Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Endlich geklärt: Dem Wohnungseigentümer, der bauliche Veränderungen durch­führt, können die Folgekosten der Maßnahme durch Beschlussfassung in einer Wohnungseigentümerversammlung auferlegt werden.

BGH, Urteil vom 15.05.2020; V ZR 64/19

Sachverhalt

Einzelne Wohnungseigentümer haben das Anliegen, an ihren Fenstern als Sonnenschutz Jalousien im Bereich ihrer Wohnungseigentumseinheiten zu montieren. Nach der Montage der Elemente werden die betreffenden Wohnungseigentümer durch andere Miteigentümer auf Beseitigung der Installation in Anspruch genommen. Während des laufenden Rechtsstreits fassen die Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentümerversammlung mehrheitlich den Beschluss, dass den Eigentümern gestattet wird, Verschattungsanlagen fachmännisch an der Fassade anzubringen unter Vorgabe einer einheitlichen Art und Form. Die entstehenden Ein­bau- und evtl. Folgekosten werden dem jeweiligen Wohnungseigentümer auferlegt.

Diese Beschlussfassung wird durch eine Beschlussanfechtungsklage angegriffen und neben anderen Anfechtungsgründen insbesondere geltend gemacht, dass die Wohnungseigentümer keine Beschlusskompetenz haben, die etwaigen Folgekosten aus dem Eingriff in das gemein­schaftliche Eigentum auf einzelne Wohnungseigentümer abzuwälzen.

Entscheidung

Der Gesetzgeber gibt vor, dass die Wohnungseigentümer im Einzelfall aus § 16 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz Kosten zur Instandhaltung oder Instandsetzung des gemein­schaftlichen Eigentums und Kosten aus baulichen Veränderungen oder Aufwendungen abwei­chend von den Vorgaben der Teilungserklärung verteilen können. Der abweichende Maßstab muss dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs des betroffenen gemeinschaftlichen Eigentums Rechnung tragen. Soweit über den Einzelfall hinausgehend eine Änderung des Kostenverteilungsmaßstabs beschlossen werden soll, ist eine solche Beschlussfassung auf­grund der fehlenden Beschlusskompetenz nichtig. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr hin­sichtlich der Genehmigung baulicher Veränderungen die Frage zu beantworten, ob diese in dem Urteil vom 09.07.2010 zu dem Geschäftszeichen V ZR 202/09 aufgezeigten Grundsätze zum Umgang mit der Vorgabe aus § 16 Abs. 4 WEG auch für die Genehmigung baulicher Ver­änderungen und damit verbundene Folgekosten gelten sollen.

Der Bundesgerichtshof nimmt insoweit eine Abgrenzung vor und hat für Recht erkannt, dass in der Genehmigung einer baulichen Veränderung mit der Maßgabe, dass Folgekosten durch den bauwilligen Wohnungseigentümer zu tragen sind, keine Änderung der Kostenverteilung abweichend von der Teilungserklärung zu sehen ist. Es gehe nicht um die Verteilung der Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, vielmehr haben die Wohnungs­eigentümer hier beschlossen, von ihrer Befugnis Gebrauch zu machen, der Vornahme einer baulichen Veränderung durch einzelne Wohnungseigentümer selbst unter bestimmten Maß­gaben zuzustimmen. Zu diesen Maßgaben kann – neben der Kostenübernahme – etwa die Übernahme von Verkehrssicherungspflichten gehören. Ebenso können die Wohnungseigen­tümer die Gestaltung und die fachmännische Montage der Installation vorgeben. Es bleibe jedoch letztlich dem durch die Beschlussfassung begünstigten Wohnungseigentümer über­lassen, ob er von dieser Gestattung Gebrauch machen will und wenn er von dieser Gestattung Gebrauch macht, muss er eben auch die Auflagen der Gemeinschaft hinnehmen, hierzu kann sodann auch die Übernahme etwaiger Folgekosten gehören.

Der BGH führt an, dass für den Fall, dass ein Wohnungseigentümer, der die bauliche Verände­rung durchführt, jedoch die Maßgaben der Genehmigung aus der Beschlussfassung nicht er­füllt, auf Rückbau in Anspruch genommen werden kann. Eine solche Regelung ist aus § 16 Abs. 4 WEG hingegen nicht abzuleiten, es lägen mithin unterschiedliche und gegeneinander abzugrenzende Sachverhalte vor.

Fazit

Der BGH hat einen in der juristischen Kommentarliteratur und in der Rechtsprechung sehr umstritten gewesenen Umgang mit der gesetzgeberischen Vorgabe aus § 16 Abs. 4 WEG nunmehr geklärt und eine praxisnahe Regelung für bauliche Veränderungen am gemeinschaft­lichen Eigentum ermöglicht. Das bisher scheinbare Hindernis, dass Kosten für Instandset­zungen am gemeinschaftlichen Eigentum nur im konkreten Einzelfall abweichend von den Vorgaben der Teilungserklärung einzelnen Wohnungseigentümern durch Beschlussfassung auferlegt werden können, besteht bei genehmigten baulichen Veränderungen einzelner Wohnungseigentümer nicht. Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer steht es vielmehr bei der Genehmigung baulicher Veränderungen frei, die Konditionen zu definieren, zu denen die bauliche Veränderung genehmigt wird. Hierzu zählt insbesondere neben der fachgerechten Durchführung der Maßnahme auch die Abwälzung der nachfolgenden Wartungs- und Instand­setzungsaufwendungen. Gehen dem begünstigten Wohnungseigentümer die beschlossenen Auflagen zu weit, kann er die beabsichtigte Maßnahme unterlassen, macht er hingegen von der Genehmigung Gebrauch, muss er die Auflagen der Genehmigung erfüllen.

Es verbleibt im Übrigen jedoch bei dem Grundsatz, dass die bauliche Veränderung für die Wohnungseigentümer, die der Maßnahme nicht zustimmen, nicht nachteilig sein darf. Bestünde ein solcher Nachteil, wäre die entsprechende Beschlussfassung zur Genehmigung der Installationen anfechtbar.

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