kann. Hat ein Mieter aber das gesamte Gebäude/Grundstück angemietet, ist sogar das Fehlen eines Lageplans sowie der Baubeschreibung, in dem der Mietgegenstand beschrieben wird, für die Wahrung der Schriftform regelmäßig unerheblich, sodass es auf das Fehlen der exakten vermieteten Quadratmeterzahl nicht ankommen kann.
OLG Frankfurt, Urteil vom 15.06.2022 12 U 86/21
Sachverhalt
Das Mietverhältnis wurde durch den Vermieter unter Berufung auf Schriftformmängel gekündigt. Der Mieter begehrt die Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses. Als Schriftformverstoß wird unter anderem die fehlende Beifügung von Bau- und Lageplänen des Mietobjektes gerügt. In Ziffer 2 des Mietvertrages war der Vertragsgenstand wie folgt definiert: „Der Vermieter wird auf den vorbezeichneten Grundstücken nach Angaben der Mieterin und auf der Grundlage der diesem Vertrag als Anlage 3 beigefügten Baubeschreibung einen SB-Markt für Lebensmittel und Non-food-Artikel einschließlich der Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 2000 qm errichten und an die Mieterin vermieten.“
Entscheidung
Das OLG weist die Berufung gegen die erfolgreiche Feststellungsklage des Mieters zurück. Zwar sei bei einer Vermietung vom Reißbrett der Mietgegenstand grundsätzlich genau zu beschreiben, weil die tatsächliche Ausgestaltung der Räume in diesem Fall bei der Auslegung des Mietgegenstandes nicht herangezogen werden könne. Bei der Anmietung des gesamten Gebäudes/Grundstück ist aber das Fehlen eines Lageplans sowie die der Baubeschreibung für die Bestimmbarkeit des Mietgegenstandes unerheblich.
Fazit
Das OLG stellt darauf ab, dass das insgesamt angemietete Gebäude/Grundstück mit genauer Angabe der Adresse, der Größe und der Flurstücke hinreichend identifizierbar ist.
II.
Durch die aus der Urkunde ersichtliche Einräumung eines Umbaurechts ist ein potentieller Erwerber hinreichend vor erfolgten Umbaumaßnahmen gewarnt, sodass es ihm zuzumuten ist, sich ggf. beim Verkäufer oder beim Mieter zu erkundigen.
Sachverhalt
Der Vermieter rügt als weiteren Schriftformverstoß, dass gegenüber der Baubeschreibung als Anlage zum Mietvertrag nachträgliche Veränderungen durch den Mieter erfolgt seien, die zwar nach der dritten Nachtragsvereinbarung zulässig, aber mangels eines beigefügten Bauplans als Anlage zu der Nachtragsvereinbarung nicht mehr schriftformkonform seien. Der Mietvertrag räumt unter Ziffer 18 dem Mieter die Berechtigung für Umbauten ein.
Entscheidung
Das OLG verneint auch hier einen Schriftformverstoß. Mit der Einräumung eines Umbaurechtes in Ziffer 18 des Mietvertrages seien potentielle Erwerber hinreichend vor erfolgten Umbaumaßnahmen gewarnt. Dem Erwerber sei es zumutbar, dazu eigene Erkundigungen einzuholen und nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des BGH zu aus dem Mietvertrag ersichtlichen Verlängerungsoptionen, eine Vereinbarung des Mietbeginns mit Übergabe oder eine Vereinbarung zum Mieterwechsel.
Fazit
Mit der zunehmenden Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Schriftformverstößen soll es zur Wahrung der Schriftform ausreichen, dass die maßgeblichen Umstände aus dem schriftlichen Vertrag/Nachtrag ersichtlich sind, sodass ein potentieller Erwerber die Umstände ersehen und erforderlichenfalls nachfragen kann. Der BGH hat dies auch bereits für das Anpassungsrecht bei Betriebskostenvorauszahlungen oder Mieterhöhungen entschieden, die ihre Grundlage in der ursprünglichen Mietvertragsurkunde oder Nachträgen gefunden haben.
III.
Die Regelungen in einem Mietvertrag, wonach das Mietverhältnis mit der künftigen Übergabe der Mietsache beginnt, steht der Wahrung der Schriftform nicht entgegen.
Sachverhalt
Der Mietvertrag enthält die Regelung, dass das Mietverhältnis mit der Übergabe beginnt. Als Übergabetag war handschriftlich und paraphiert von den Parteien der 31.10.2004 genannt. Die Mietzeit begann nach dem Mietvertrag ab dem ersten Kalendertag des Monats, der auf die gebrauchsfertige Übergabe folgt. Zudem sollte nach dem Mietvertrag ein Übergabeprotokoll zwecks Mängelbeseitigung erstellt werden. Die tatsächliche Übergabe erfolgte bereits am 28.10.2004. Ein Übergabeprotokoll wurde nicht erstellt. Der Vermieter wendet als Schriftformverstoß ein, dass aus dem Mietvertrag nicht ersichtlich sei, ob das Objekt am Tag der handschriftlich vermerkten geplanten Übergabe gebrauchsfertig gewesen sei und es daher einer Erstellung eines Übergabeprotokolls bedurfte. Zudem war die Erstellung des Protokolls vertraglich vereinbart.
Entscheidung
Das OLG verneint einen Schriftformverstoß. Der Mietvertrag enthalte einen konkreten Übergabetermin. Dass die Übergabe drei Tage vorher erfolgt sei, sei unschädlich, weil die Mietzeit nach dem Mietvertrag am ersten Kalendertag des nachfolgenden Monats begann und sich durch die frühere Übergabe keine Änderung ergibt. Die Parteien hätten sich auf das Übergabedatum als die Vertragsfrist auslösendes Ereignis im Mietvertrag geeinigt. Damit kann aus den außerhalb der Urkunde liegenden Umständen des Übergabetages die Vertragsfrist bestimmt werden (z.B. durch den Überweisungsbeleg zur Mietzahlung). Die unterbliebene Übergabeprotokollierung sei unschädlich, da in das Übergabeprotokoll nach dem Mietvertrag keine der Parteien getroffenen Vereinbarungen ausgelagert werden sollten.
Fazit
Das Fehlen eines entsprechenden Übergabeprotokolles wäre wohl dann relevant gewesen, wenn die Parteien hinsichtlich der Anfertigung dieses Übergabeprotokolles eine Verpflichtung für eine schriftformkonforme Dokumentation der Übergabe durch einen Nachtrag vereinbart hätten. Die Entscheidung des OLG Frankfurt belegt insgesamt eindrucksvoll, wie sehr es für die Prüfung von Schriftformverstößen auf die konkreten Details des Einzelfalls ankommt.