Erkenntnisse zur gesetzlichen Schriftform
- Die Unterzeichnung als Vertreter ohne Vertretungsmacht steht der Wahrung der Schriftform nicht entgegen.
- Für die Wahrung der Schriftform müssen sich nicht alle Einzelheiten des Vertragsverhältnisses unmittelbar aus dem Mietvertrag und Ergänzungsvereinbarungen ergeben. Dem Schutzzweck des § 550 BGB genügt es, wenn der potentielle Erwerber aus den Mietvertragsunterlagen ersehen kann, in welche langfristigen Vereinbarungen er ggfs. eintritt.
- Ein Mietvertrag entspricht der Schriftform, wenn er die Quadratmeter-Miete enthält und regelt, dass zunächst 190 m² als Mietfläche angenommen werden, dies später aber noch genau ermittelt wird.
- Vereinbarungen, die nach dem Willen der Vertragspartei nur unwesentliche Punkte betreffen, oder Vereinbarungen, die einen Grundstückserwerber nicht (mehr) binden, sind ausnahmsweise nicht schriftformbedürftig. Dies erfasst Vereinbarungen, soweit sie einen Erwerber nach Eintritt in die Vermieterstellung nicht treffen, etwa weil sie durch Erfüllung oder Zeitablauf bereits erledigt sind.
- Eine Vereinbarung, durch die ein Vormietrecht begründet wird, unterliegt dem Schriftformgebot, wenn sie lediglich (unselbständiger) Teil eines Mietvertrages ist, der seinerseits formbedürftig gemäß § 550 Satz 1 BGB ist.
OLG Hamm, Urteil vom 14.06.2024; 30 U 99/22
Sachverhalt
Die Parteien streiten über den Bestand eines Mietvertrages zum Betrieb einer Zahnarztpraxis und über das Bestehen eines Mietverhältnisses über eine daran angrenzende Raumeinheit in demselben Mietobjekt, nachdem der beklagte Mieter, bezogen auf diese Räume, ein Vormietrecht geltend gemacht hat. Auch die Regelung zu einem Vorkaufsrecht ist im Mietvertrag enthalten. Dort heißt es:
„Der Vermieter räumt dem Mieter für die ersten zwei Verkaufsfälle für sein in § 1 genanntes Grundstück ein dingliches Vorkaufsrecht für die Räumlichkeiten des Mieters/eventuell das Gesamtobjekt ein. Dieses Recht kann der Mieter eintragen lassen. Die daraus entstehenden Kosten (Notar, Gericht) sind vom Mieter zu tragen.“
§ 28 des Mietvertrags enthält eine salvatorische Klausel. Der Vermieter beruft sich auf Formnichtigkeit des Mietvertrags.
Mit der Klage wird die Räumung der Zahnarztpraxis sowie die Feststellung begehrt, dass für das Mietobjekt insgesamt keine mietvertraglichen Bindungen mehr bestehen. Der Mieter begehrt im Wege der Widerklage die Einräumung des Besitzes an der angrenzenden Raumeinheit sowie den Abschluss eines hierauf bezogenen schriftlichen Mietvertrages mit fester Laufzeit bezogen auf das Vormietrecht. Zwischen den Parteien besteht ein befristeter Mietvertrag, der am 02.03.2010 mit der Voreigentümerin und dem Mieter abgeschlossen worden ist. Für die Vermieterseite wurde der Vertrag durch den für die Vorvermieterin handelnden Herrn X unterzeichnet. Hinsichtlich der Mietfläche ist geregelt:
„Die für die Berechnung der monatlichen Miete maßgebliche Mietfläche wird vorerst mit 190 m² vereinbart. Die tatsächliche Mietfläche wird nach dem Umbau der Praxisräume durch ein gemeinsames Aufmaß nach DIN 277 ermittelt. Die sich daraus ergebende Fläche ist die zukünftige Basis für die Berechnung der monatlichen Miete. Die Gesamtfläche wird jedoch 190 m² nicht überschreiten.“
Die Vorvermieterin wandte sich mit Schreiben vom 10.12.2010 an den Mieter und teilte mit, dass die Flächenberechnung für seine Praxis nochmals überprüft worden sei und sich dabei ergeben habe, dass die Praxisfläche nun 184,51 m² betrage. Auf der Grundlage dieser Fläche übermittelt sie eine Dauermietrechnung für die Kaltmiete in Höhe von 1.568,34 € (184,51 € x 8,50 €). Mit Schreiben vom 16.03.2017 übersandte die Hausverwaltung dem Beklagten eine neue Dauerkostenrechnung in Höhe der von ihm bereits zuvor gezahlten Miete. Mit zwei Schreiben vom 24.07.2010 übte der Beklagte sein Optionsrecht zur Verlängerung des Mietvertrages um weitere 5 Jahre aus. Die Hausverwaltung bestätigte ihm daraufhin schriftlich, dass das Mietverhältnis durch die Option bis zum 30.04.2025 verlängert sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2020 wurde das Mietverhältnis unter Berufung auf Schriftformverstöße ordentlich gekündigt. Das Landgericht weist die Klage ab und gibt der Widerklage statt.
Entscheidung
Das OLG Hamm bestätigt die Abweisung der Räumungsklage und hält den widerklagend geltend gemachten Feststellungantrag teilweise für begründet. Im Einzelnen:
Die Frage, ob die Vertretungsmacht besteht, betrifft nicht die Schriftform, sondern den Vertragsabschluss. Die Vorlage einer etwaigen Vollmachtsurkunde ist zur Wahrung der Schriftform des Mietvertrages nicht erforderlich.
Die vereinbarte Miete war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhand der §§ 4 und 2 des Mietvertrages berechenbar, in dem die monatliche Miete mit 8,50 €/m² vereinbart war und für die Berechnung der Miete vorerst eine Mietfläche von 190 m² angenommen wurde. Zugleich war durch die Regelung in § 2 des Mietvertrages bereits vereinbart, dass maßgeblich für die zukünftige Miete die tatsächliche, nach Umbau noch zu vermessende Mietfläche sein solle. Mit der dem Schreiben beigefügten korrigierten Berechnung wurde zudem lediglich die von vornherein vorgesehene Flächenberechnung übermittelt, um die genaue Miethöhe zu konkretisieren. Das Schreiben beinhaltet insofern auch keine Änderung einer Vereinbarung, sondern allein die Information über das Ergebnis der Ermittlung einer bereits zuvor schriftformkonform als Parameter für die Miethöhe bestimmten Messgröße.
Die Berufung auf die Formnichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 311 b Abs. 1 BGB i.V.m. § 125 S. 1 BGB lehnt das OLG ab. Zwar bedarf danach ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben der notariellen Beurkundung; der damit angeordnete Formzwang gilt auch für die Bestellung sowohl für das persönliche wie für das dingliche Vorkaufsrecht. Der Vermieter kann sich auf diesen Verstoß allerdings nicht berufen, weil hier die Arglisteneinrede gemäß § 242 BGB entgegensteht. Eine Partei kann sich nicht unter Berufung auf § 149 BGB von ihren Vertragspflichten insgesamt befreien, wenn die den anderen Teil begünstigenden Vertragsbestimmungen unwirksam sind und dieser dennoch am Vertrag festhalten will. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das dem Mieter eingeräumte Vorkaufsrecht stellt eine allein diesen begünstigende Regelung dar und der Mieter will gleichwohl am Mietvertrag festhalten. Nach Auffassung des Senats hat der Mieter allerdings sein Vormietrecht nicht rechtswirksam ausgeübt. Die Ausübung des Vormietrechts setzt voraus, dass der Berechtigte sich ohne Vorbehalte zur Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem Erstvertrag bereit erklärt. Es liegt daher keine wirksame Ausübung vor, wenn der Berechtigte einzelne Vertragsbedingungen ablehnt oder die Änderung des Mietvertrages verlangt. In dem hier zu Grunde gelegten Mietvertrag erklärte der Mieter, dass zwischen ihm und dem Vermieter nunmehr ein Mietvertrag „grundsätzlich zu den im Mietvertrag mit der Rechtsanwaltskanzlei genannten Bedingungen zustande gekommen sei, abweichend vom Referenzmietvertrag gelte aber, dass der Mietvertrag nicht unbefristet zustande komme. Zudem seien der in dem Referenzvertrag geregelte Vermietungszweck und der Konkurrenzschutz auf den Betrieb des Mieters anzupassen.“
Fazit
Einen Anspruch aus der Vormiet-Vereinbarung auf schriftliche Fixierung des Vertrages mit dem Vormiet-Verpflichteten hat der Berechtigte nur dann, wenn der durch die Ausübungserklärung zustande gekommene Vertrag nach Maßgabe der §§ 550, 578 BGB der Schriftform bedarf, so schon BGH, Urteil vom 02.12.1970, VIII Z 77/69. Dies war vorliegend nicht der Fall, da der Dritt-Mietvertrag zeitlich unbefristet war.
Mit dem vom Bundestag beschlossenen 4. Bürokratie-Entlastungsgesetz vom 23.10.2024 ist das gesetzliche Schriftformgebot für Gewerberaummietverhältnisse ab dem 01.01.2025 durch die sog. Textform ersetzt. Für Gewerberaummietverträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden, bleibt das bisherige Schriftformerfordernis noch für 12 Monate nach Inkrafttreten anwendbar. Für Änderungen an solchen bestehenden Mietverhältnissen sowie für den Abschluss neuer Mietvertragsverhältnisse nach Inkrafttreten genügt zukünftig die Textform.