Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Der Erwerber einer neuen Eigentumswohnung kann weder durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen noch durch die Teilungserklärung oder durch Beschluss an
eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums, die vor Abschluss des Kaufvertrages
durch andere Erwerber bereits stattgefunden hat, gebunden werden. Dies würde die
Verjährungsfrist unzulässig verkürzen.

BGH, Urteil v. 25.2.2016, VII ZR 49/15 und BGH, Urteil v. 12.5.2016, VII ZR 171/15

Der Bundesgerichtshof hat sich in kurzer Folge in zwei Entscheidungen zu der Frage geäußert,
ob der Erwerber einer neuen Eigentumswohnung an eine bereits erfolgte Abnahme des
Gemeinschaftseigentums durch andere Erwerber gebunden werden kann.

Sachverhalte

Im ersten Fall (VII ZR 49/15) wurde nach Errichtung der Anlage im November und Dezember
2004 das Gemeinschaftseigentum vom Verwalter und einigen Eigentümern abgenommen.
Im November 2006 erwarben die Eheleute G. (Erwerber) vom Bauträger eine Wohnung in der
Anlage, in der noch verschiedene Arbeiten ausgeführt werden sollten. Unter „Bauabnahme“ ist
im notariellen Formularvertrag vereinbart:
„Das Bauwerk ist durch die Vertragsparteien oder mit schriftlicher Vollmacht
ausgestattete Vertreter förmlich abzunehmen. Der Abnahmetermin wird vom
Veräußerer bestimmt. (…) Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums ist
bereits erfolgt. Der Verkauf gilt nach Maßgabe dieser Abnahme als
vereinbart.“
Im zweiten Fall (VII ZR 171/15) wurde die Wohnungseigentumsanlage 2002 errichtet und
besteht aus 23 Wohnungen nebst Kfz-Stellplätzen. Die Teilungserklärung sieht in § 19 vor,
dass die Wohnungseigentümer in der ersten Eigentümerversammlung ein Ingenieurbüro mit
der Abnahme des Gemeinschaftseigentums beauftragen. Danach nahm dann im Jahre 2002
ein Ingenieurbüro das Gemeinschaftseigentum ab, so wie es zuvor in der ersten
Eigentümerversammlung beschlossen worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle
Wohnungen verkauft.
Die Kaufverträge, die nach der Abnahme geschlossen worden sind, enthalten folgende
Klausel: „Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist am 25.11.2002 erfolgt. Die
Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am
Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für
diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt
haben.“
In beiden Fällen rügten die Erwerber jeweils mehr als fünf Jahre nach der erfolgten Abnahme
Mängel am Gemeinschaftseigentum und traten schließlich sämtliche Mängelansprüche aus
dem Erwerbsvertrag an die WEG ab. Diese verlangte hieraus von dem Bauträger aus
abgetretenem Recht jeweils Kostenvorschuss für die Beseitigung von Mängeln am
Gemeinschaftseigentum sowie die Feststellung der Ersatzpflicht zur Übernahme etwaiger
weiterer Sanierungskosten.
Die Bauträger sind der Auffassung, Mängelansprüche seien schon deshalb ausgeschlossen,
weil die Erwerber laut Vertrag an die erfolgte Abnahme gebunden und deshalb eventuelle
Ansprüche verjährt seien.

Die Entscheidungen

Der BGH kommt in beiden Fällen zu dem Ergebnis, dass die Mängelansprüche jeweils nicht
verjährt sind.
Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder
Eigentumswohnungen richten sich grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, und zwar auch
dann, wenn das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt war. Daher gilt die
fünfjährige Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Verjährung von
Mängelansprüchen aus einem Werkvertrag beginnt grundsätzlich mit der Abnahme. Die
Erwerber haben das Gemeinschaftseigentum jeweils nicht selbst abgenommen. Sie sind auch
nicht an die jeweils bereits erfolgten Abnahmen gebunden, denn die Vertragsklauseln in
beiden Fällen, nach denen die bereits vor Vertragsschluss erfolgte Abnahme ihnen gegenüber
gilt, sind unwirksam.
Nach dem Wortlaut der Klauseln gilt die Abnahme entsprechend der bereits durchgeführten
Abnahme rückwirkend als vereinbart. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn, die nach der
Herstellung der Wohnungseigentumsanlage in die Wohnungseigentumsgemeinschaft
eintretenden Erwerber an eine bereits erfolgte Abnahme zu binden.
Mit der Anknüpfung an die bereits erfolgte Abnahme wird der Beginn der Verjährung von
Mängelansprüchen der Erwerber betreffend das Gemeinschaftseigentum auf einen Zeitpunkt
vorverlagert, zu dem diese das Werk weder erworben hatten noch es ihnen übergeben war.
Dies stellt eine mittelbare Verkürzung der Verjährungsfrist dar, die von § 309 Nr. 8 b) ff) BGB
erfasst wird. Damit ist die Klausel insgesamt unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion
allein auf die Abnahme ist mangels Teilbarkeit der Klausel nicht möglich.
§ 19 der Teilungserklärung im zweiten Fall sei jedenfalls insoweit nichtig, als die Wirkung der
Abnahme des Gemeinschaftseigentums seitens der aufgrund Beschlusses der ersten
Eigentümerversammlung beauftragten Abnahmeperson auf Nachzügler-Erwerber erstreckt
werden solle. Gegenstand von Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG können lediglich
Regelungen sein, die das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen. Die
Abnahme des Gemeinschaftseigentums falle nicht hierunter. Sie betreffe vielmehr das
Vertragsverhältnis zwischen Bauträger und Erwerber. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung
erhält der einzelne Erwerber aus dem Erwerbsvertrag einen individuellen Anspruch auf
mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das gesamte Gemeinschaftseigentum.
Dementsprechend liegt es grundsätzlich bei ihm, zu entscheiden, ob er das Werk als eine in
der Hauptsache dem Vertrag entsprechende Erfüllung gelten lassen will. Der Regelungsort für
die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist der jeweilige Erwerbsvertrag.
Die Abnahme im zweiten Fall entfalte auch nicht aufgrund des Beschlusses der ersten
Eigentümerversammlung Wirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber. Der Beschluss
bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums sei mangels Beschlusskompetenz
jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der Abnahme auf Nachzügler-Erwerber
erstreckt werden soll.

Fazit

Der BGH bleibt in diesen Entscheidungen seiner Linie treu, dass jeder erwerbende
Teileigentümer einer Neubau-WEG gesondert die Abnahme des Gemeinschaftseigentums
erklären muss, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Abweichende Regelungen in den
Kaufverträgen hat der BGH stets für unwirksam erklärt – so z.B. schon bei einer erfolgten
Abnahme durch den Erst-Verwalter (BGH, Urt. v. 12.09.2013; VII ZR 308/12). Die
Verjährungsfrist von Gewährleistungsrechten gegenüber dem Bauträger hinsichtlich des
Gemeinschaftseigentums kann daher durch einen Kaufnachzügler für die gesamte WEG
erheblich verlängert werden.

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