Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Erwerber von Wohnungseigentum als werdender Wohnungseigentümer

a) Die Anwendung der Grundsätze über die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft setzt nicht voraus, dass es sich bei dem Ersterwerb von dem teilenden Eigentümer um einen Bauträgervertrag handelt. Diese Grundsätze gelten vielmehr unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag eine Errichtungs-, Herstellungs- oder Sanierungsverpflichtung umfasst, für jeden Ersterwerb vom teilenden Eigentümer

b) Werdender Wohnungseigentümer ist auch derjenige, der nach Entstehen der Wohnungs­eigentümergemeinschaft im Rechtssinne von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigen­tum erwirbt und durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesicherte Rechtsposition erlangt. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob ein solcher Ersterwerb von dem teilenden Eigentümer während der eigentlichen Ver­marktungsphase oder erst längere Zeit nach deren Abschluss erfolgt (Fortführung von Senat, Urteil vom 11.05.2012; V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 12).

BGH, Urteil vom 14.02.2020; V ZR 159/19

Sachverhalt

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Klägerin ist die Erwer­berin von zwei Eigentumswohnungen, die sie vom teilenden Wohnungseigentümer am 30.06.2016 durch notariellen Kaufvertrag erworben hat. Die Aufteilung des Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum war 30.09.2015 im Grundbuch vollzogen. Aufgrund einer Auf­lassung vom 06.01.2015 wurde am 31.03.2016 die erste Käuferin in das Grundbuch einge­tragen. Zu Gunsten der Klägerin wurde am 02.08.2016 die Auflassungsvormerkung einge­tragen, am 22.08.2016 zahlte die Klägerin den Kaufpreis. Die Übergabe der Wohnungen an die Klägerin erfolgte ebenfalls am 22.08.2016.

An einer Eigentümerversammlung am 06.11.2017 wurde die Erwerberin durch den Verwalter von der Teilnahme mit der Begründung ausgeschlossen, sie sei noch nicht im Grundbuch ein­getragen. Die Beschlussanfechtungsklage der Klägerin gegen einen Beschluss dieser Ver­sammlung wurde vom Amtsgericht und Landgericht zurückgewiesen, mit der Begründung, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung keinen werdenden Wohnungseigen­tümern gewesen.

Entscheidung

Der BGH bejaht die Rechtstellung der Klägerin als werdende Eigentümerin und erklärt den angefochtenen Beschluss für unwirksam. Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung, dass der­jenige, der Wohnungseigentum erwirbt mit der Eintragung und Übergabe der Wohnung eine Rechtstellung als werdender Wohnungseigentümer erhält und bis zu seiner Eintragung im Grundbuch wie ein Wohnungseigentümer zu behandeln ist, mithin an Eigentümerversamm­lungen teilnehmen und abstimmen kann. Diese Rechtstellung verliert der Erwerber nicht dadurch, dass mit der Eintragung des ersten Erwerbers in das Wohnungsgrundbuch die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne entsteht. Die Grundsätze für die vom Wohnungseigentumsgesetz nicht erfasste Gründungsphase einer Wohnungseigentümer­gemeinschaft, die sich als Regelungslücke im Gesetz darstellt, gelten nicht nur bei dem Erst­erwerb im Rahmen eines Bauträgervertrages. Diese vom BGH entwickelten Grundsätze gelten vielmehr unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag eine Errichtungs-, Herstellungs- oder Sanierungsverpflichtung umfasst für jeden Ersterwerb vom teilenden Eigentümer. Die Recht­stellung erlangt der Erwerber unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag vor oder nach Ein­tragung des ersten Erwerbers in das Grundbuch geschlossen wird. Soweit im Urteil des Senats vom 11.05.2012, Az. V ZR 196/11, die Frage, ob eine zeitliche Begrenzung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft im Hinblick darauf erwogen werden könne, dass der teilende Eigentümer nach einer längeren Vorratshaltung einem Eigenerwerber gleichzustellen sein könnte beantwortet der BGH mit der Klarstellung, dass der werdende Wohnungseigen­tümer auch derjenige sein soll, der nach entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt und durch Eintragung der Auflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesicherte Rechtsposition erhalten hat. Die Regelungslücke im Gesetz besteht, wie der BGH ausführt, nicht nur insoweit, als bei der Aufteilung eines Grundstücks im Wohnungseigentum durch den teilenden Eigen­tümer selbst nach Eintragung der Aufteilung in das Grundbuch zunächst keine Wohnungs­eigentümergemeinschaft entsteht, weil diese nach geltendem Recht mindestens zwei Mit­glieder und damit jedenfalls die Eintragung eines weiteren Wohnungseigentümers in das Grundstück voraussetzt; vielmehr sieht der BGH die entscheidende Regelungslücke darin, dass die Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes dem „Demokratisierungsinteresse“ der Erwerber mit gesicherter Rechtsposition nicht Rechnung tragen. Die Wohnanlage muss ab Bezugs Fertigkeit und Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden, was unter Mitwirkung auch der künftigen Eigentümer erfolgen sollte. Es macht keinen Unterschied, ob ein solcher Ersterwerb von dem teilenden Eigentümer während der Ver­marktungsphase oder erst längere Zeit nach deren Abschluss erfolgt. Eine solche Differen­zierung würde kaum sicher vorzunehmende Abgrenzungen ermöglichen, sodass, um „Demokratisierungsinteresse“ Rechnung zu tragen, die Regelungslücke sich regelmäßig erst mit der Eintragung des letzten werdenden Wohnungseigentümers in das Grundbuch schließt.

Der Anfechtungsklage war demgemäß stattzugeben, weil der von der Erwerberin angefoch­tene Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach und die Erwerberin als werdende Wohnungseigentümerin berechtigt war, an der Wohnungseigentümerversammlung teilzu­nehmen und ihr Stimmrecht auszuüben.

Fazit

Das Urteil bringt die erforderliche Klarheit in die Abgrenzung zwischen Ersterwerber zum Zweiterwerber. Hat der Erwerber aufgrund einer rechtlich verfestigten Erwerbsposition ein berechtigtes Interesse daran erlangt, an der Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage mit­zuwirken, gebietet es der Minderheitenschutz bzw. das Demokratisierungsinteresse der Erwerber mit gesicherter Rechtsposition, ihnen diese Teilhabe nicht von zeitlichen, nicht beeinflussbaren Abgrenzungskriterien wie der Grundbucheintragung oder der Übergabe des Wohnungseigentums abhängig zu machen. Vielmehr erhält der Erwerber die Rechtstellung als werdender Wohnungseigentümer auch dann, wenn er nach Entstehen der Wohnungseigen­tümergemeinschaft von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt und durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesicherte Rechts­position erlangt.

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