Gewerberaummietrecht

Ausschluss einer auf Formunwirksamkeit gestützten Kündigung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben wegen befürchteter Insolvenz

Die Kündigung eines Gewerberaummietverhältnisses aufgrund eines Schriftformmangels ist auch dann nicht treuwidrig, wenn im Fall der Räumung die Insolvenz des Mieters zu erwarten ist und der Schriftformverstoß nur einen Teil der Nebenkostenabreden in dem Mietverhältnis betrifft.

KG Berlin, Urteil vom 07.11.2022; 8 U 157/21

Sachverhalt

Der Vermieter von Gewerberäumen nimmt den Mieter auf Herausgabe der Mietsache in Anspruch, nachdem das Mietverhältnis wegen eines Schriftformmangels gekündigt wurde. Das Mietverhältnis begann 1995 und wurde mit mehreren Nachtragsvereinbarungen modifiziert und die Mietzeit jeweils verlängert, zuletzt bis zum 31.03.2022. Der Vermieter hat das Mietverhältnis in 2021 vorzeitig gekündigt und die Berechtigung zur Beendigung des Mietverhältnisses auf einen Schriftformmangel gestützt, da die insgesamt neun Nachträge zu dem Mietvertrag nicht vollen Umfangs der gesetzlichen Schriftform genügt haben sollen. Der Mieter machte im Wege der Klage Ansprüche gegen die in das Mietverhältnis eingetretene Erwerberin des Grundstückes geltend, die Erwerberin erhob die Widerklage und begehrte die Feststellung, dass das Mietverhältnis aufgrund der Schriftformkündigung vorzeitig zum 31.12.2021 beendet worden ist.

Entscheidung

Das Kammergericht hat in der Berufungsinstanz die mieterseitig geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen und auf die Widerklage des Vermieters festgestellt, dass das Mietverhältnis aufgrund des Schriftformmangels vorzeitig beendet wurde.

Der Berufungssenat stellt fest, dass in den Nachträgen zu dem Mietvertrag dem gesetzlichen Schriftformerfordernis nicht vollen Umfangs genügt wurde, da eine wesentliche Vertragsänderung bezüglich eines Teils der Betriebskosten nicht hinreichend dokumentiert wurde. Wird ein Mietverhältnis für eine Dauer von mehr als einem Jahr abgeschlossen, müssen die mietvertraglichen Bestimmungen in der Vertragsurkunde vollständig erfasst werden; diese Urkunde ist sodann durch die Vertragsparteien eigenhändig zu unterzeichnen. Unterbleibt die Erstellung des Mietvertrages in gesetzlicher Schriftform, ist das Mietverhältnis für beide Seiten kündbar, § 550 BGB.

Der durch Erwerb des Grundstückes in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter machte zunächst geltend, dass bereits die Bezeichnung der Mieträume in der Vertragsurkunde nicht hinreichend konkret erfolgt sei. Der Berufungssenat folgt dieser Auffassung des Vermieters nicht, da die Belegenheit der Räume noch durch Auslegung der Nachtragsvereinbarungen ermittelt werden könne. Gleichwohl hält der Senat die Schriftformkündigung des Erwerbers für durchgreifend, da im Verlauf des Mietverhältnisses eine Änderung der Nebenkostenvereinbarung erfolgte, ohne dass die Vertragsparteien hierzu einen der Schriftform genügenden Nachtrag gefertigt haben. So war zunächst in dem Mietverhältnis vereinbart, dass der Mieter den Winterdienst selbst vornimmt; im Verlauf des Mietverhältnisses wurde – ohne schriftformgemäßen Nachtrag – vereinbart, dass die Winterdienstleistungen vermieterseitig vergeben werden und der Mieter eine jährliche Kostenpauschale in Höhe von  1.900,00 € leistet. Die Einführung einer solchen zusätzlichen Nebenkostenpauschale stelle eine wesentliche Vertragsänderung dar, die mithin in gesetzlicher Schriftform hätte beurkundet werden müssen. Die formlose vertragsändernde Regelung berechtigte daher den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses.

Der Mieter machte geltend, dass er für den Fall der Verpflichtung zur Herausgabe der Mietsache konkret insolvenzbedroht sei. Es läge eine konkrete Existenzgefährdung des Mieters vor, da die Aufwendungen einer Betriebsverlagerung nicht bewältigt werden können und es zu einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Mieters kommen werde. Der Berufungssenat folgt diesem Einwand nicht und legt der Entscheidung zugrunde, dass es nicht treuwidrig sei, sich auf einen Formmangel des Mietvertrages zu berufen, auch wenn der Mieter mit der Durchsetzung des Räumungsanspruches insolvenzbedroht sei. Die Wahl der Unternehmensform und die Kapitalausstattung der juristischen Person des Mieters sei ausschließlich Sache des Mieters; es dürfe nicht eröffnet werden, dass der Mieter den Herausgabeanspruch des Vermieters durch unternehmerische Kapitalmaßnahmen unterläuft. Die mit einer etwaigen Betriebsverlagerung und -unterbrechung verbundenen wirtschaftlichen Risiken sind Sache des Mieters. Das Kammergericht stellt insoweit klar, dass der Schutz vor einer Existenzvernichtung durch Schriftformkündigungen grundsätzlich nur natürlichen Personen zu gewähren ist und auch nur dann, wenn die Geltendmachung eines Schriftformmangels nach Treu und Glauben zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Dies könne bei der hier betroffenen GmbH, die im Verlauf des Rechtsstreits den Ankauf des Mietobjektes angeboten hatte, nicht festgestellt werden.

Fazit

Die Entscheidung zeigt ein weiteres Mal auf, dass vermeintlich kleinere Änderungen in Gewerberaummietverhältnissen erhebliche Konsequenzen haben können. Hier scheiterte das Mietverhältnis an einer im Vergleich zur Gesamtmiete eher geringfügigen Vereinbarung einer Nebenkostenpauschale für Winterdienstleistungen anstelle der eigenen Vornahme der Arbeiten durch den Mieter. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die Zahlungspflichten betreffenden Vereinbarungen stets wesentlich im Sinne der gesetzlichen Schriftformvorgaben sind und damit auch nur betragsmäßig verhältnismäßig geringe Änderungen stets der Vereinbarung eines schriftlichen Nachtrages zu dem Mietvertrag bedürfen.

Ist den Vertragsparteien ein Schriftformmangel unterlaufen, besteht eine einseitige Möglichkeit zur Heilung des Schriftformmangels nicht, vielmehr kann jede Vertragspartei sich auf den Schriftformmangel berufen und das Mietverhältnis durch Kündigung beenden. Die üblichen Schriftformerhaltungsklauseln bleiben in der Regel unwirksam und das Argument der Treuwidrigkeit des Berufens auf den Schriftformmangel greift regelmäßig nicht durch. Der Schutz aus § 242 BGB bleibt nur einem sehr engen Anwendungsbereich vorbehalten. Der Umstand, dass es hier den Mieter hart trifft, rechtfertigt den Einwand aus Treu und Glauben nicht.

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