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Flächenabweichungen und ihre Folgen

Wohnraummiete

Flächenabweichungen spielen nicht nur in der höchst richterlichen Rechtsprechung, sondern vor allem in der alltäglichen Vermietungspraxis eine große Rolle. Ob es sich um die korrekte Abrechnung der Betriebs- und Heizkosten, um Mieterhöhungen, Rückforderungsansprüche bzw. Minderungsrechte des Mieters oder sogar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung handelt, der BGH bleibt seiner gefestigten Rechtsprechung treu: Danach liegt ein Mangel der Mietsache iSd § 536 I 1 BGB regelmäßig dann vor, wenn die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung eingeschränkt ist, bedarf es nicht (BGH v. 24.3.2004, VIII ZR 295/03).
Diese Rechtsprechung zieht sich wie ein roter Faden durch die Entscheidungen des BGH, und zwar sowohl zur Wohnraum- als auch zur Gewerberaummiete.

  1. Wohnfläche und Gewährleistungsrechte

Mit der Festlegung der Wesentlichkeitsgrenze auf 10% steht zwar zum einen fest, dass geringere Abweichungen eine unerhebliche Minderung in der Tauglichkeit darstellen (ausgenommen dann, wenn ein Quadratmetermietzins vereinbart ist); Andererseits sind jedoch größere Differenzen stets als erheblich anzusehen.
Auch bei einem vermieteten Einfamilienhaus mit Garten verneint der BGH ausdrücklich eine Anhebung der 10%-Grenze (BGH vom 28.10.2009, VIII ZR 164/08) und betont, dass die Erheblichkeitsgrenze im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit stets bei 10% anzusetzen ist. Eine zusätzliche Toleranzschwelle liefe diesem Interesse zuwider und sei auch bei einem vermieteten Einfamilienhaus sachlich nicht zu rechtfertigen.
Wird die Toleranzgrenze von 10% überschritten, so wird die Minderung in vollem Umfang prozentual nach der Minderfläche berechnet, also ohne Berücksichtigung einer Toleranzfläche. Bemessungsgrundlage ist auch hier die Bruttomiete.
Darüber hinaus bejaht der BGH ein Recht des Mieters zur fristlosen Kündigungdes Mietverhältnisses wegen Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs (BGH vom 29.4.2009, VIII ZR 142/08). Ausdrücklich stellt der BGH klar, dass die fristlose Kündigung nicht erfordert, dass der Mieter darlegt, warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar sei. Für die Wirksamkeit der Kündigung genüge es vielmehr, wenn einer der in § 543 II 1 Nr. 1-3 BGB aufgeführten Tatbestände vorliege.

2. Wohnfläche und Betriebskostenabrechnung

Bereits unter dem 31.10.2007 (VIII ZR 261/06) haben die Karlsruher Richter für die Erstellung einer Betriebskostenabrechnung ihre Rechtsprechung zur Wohnfläche konsequent fortgeschrieben: Weicht demnach die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche von der tatsächlichen Wohnfläche ab, so ist bei der Abrechnung von Betriebskosten die vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die Abweichung nicht mehr als 10 % beträgt.
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es u.a. um die Anrechnung eines Balkons mit 5,7 qm Grundfläche auf die Wohnfläche, wobei im Mietvertrag eine Wohnfläche von insgesamt 94,6 qm angegeben war. Der Mieter begehrte statt der erfolgten hälftigen Anrechnung eine Anrechnung von nur 1/4 der Grundfläche auf die Wohnfläche. Hierzu führt der BGH in seinen Entscheidungsgründen Folgendes aus:

„Auf eine Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlichen Wohnfläche kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht an, wenn die Abweichung unerheblich ist, d.h. nicht mehr als 10 % beträgt (…). Für die Abrechnung der Betriebskosten gilt nichts anderes.“

Fazit:
Auch bei Betriebskostenabrechnungen ist grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Wohnfläche anzusetzen, es sei denn, diese weicht um mehr als +/- 10 % von der tatsächlichen Wohnfläche ab. Dann tritt die tatsächliche Wohnfläche an die Stelle der vertraglich vereinbarten.

3. Wohnfläche und Mieterhöhungsverlangen
Gemäß § 558 BGB kann der Vermieter vom Mieter unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Maßgebend hierfür ist insbesondere die Größe der Wohnung, § 558 Abs. 2 S. 1 BGB. In einem vom Landgericht Berlin dem Bundesgerichtshof vorgelegten Fall ist die 10 %-Grenze nun auch auf das Miethöherecht übertragen worden.
In dem zunächst im Jahr 2007 vom VIII. Zivilsenat entschiedenen Fall war die Wohnfläche im Mietvertrag mit 121,49 qm angegeben, tatsächlich betrug sie 131,80 qm, also etwa 8,5% mehr. Der Vermieter erbat auf der Grundlage der tatsächlichen Wohnungsgröße die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete von € 494,24 auf € 521,80, was die Mieterin ablehnte, dies u.a. mit dem Argument, dass es auf die im Mietvertrag angegebene Wohnungsgröße ankomme.
Der Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Angabe der Wohnfläche von 121,49 qm im Mietvertrag keine unverbindliche Objektbeschreibung, sondern eine rechtsverbindliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der Wohnung darstelle. Die davon abweichende tatsächliche Wohnungsgröße sei jedenfalls dann nicht maßgebend, wenn die Wohnflächenabweichung nicht mehr als 10 % betrage.

Diese Rechtsprechung hatte der Bundesgerichtshof bereits auch für den umgekehrten Fall eines Mieterhöhungsverlangens, bei dem die tatsächliche Wohnfläche geringer war als im Mietvertrag angegeben, entschieden (BGH vom 07.07.2004, VIII ZR 192/03). Danach gilt für den Fall der Unterschreitung der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 %, dass dann die tatsächliche Wohnfläche für das Mieterhöhungsbegehren maßgeblich ist.

Begründet wird dies durch den Bundesgerichtshof damit, dass die zuverlässige Ermittlung der Wohnfläche eine Angelegenheit des Vermieters sei, so dass grundsätzlich ihn das Risiko einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag treffe und er deshalb auch die sich daraus ergebenden Folgen zu tragen habe. Ein unbefristetes Mietverhältnis über Wohnraum weise jedoch gegenüber anderen unbefristeten Dauerschuldverhältnissen die Besonderheit auf, dass der Vermieter nach Aufdeckung seines Kalkulationsirrtums nicht aus diesem Grund berechtigt ist, sich aus einem für ihn wirtschaftlich unzumutbaren Wohnraummietvertrag durch eine Kündigung zu lösen. Er bleibe an den Vertrag gebunden, bis das Vertragsverhältnis aus einem anderen Grund beendet wird. Diese Besonderheit des Wohnraummietverhältnisses rechtfertige es, den Vermieter nicht auf Dauer an einer für ihn unzumutbaren vertraglichen Vereinbarung über die Wohnfläche festzuhalten, sondern bei einer anstehenden Mieterhöhung anstelle der vertraglich vereinbarten nunmehr die tatsächliche Wohnungsgröße zugrunde zu legen. Es bleibe dann dem Mieter überlassen, ob dieser sich die – entsprechend ihrer tatsächlichen Größe – teurere Wohnung leisten könne und wolle oder ob er seinerseits von dem nur ihm zustehenden Recht, das Mietverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen ordentlich zu kündigen, Gebrauch mache.

Fazit:
Auch bei Mieterhöhungen wird vom Bundesgerichtshof die 10 %-Marge konsequent angewendet: Weicht die Wohnfläche um mehr als +/- 10 % von der tatsächlichen Wohnfläche ab, wird auch bei der Mieterhöhung auf die tatsächliche Wohnungsgröße abgestellt.

4. Wohnflächenangaben im Mietvertrag

Der BGH hat in der Vergangenheit bereits mehrfach zu der Frage Stellung genommen, wie eine Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Fläche zu bewerten ist. Danach gelten folgende Grundsätze:

  • Ein Mangel liegt vor, wenn die angemietete Wohnung eine tatsächliche Wohnfläche aufweist, die mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt.
  • Unerheblich dabei ist, ob die Wohnfläche mit dem Zusatz „ca.“ angegeben ist (BGH vom 24.03.2004, VIII ZR 133/03).

Eine gesetzliche Definition und Vorschrift zur Berechnung der Wohnfläche existiert mit der Wohnflächenverordnung (WoFlV) derzeit nur für Wohnraum, dessen Wohnfläche nach dem Wohnraumförderungsgesetz zu ermitteln ist. Für den freifinanzierten bzw. aus der Mietpreis- oder Belegungsbindung entlassenen Wohnraum existieren keine entsprechenden Vorgaben. Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung für die Auslegung des Begriffs der „Wohnfläche“ und ihrer Berechnung mangels feststehenden Inhalts entschieden, dass zunächst eine von den Parteien im Einzelfall abweichende Bedeutung heranzuziehen ist (BGH vom 24.03.2004, VIII ZR 44/03). Diese Auslegung erfolgt jeweils anhand der im Einzelfall im Mietvertrag oder durch Nebenabsprachen getroffenen Vereinbarungen. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein bestimmtes Verständnis der Parteien über den Begriff der Wohnfläche vorliegt, also ob die Flächen, die zur Wohnfläche gehören sollen, definiert und ihre Anrechnung auf die Wohnfläche vereinbart sind. Dies kann mit oder ohne namentlichen Bezug auf eine allgemein bekannte Berechnungsnorm (wie z.B. DIN 283, WoFlV oder II. BV) erfolgen; es kann aber auch – was der BGH ausdrücklich klarstellt – ein „Berechnungsmodus eigener Art“ vereinbart werden.

Fehlt eine dahingehende Regelung im Mietvertrag, welche Flächen zur Wohnfläche gehören sollen und/oder wie diese Flächen auf die Wohnfläche anzurechnen sind, ist der Begriff der Wohnfläche auch bei freifinanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der Bestimmungen für preisgebundenen Wohnraum auszulegen und zu ermitteln. Diese Grundsätze hat der BGH noch einmal in seiner Entscheidung vom 22.04.2009 (VIII ZR 86/08) bestätigt: Danach richtet sich die Ermittlung einer im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche – soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben oder eine andere Berechnungsweise ortsüblich ist – nach den für den preisgebundenen Wohnraum im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages (!) maßgeblichen Bestimmungen.

Wichtig:
Der Vertragszeitpunkt zählt! Vorbehaltlich also einer anderweitigen ausdrücklichen oder indirekten Vereinbarung, respektive einer abweichenden örtlichen Verkehrssitte, ist mithin für Mietverträge, die vor dem 01.01.2004 abgeschlossen sind, auf die Regelungen der §§ 42 bis 44 der II. BV abzustellen. Für Vertragsabschlüsse nach diesem Zeitpunkt gilt die am 01.01.2004 in Kraft getretene Wohnflächenverordnung (WoFlV). Ein abweichender Berechnungsmodus, insbesondere die DIN 283 oder DIN 277, ist nur dann anzuwenden, wenn er von den Parteien vereinbart, ortsüblich oder nach Art der Wohnung naheliegender ist (BGH vom 23.05.2007, VIII ZR 231/06).

Vergleicht man einmal die Auswirkungen der II. BV zur Wohnflächenverordnung, so wird schnell deutlich, dass letztere Einschränkungen in der Berechnung vorsieht. Beispielhaft sei auf die Regelung des § 44 Abs. 2 II. BV zur Anrechnung von Dachterrassen verwiesen. Hier ist Folgendes geregelt:

„Gehören ausschließlich zu dem Wohnraum Balkone, Loggien, Dachgärten oder gedeckte Freisitze, so können deren Grundflächen zur Ermittlung der Wohnfläche bis zur Hälfte angerechnet werden.“

Hingegen sieht § 4 Nr. 4 WoFlV, die seit dem 01.01.2004 in Kraft getreten ist, folgende Regelung vor:

„Die Grundflächen (…) von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen sind in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte (…), anzurechnen.“

Sind hiernach für die Flächenermittlungen die Bestimmungen der II. BV maßgeblich, können die Grundflächen von Balkonen und Terrassen unabhängig von ihrer Lage, Ausrichtung und Nutzbarkeit bis zur Hälfte angerechnet werden (BGH vom 22.04.2009, VIII ZR 86/08); hingegen wird dies nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 2 WoFlV zu verneinen sein, da dort bereits der Regelwert mit ¼ bestimmt ist. Zwar ist die Überschreitung des Regelwertes durch eine ausdrückliche Vereinbarung im Mietvertrag möglich, setzt aber voraus, dass dem Vermieter:

1. die vorbenannte Rechtsprechung bekannt ist,
2. er bei Abschluss des Mietvertrages hieran denkt und,
3. er entsprechend mit dem Mieter eine ausdrückliche Vereinbarung über die Überschreitung des Regelwertes (also 1/2 statt 1/4) im Mietvertrag trifft.

Fazit:
Aus Vermietersicht sollte im Mietvertrag tunlichst auf die Angabe einer bestimmten Wohnfläche verzichtet werden! Besteht der Mieter auf eine Wohnflächenangabe im Mietvertrag, sollte vermieterseits auch der – möglichst zutreffende – Berechnungsmodus angegeben werden, beispielsweise II. BV, DIN 283 oder WoFlV.
Bei Zweifeln über die tatsächliche Wohnfläche und deren Berechnung bleibt ansonsten nur die Einholung eines (teuren) Aufmaßes oder aber die Vereinbarung eines individuellen – möglichst auch optisch hervorzuhebenden – Haftungsausschlusses im Mietvertrag.
Besonders zu achten ist künftig darauf, dass das gesamte Mietobjekt im Mietvertrag genau beschrieben wird, wie beispielsweise „Balkon, Terrasse, Wintergarten, Hobbyraum, Dachgeschoss und Galerie“, um bereits von vornherein eine klare Vereinbarung über sämtliche in die Wohnfläche mit einzubeziehenden Flächen zu regeln.

5. Bedeutung von Zeitungsinseraten etc.

Wird vermieterseits davon abgesehen, im Mietvertrag Angaben zur Wohnfläche zu machen, respektive eine Vereinbarung hierüber zu treffen, ist der Mieter grundsätzlich damit ausgeschlossen, sich auf Zeitungsinserate, Exposés oder anderweitige Bescheinigungen des Vermieters zu berufen, um beispielsweise eine Minderung wegen fehlerhafter Wohnflächenangabe oder sogar eine fristlose Kündigung auszusprechen. Die bisher veröffentlichte Instanzrechtsprechung macht deutlich, dass allein auf die mietvertraglichen Regelungen und die etwaig zwischen den Vertragsparteien getroffene Vereinbarung zur Wohnfläche abzustellen ist.
So hat das Amtsgericht Frankfurt/Main am 05.05.2006 (Az. 33 C 582/06-50) entschieden, dass eine fehlerhafte Wohnflächenangabe im Zeitungsinserat keine Vertragsanfechtung oder Gewährleistungsansprüche des Mieters begründet, wenn die Wohnfläche bei den Vertragsverhandlungen oder der Wohnungsbesichtigung keine Thematisierung gefunden hat und im Mietvertrag nicht vereinbart worden ist.
Diese Rechtsprechung ist vom Landgericht Mannheim im Urteil vom 08.11.2006 (Az. 4 S 96/06) bestätigt worden: Danach folgt eine mietvertragliche Vereinbarung der Wohnfläche weder daraus, dass der Vermieter in einer Zeitungsanzeige die Wohnfläche mit „ca. 90 qm“ angegeben hat, noch daraus, dass der Vermieter die Betriebskosten auch unter Zugrundelegung einer Wohnfläche von 90 qm gegenüber dem Mieter abgerechnet hat.
Selbst dann, wenn der Vermieter nach Abschluss des Mietvertrages dem Mieter zur Vorlage bei der Wohngeldstelle eine Bescheinigung ausstellt, bei der eine um mehr als 10 % zu große Wohnfläche angegeben ist, berechtigt dies nach Auffassung des Landgericht Dortmund (Az. 1 S 96/06) den Mieter nicht zur Minderung, da darin keine Beschaffenheitsvereinbarung zu sehen sei.

6. Wohnfläche und öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen

Rechtlich konsequent und erwartungsgemäß ist vom BGH unter dem 16.09.2009 zu dem Az. VIII ZR 275/08 eine weitere wichtige Entscheidung verkündet worden: Danach berechtigen öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen vermieteter Wohnräume den Mieter nicht zur Mietminderung, wenn deren Nutzbarkeit mangels Einschreitens der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt ist. Und weiter:

„Haben die Parteien eine bestimmte Wohnfläche als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart, sind die Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind (hier: Ausgebautes Dachgeschoss), bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon mit einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den Bestimmungen der II. BV als Wohnraum anzurechnen sind.“

Diese Entscheidung ist von erheblicher Tragweite für die alltägliche Vermietungspraxis. Was war geschehen? Vermietet war in München ein Einfamilienhaus. Nach § 1 des Mietvertrages betrug die Wohnfläche 129,4 qm. Auch die Dachgeschossräume wurden von den Mietern als Wohnraum genutzt. Nach etwa sechs Jahren beriefen sich die Mieter darauf, die Dachgeschossräume seien wegen öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkungen – aus feuerpolizeilichen Gründen – bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen, so dass die Wohnfläche demnach nur 108,6 qm betrage und demnach eine Flächenabweichung von mehr als 10 % vorliege. Die Mieter klagten auf Rückzahlung vermeintlich überzahlter Miete in Höhe von ca. € 3.400,00 sowie Feststellung, künftig zur Zahlung einer verringerten Grundmiete verpflichtet zu sein.
Der BGH weist die Klage ab und schließt in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich ein Minderungsrecht wegen vermeintlich zu geringer Wohnfläche aus. Die Dachgeschossräume seien bei der Wohnflächenberechnung zu berücksichtigen! Damit entspreche die tatsächliche (Gesamt-) Wohnfläche den mietvertraglichen Angaben. Die von den Mietvertragsparteien getroffene Vereinbarung, „welche Flächen in die Berechnung einzubeziehen sind“, habe Vorrang gegenüber den Bestimmungen der II. BV bzw. WoFlV.

Diese Rechtsprechung setzt der BGH weiter fort, unter anderem im Beschluss vom 29.09.2009 (VIII ZR 242/08):

„Entscheidend für eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Umfang der Wohnfläche ist eine Einigung darüber, auf welche Flächen sich der beabsichtigte Nutzungszweck erstrecken soll, und nicht die Frage, ob der geplanten (und verwirklichten) Nutzung (öffentlich-) rechtliche Gründe entgegenstehen.“

In dem entschiedenen Fall hatten die Vertragsparteien auch die Anmietung zweier Kellergeschossräume im Mietvertrag als „Wohnfläche“ vereinbart; die Mieter hatten sich in der Folgezeit auf eine vermeintliche Baurechtswidrigkeit und ein daraus begründetes Mietminderungsrecht berufen. Wie schon in der Entscheidung vom 16.09.2009 vom BGH klargestellt, ist ein gewährleistungspflichtiger Mangel bei einem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen (hier das öffentliche Baurecht) aber regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn die Baurechtsbehörde die Nutzung untersagt, was im Streitfall nicht gegeben war.

Fazit:
Bei zweifelhaften Raum- und Flächentypen ist vermieterseits im Mietvertrag deutlich klarzustellen, dass und ggf. mit welchem Anteil (mit-)vermietete Flächen, wie Terrassen, Balkone, Hobbyräume, Wintergärten, Dachgeschoss oder andere Räume, namentlich auch solche ohne ausreichende Heizmöglichkeit in die Wohnfläche einbezogen sind; Entsprechendes gilt für Abstellräume in der Wohnung, Galerieflächen, Flächen mit besonders niedriger Deckenhöhe etc.

Selbstverständlich müssen die vermieteten Flächen/Räume, die mietvertraglich auch als Wohnraum genutzt werden sollen, als solche den öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen entsprechen! Werden beispielsweise nicht genehmigte Souterrainräume als Wohnraum vermietet und untersagt die Baurechtsbehörde im laufenden Mietverhältnis die Nutzung dieser Flächen, ist ein Mangel gegeben, der sämtliche Gewährleistungsrechte auf Mieterseite freisetzt.

7. Folgen einer ausdrücklichen Vereinbarung

Wie oben ausgeführt, können die Mietparteien vertraglich nicht nur die Wohnfläche, sondern auch die Berechnungsweise ausdrücklich vereinbaren. In einem vom Bundesgerichtshof unter dem 08.07.2009 (VIII ZR 218/08) entschiedenen Fall war im Mietvertrag über die Anmietung eines Fachwerkhauses unter § 1 Folgendes geregelt:

„Der Vermieter vermietet dem Mieter im Haus L. folgende Wohn- und Nebenräume: 4 Zimmer, 1 Küche, 1 Diele, 1 Bad, (…) 1 Bodenraum, Sitzecke a.d. Hof neben Garage (…). Die Wohnfläche ist mit ca. 92 qm vereinbart. Berechnungsgrundlage sind §§ 42 ff. II. BV.“

Der Mieter forderte nach Beendigung des Mietverhältnisses Rückzahlung von ca. € 1.100,00, dies mit dem Hinweis darauf, dass die tatsächliche Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % abweiche. Der BGH hat den Klaganspruch zuerkannt und führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass eine Flächendifferenz von mehr als 10 % gegeben sei: Maßgeblich für die Flächenberechnung seien die §§ 42 ff. II. BV, da die Vertragsparteien diese Berechnungsmethode ausdrücklich unter § 1 des Mietvertrages vereinbart haben. Die vom Sachverständigen vorgenommenen Abzüge wegen Unterschreitung der lichten Raumhöhe von 2 m seien deshalb gerechtfertigt. Es komme deshalb auch nicht darauf an, ob die II. BV auch ältere Bauwerke mit freiliegenden Deckenbalken im Blick gehabt habe.
Auch die Frage, ob eine mit vermietete „Sitzecke auf dem Hof“ mit einer Fläche von 18 qm, die allerdings ca. 20 m vom Haus entfernt liegt in die Berechnung der Wohnfläche einzubeziehen ist, wird vom BGH deshalb verneint, da sie gerade kein Freisitz im Sinne des § 44 Abs. 2 II. BV sei. Als Freisitz seien nur solche Flächen zu berücksichtigen, die an den Wohnraum angrenzen.

In einer weiteren Entscheidung des BGH vom 28.10.2009 erklärt sich der VIII. Zivilsenat auch zu der Frage, wann bei einer Terrasse gemäß § 44 Abs. 2 II. BV die Grundfläche bis zur Hälfte auf die Wohnfläche angerechnet werden kann, nämlich dann, wenn die Terrasse über einen Sichtschutz verfügt. Eine Überdeckung oder Überdachung der Terrasse sei nicht erforderlich, da mit „gedeckt“ keine Überdeckung oder Abdeckung gemeint sei, sondern lediglich ein Schutz gegen die Einsichtnahme, z.B. durch Umfassungswände, Sichtblenden oder Bepflanzung, wobei der Sichtschutz nicht vollständig zu sein brauche (BGH vom 28.10.2009, VIII ZR 164/08).

Fazit:
Deutlich wird aus den vorbenannten Entscheidungen, dass die ausdrückliche Vereinbarung im Mietvertrag, in der eine bestimmte Wohnfläche und/oder die zugrunde gelegte Berechnungsmethode angegeben ist, Gefahren birgt. Der Vermieter, der im Mietvertrag Angaben zur Wohnfläche, respektive zur Berechnungsmethode macht, wird grundsätzlich an seinen Angaben festgehalten werden. Nur dann also, wenn der Vermieter ein konkretes Vermessungsergebnis der Wohnung vorliegen hat, welches aber in der Praxis mit erheblichen Kosten verbunden ist, kann in der Regel risikolos eine Wohnflächenangabe in Verbindung mit der zugrunde gelegten Berechnungsmethode vereinbart werden. Anderenfalls bleibt es bei der Empfehlung, Angaben zur Wohnfläche nicht zu vereinbaren, oder aber jedenfalls einen – möglichst individualvertraglichen – Haftungsausschluss im Mietvertrag aufzunehmen.

8. Flächenberechnung bei Gewerberaum

Auch bei der Gewerberaummiete kann das erhebliche Abweichen der vertraglich vereinbarten von der tatsächlichen Mietfläche einen Mangel begründen. Die noch zulässige Toleranz wird auch vom Gewerberaummietsenat bei 10 % angesetzt (BGH vom 27.10.2004, XII ZR 175/02).

Hinweis für die Praxis:
Gerade bei Gewerberaummietverträgen wird stets zu prüfen sein, ob eine bestimmte Mindestgröße für die Parteien von Bedeutung war und ob sich dies vertraglich niedergeschlagen hat, nämlich beispielsweise durch die Vereinbarung eines bestimmten Quadratmetermietpreises. Insbesondere bei der Vereinbarung einer Quadratmetermiete stellt sich regelmäßig die Frage nach den Folgen einer Abweichung der vertraglich vereinbarten von der tatsächlichen Größe. Es sollte deshalb vertraglich festgelegt werden, wie die Mietfläche zu berechnen ist (gif, DIN 277, II. BV etc.) und ab welcher prozentualen Abweichung sich die Miete verändern soll. Gewährleistungsrechte sollten insoweit ausgeschlossen werden. Bei Formularmietverträgen müsste der Prozentsatz deutlich unter 10 % liegen.

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